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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Der Mopsorden.
Ein culturgeschichtliches Curiosum von Gustav Raatz.


Die Freimaurerei, dieses stete Gespenst der katholischen Kirche, hatte dem heiligen Vater in Rom, Papst Clemens dem Zwölften, viele schlaflose Nächte bereitet, und die Jesuiten hatten den in ihm nun einmal erwachten Haß derartig genährt, daß er endlich über diesen „Teufelsorden“, diese „schwarze Bande“, den Stab brach und raschen Zuges die schon fertige Bannbulle unterzeichnete. Das war im Jahre 1736, also vor länger als einem Säculum. Ein jäher Schreck durchzitterte die Katholiken unter den Freimaurern; denn es handelte sich nicht nur um den Verlust kirchlicher, sondern auch bürgerlicher Rechte. Damals war es ja nicht wie heute, wo der Staat päpstlichen Uebergriffen in bürgerliche Verhältnisse durch seine Gesetzgebung Schranken zieht. So mußten sich denn die katholischen Freimaurer zum Austritt aus dem Bunde entschließen und zu Kreuze kriechen.

Allein die Sehnsucht nach der alten Verbindung mit ihren gesellschaftlichen Annehmlichkeiten war in vielen Herzen zurückgeblieben, und schließlich wurde der angeregte Gedanke, einen verwandten, aber auf einer andern Basis stehenden Orden zu gründen, zur That. Mit größter Vorsicht wurde bei Abfassung der Statuten alles vermieden und ausgeschlossen, was auch nur im Entferntesten dazu angethan war, den Papst gegen diese neue Vereinigung einzunehmen. So strich man vor Allem den Eid der Freimaurer, von dem man wußte, daß sich über denselben das Oberhaupt der Kirche am meisten geärgert hatte, und erklärte dafür das einfache Ehrenwort des Aufzunehmenden, nichts von den Geheimnissen verrathen zu wollen, für bindend genug; ferner sollten zur weiteren Beruhigung Roms dem Orden nur Katholiken beitreten dürfen (obgleich in der Folgezeit Ausnahmen nicht selten waren), und um diese Angelegenheit als eine ganz harmlose, ungefährliche hinzustellen, befürwortete man den Zutritt des weiblichen Geschlechts. Diese drei Bestimmungen beruhigten den Papst vollständig, und er ließ seine Kinder gewähren.

Der Orden that sich also auf, und die Aussichten für ihn waren nicht übel. Denn kaum geboren, fand er nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, England und Holland Aufnahme. Alles ging so glatt und vortrefflich von Statten, daß sich Jemand zu der Prophezeiung vermaß, daß der Orden bald über ganz Europa verbreitet und von ewigem Bestande sein würde.

Des guten Klanges und des besseren Fortganges wegen hatte man sich gleich anfangs um die Gunst und den Beitritt von gekrönten Häuptern, und auch nicht vergeblich beworben. Mehr Schwierigkeiten scheint indeß die Wahl eines zutreffenden Sinnbildes bereitet zu haben. Treue, Ergebenheit, Vertrauen, Bescheidenheit, Beständigkeit, Zärtlichkeit, Sanftmuth, Leutseligkeit, Liebe und Freundschaft – all diese Tugenden durch ein Merkmal auszudrücken war wahrlich keine zu unterschätzende Aufgabe. Man verzagte jedoch nicht, und bald hieß es denn auch in einer erleuchteten Stunde: nichts wäre geeigneter, passender und würdiger, das Sein und Bestreben des Ordens zu versinnbildlichen, als der – Mops! Was war natürlicher, als sich nach dem Symbol fortan Mops und den Orden Mopsorden zu nennen? Von dieser Stunde an rief man sich nicht mehr Obermeister, Obermeisterin, Bruder und Schwester, sondern Obermops, Obermöpsin, Mops und Möpsin an – Alles „mopste“ sich, und die liebe Gewohnheit gab den Gesichtern, aus denen sich anfangs ob solcher curiosen Anrede ein kaum zu unterdrückendes Lächeln abgespiegelt hatte, nach und nach ihre alte Verfassung wieder.

