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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

vom Schnee verschütteten Wegen die ersten Fußstapfen wieder eindrücken müssen“. „Ihr habt Mittags gut spazieren wandeln,“ ruft Gutzkow aus, von dem dieses Bild stammt. „Gedenkt der Botenläufer, die zwischen Feld und Wald im ersten Morgengrauen auf unübersehbarer Schneefläche die Wege wieder aufsuchen müssen!“ In diesem Sinne sei auch unseres Dichters gedacht, der mit vielen Gleichstrebenden in seiner Jugend das Geschick zu theilen hatte, auf solch muthvoll angetretene Wanderung in einen Lebenspfad voller Enttäuschungen, Mühen und Bitterkeiten gelockt zu werden, und der trotzdem den Glauben an seinen Leitstern, an seine Ideale niemals aufgegeben hat. Die Erfahrung lehrte ihn nur, daß das Licht in weiterer Ferne geleuchtet hatte, als seine jugendliche Begeisterung gemeint.

Am 24. März 1829 zu Flensburg, als Sohn eines ebenfalls um die Literatur verdienten Geistlichen geboren, ward er schon als Gymnasiast von der radikalen Bewegung der Zeit erfaßt. Zunächst wandte sich sein oppositioneller Unabhängigkeitssinn gegen das dänische Joch, unter dem sein deutsches Geburtsland stand. Als Kieler Student folgte er im Frühjahr 1848 der Fahne des Aufstandes, schon im Treffen bei Bau (9. April) traf ihn jedoch eine feindliche Kugel, die ihn schwer verwundete und so in dänische Gefangenschaft brachte. Auf einem dänischen Kriegsschiffe wurde er eingekerkert; die Gefühle, welche ihn dort theils quälten, theils erhoben, schildern seine „Lieder eines Kriegsgefangenen auf der ,Dronning Maria’“. Ausgewechselt, bezog er die Bonner Universität. Das nahe Verhältniß, in das er hier zu Professor Kinkel und Karl Schurz trat, entzog ihn bald auch dort dem ruhigen Studium. Wie er bei des Ersteren Verhaftung dessen zurückbleibende Frau, die berühmte Johanna Kinkel, in der Redaction von Kinkel’s Zeitung unterstützt, wie er auf die Nachricht, daß sein verehrter Lehrer im Zuchthaus zu Naugard Wolle spinnen müsse, sein leidenschaftliches „Lied vom Spulen“ verfaßt hat, welches seine Relegation veranlaßte, hat er uns selbst in seiner Biographie Kinkel’s angedeutet, die er im elterlichen Hause zu Hadersleben schrieb. Im Herbste 1850 suchte er Paris auf, woselbst er den Winter zubrachte.

Nach Hamburg zurückgekehrt wurde er leider in die Verhältnisse der Baronin von Bruiningk verwickelt, deren Flucht er vermittelte und der er als Erzieher ihrer Kinder nach England folgte. In London traf er mit seinen Freunden wieder zusammen, doch den in seinen schönen Liedern ersehnten stillen Hafen ruhigen Glückes ließ ihm das Schicksal auch hier nicht zu Theil werden. Der Sommer 1852 sah ihn nach Amerika übersiedeln. Nicht zu seinem Heile. Eine von ihm in Philadelphia gegründete Buchhandlung sowie die von ihm herausgegebene Zeitschrift gingen, nachdem sie sein Vermögen verschlungen, nach zwei Jahren ein. Zwei weitere Jahre hindurch – wohl die trübsten seines Lebens, welchen jedoch seine glänzende Dichtung „Rohana“ entstammte – führte er ein romantisches Wander- und Schriftstellerleben im Westen. Erst nach seiner Rückkehr nach Hamburg (Herbst 1856) ordneten sich seine Verhältnisse wieder, wenn sie auch fast niemals glänzende geworden sind. Er, in dessen Gedichten ein so inniges Liebesbedürfniß sich ausspricht, hatte in seinem Liebesleben kein Glück. Sein „hohes Lied der Liebe“, die mit Mädchennamen überschriebenen Liedercyclen in seinen „Gedichten“ (die dritte Auflage erschien soeben bei Reclam) sprechen es aus. Auch sein späteres Leben wurde durch eine bittere Erfahrung in dieser Hinsicht getrübt; Ruhe fand er erst an der Seite seiner nun zur Wittwe gewordenen letzten Gattin.