So ungefähr stellt eine alte Quelle, ein 1756 bei J. C. Klüter in Berlin erschienenes freimaurerisches Werk, den Ursprung einer der seltsamsten und abgeschmacktesten Erscheinungen auf dem Gebiete jener geheimen Gesellschaften dar, deren üppige Wucherung für das vorige Jahrhundert so charakteristisch ist. Dermaßen abgeschmackt ist diese Erscheinung, daß, als längere Zeit nach ihrem Verschwinden die Forschung ihre Spur wieder auffand, man die ganze Sache für eine Mystification, für ein satirisches Phantasie-Erzeugniß anzusehen geneigt war. Man wurde bestärkt darin durch den Umstand, daß über den Ursprungsort dieses „Mopsordens“ nichts zu ermitteln war, was übrigens bis heute noch der Fall ist; die Franzosen schieben ihn den Deutschen zu, und diese jenen; die Existenz des Ordens in Frankfurt am Main, in Köln, Nürnberg (von wo eine Denkmünze über Gründung einer Centralloge des Ordens in Nancy stammt), in Holland, Frankreich, England wurde quellenmäßig constatirt und wieder abgestritten. Aber daß der Orden existirt hat, steht außer allem Zweifel, seit man eine hannöverische Verordnung vom Jahre 1748 fand, nach welcher jener für die Universität Göttingen verboten wird, und so wird er wohl auch anderwärts ein, wenn auch kurzlebiges, Dasein geführt haben, wie beispielsweise noch am Schweriner Hofe, besonders aber in Köln unter dem Protectorate des galanten geistlichen Kirchenfürsten Clemens August, welcher an dem Orden die vom älteren Freimaurerthum ausgeschlossen Aufnahme von Damen sehr zu schätzen wußte.

Möpse und Möpsinnen genossen gleiche Rechte. Selbstverständlich standen demnach letzteren auch alle erdenklichen Ehrenstellen offen, und thatsächlich führte neben dem Obermopse die Obermöpsin das Schwert. Um nun alle Mißhelligkeiten zu vermeiden, die gar leicht aus einer solchen Doppelherrschaft erwachsen konnten, hatte man statutenmäßig das Uebereinkommen getroffen, alle halbe Jahre das Regiment zu wechseln, also daß in dem ersten der Obermops mit dem Aufseher, Redner, Secretär und Schatzmeister, und in dem folgenden die Obermöpsin mit der Aufseherin, Rednerin, Secretärin und Schatzmeisterin die Loge leitete. Natürlich durfte die Obermöpsin auch in Vereinsangelegenheiten mitreden.

Vergegenwärtigen wir uns eine Aufnahme in diesen Orden. Wer ihm beitreten wollte, hatte ein bezügliches Gesuch bei irgend einem Mopse anzubringen, der des Aspiranten Wunsch in nächster offener Loge vortrug und außerdem über die im Betreff seiner mit Fleiß und Sorgfalt eingezogenen Erkundigungen Bericht erstattete. Stimmabgabe entschied für oder gegen die Aufnahme. Schon vor Beginn der Loge war der Aufzunehmende in eine Kammer gewiesen worden, wo ihm von einem Mopse ermahnend und warnend in’s Gewissen geredet wurde, ja von seinem Vorhaben ablassen zu wollen, wenn er vor den Verordnungen und Verpflichtungen des Ordens zurückzuschrecken vermeine und sich obenein den schweren Proben bei der Aufnahme nicht gewachsen fühle. Wenn ihn all die dunkel und geheimnißvoll angedeuteten Schrecknisse nicht erschüttert hatten und von ihm die Frage, ob er denn durchaus ein Mops werden wollte, mit Ja beantwortet war, so trat auf ein verabredetes Zeichen ein zweiter Mops, der Wegweiser, in das dunkle Gemach hinein, welcher dem künftigen Genossen eine Binde vor die Augen legte und ihn sodann vor die verschlossene Thür der Loge führte.

Als rechtschaffener Mops mußte der Führer sich den Eingang durch dreimaliges Kratzen zu verschaffen suchen und sogar scharren, heulen und winseln wie das vierfüßige Geschöpf gleichen Namens, wenn der Riegel nicht sogleich zurückgeschoben wurde. Die Pforte ist endlich geöffnet, und ein dritter Mops, der „Getreue“, übernimmt nunmehr an der Schwelle den schon zitternden und bebenden Aspiranten, giebt ihm zum Zeichen der Abhängigkeit des Hundes vom Menschen eine Kette in die Hand, legt ihm ein kupfernes Halsband um und leitet ihn sodann neunmal um den mit allerhand Figuren abgezeichneten Platz in der Loge, während welcher Umgänge die an den Wänden stehenden Möpse beiderlei Geschlechts mit Degen, Stöcken und Ketten eine Höllenlärm erzeugen und mit dumpfen Grabesstimmen rufen „Gedenke an deinen Tod – gedenke an deinen Tod!“ Fürwahr schreckliche Minuten für den mit verbundenen Augen Dastehenden!

Endlich tritt er vor den Altar. Alles ist still geworden, und nach einer kurzen Pause beginnt folgendes recht ernst geführte Zwiegespräch zwischen dem Obermops und dem Aufseher:

Obermops: „Was bedeutet der Lärm, den ich vorhin hörte?“

Aufseher: „Es kommt ein Hund hier herein, welcher kein Mops ist; die Möpse wollen ihn beißen.“

Obermops: „Fragt ihn, was er will!“

Aufseher: „Er will ein Mops werden.“

Obermops: „Wie muß man diese Veränderung anstellen?“

Aufseher: „Indem er sich zu uns verfügt.“

Obermops: „Ist dieser da solches zu thun entschlossen?“

Aufseher: „Ja.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_336.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)