Bis 1870 in Hamburg, dann, nach Beendigung des großen Kriegs, den er als Correspondent mehrerer größerer Zeitungen miterlebte, in Steglitz bei Berlin wohnend, ist er unermüdlich im Dienste der Literatur und ihrer hohen Aufgaben thätig gewesen, selbst dann noch, als ihm sein Leiden bereits jede Anstrengung eigentlich verbot. Seine Gesammtausgabe der Werke Heine’s, die Briefe Bürger’s, vor Allem die vorzügliche Biographie des Sängers des „Buchs der Lieder“, „Das geistige Leben in Dänemark“ und seine jüngst erschienenen „Dichterprofile“, eine Sammlung tiefgreifender und geistvoller literarischer Essays, sind die Früchte der einen Seite seiner Thätigkeit, der literarhistorischen. Nicht mindere Verdienste hat sich Strodtmann als Uebersetzer, oder sagen wir besser Uebersetzungskünstler erworben. Denn die Kunst des Dichters ist es, der Technik nach wie nach der dabei aufgewandten Empfindung, welche sich in seinen Uebersetzungen von Shelley’s, Byron’s, Tennyson’s und den Gedichten Anderer, von Engländern, Skandinaviern, Franzosen offenbart hat. Viel haben wir seinem Geist, seinem rüstigen Fleiß zu danken. Uns raubte ihn der Tod, ihn trat er als Erlöser an. Sein Andenken sei uns theuer! Ein selten weiches und dabei tiefes Dichtergemüt ging mit ihm zu Grabe.

Johannes Proelß.




Ein Centralverein für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen. Auf diesen vor Kurzem in Berlin begründeten und bereits in reger Thätigkeit begriffenen Verein glauben wir die Aufmerksamkeit lenken zu müssen, weil er mit seinen wissenschaftlichen Tendenzen zugleich praktische, das heißt handelspolitische Aufgaben von großer Tragweite verbindet und diese mit Rücksicht auf die Streitfragen verfolgen will, welche augenblicklich in unserem wirthschaftlichen Leben so viel leidenschaftlichen Kampf und lähmenden Zwiespalt erzeugt haben. Hauptzweck des Vereins ist es, einem Grundleiden unserer Industrie, jener unheilvoll gewordenen Zersplitterung deutscher Arbeit und deutschen Capitals entgegen zu wirken, wie sie unablässig von der planlosen Auswanderung in fremde Staaten herbeigeführt wird, die sodann unter dem massenhaften Beistande der uns entwichenen Kräfte unsere Rivalen und Concurrenten auf dem Weltmarkte werden. Man will also von dem Vereine aus die Auswanderung möglichst zu hemmen suchen. So weit aber der Strom nicht aufzuhalten ist, will man sich bemühen, ihn in Gegenden von vorwiegend landwirthschaftlichem Charakter zu lenken, wo sich in geschlossenen deutschen Niederlassungen ein deutsches Volksbewußtsein zu erhalten vermag und mit Hülfe solcher Colonien neue Absatzgebiete für unsere heimische Industrie gewonnen werden können. In Ländern dagegen, die zu einer solchen Colonisation sich nicht eignen, soll durch Errichtung von Handelscompagnien, Factoreien, Schifffahrtsstationen etc. für die Erweiterung deutschen Absatzes gesorgt werden.

Zur Unterstützung dieser Absichten wird in Berlin ein handelsgeographisches Museum gegründet, während in den überseeischen Ländern durch Ausstellungen brauchbarer deutscher Produkte neue Beziehungen angebahnt, bestehende unterhalten und erweitert werden sollen. Auch dem Rechtsschutze der Deutschen im Auslande wird der Verein eine besondere Sorgfalt zuwenden, und die Mitgliedschaft hochgestellter Reichsbeamten bietet ihm hierzu eine Gewähr guten Erfolges.

Selbstverständlich ist der Verein auf Ausbreitung und Verzweigung berechnet. Schon ist in Leipzig ein regsamer Zweigverein entstanden, der sofort an’s Werk gegangen ist und es sich angelegen sein läßt, die Beschickung der im Herbst dieses Jahres in Sydney stattfindenden internationalen Ausstellung mit Mustern deutscher Erzeugnisse zu veranlassen. Auch in anderen Städten des Reiches soll die Errichtung von Zweigvereinen schon beschlossen sein.

Alle diese handelsgeographischen Vereine jedoch werden auf heimischem Boden zu einer gedeihlichen Wirksamkeit nicht gelangen können, wenn sich ihnen die Deutschen des Auslandes nicht in großer Menge anschließen und an den Berliner Centralverein wahrheitsgetreue Berichte über die wirthschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Länder senden, in denen sie leben. Mitglied des Centralvereins kann Jeder werden, der einen jährlichen Beitrag von mindestens sechs Mark an die Casse desselben zahlt, die Zweigvereine des In- und Auslandes dagegen haben für jedes ihrer Mitglieder jährlich nur drei Mark in diese Hauptcasse zu entrichten. Unentgeltlich wird den Mitgliedern das Vereinsorgan verabfolgt, das unter dem Titel „Geographische Nachrichten für Handel und Volkswirthschaft“ in Berlin erscheint. Anmeldungen und Berichte sind an den Vorsitzenden des Centralvereins, Dr. R. Jannasch in Berlin SW., Wartenburg-Straße 13, zu richten.

Bei der Unzulänglichkeit deutscher Berufsconsulate in überseeischen Ländern beklagen sich unsere dort wohnenden Landsleute seit lange sehr schmerzlich und mit vollem Rechte über den Mangel eines organischen Zusammenhanges, eines vermittelnden und von pecuniärem Vortheil absehenden Bindegliedes zwischen ihnen und ihrem Vaterlande. In dem neuen Vereine, wenn er durch angemessene Leitung und zahlreiche Betheiligung zu einer wirksamen Entfaltung sich herausbilden sollte, würde ein solches Organ aus dem Volke heraus und auf dem Wege der Selbsthülfe erwachsen können. Bei starker und weiter Ausbreitung würde er vollaus im Stande sein, den Deutschen im Auslande die Segnungen unserer nationalen Machtstellung in längstgewünschtem Maße zu vermitteln.




Die Disciplinarstrafen auf der nordamerikanischen Marine sind so eigenthümlicher Art, daß es manchen Leser interessiren dürfte, etwas darüber zu erfahren.

Um Vergehen gegen die Schiffsordnung zu ahnden, gebraucht man in vielen Fällen Handschellen und Fußfessel, und werden diese Zwangsmittel auf sehr verschiedene Weise angewendet. Ungehorsam, Lässigkeit im Dienst wird meistens damit bestraft, daß der Delinquent ein oder mehrere Tage lang Hand- und Fußfessel zu tragen hat. Haben nämlich Schiffsjungen irgend welchen Unfug getrieben, so werden dieselben (oftmals drei, vier und noch mehr) mit Handschellen an einander geschlossen, und diese Strafe giebt oft zu recht lächerlichen Scenen Anlaß, da die auf solche Weise zusammengeketteten Knaben gezwungen sind, bei manchen Verrichtungen, wie z. B. beim Essen, die komischsten Manipulationen vorzunehmen.

Schlugen sich zwei Matrosen ernstlich mit einander, so werden dieselben in der Weise gefesselt, daß die Hände des Einen auf dem Rücken des Anderen zu liegen kommen. In dieser umarmenden Stellung müssen nun die beiden Raufbolde sich oft stundenlang in die Augen sehen; sie boxen nach ihrer Befreiung gewöhnlich nicht wieder.

Für das zu späte Erscheinen beim Frühappell haben die mit ihren eigenen Hängematten und Matratzen beladenen Faulenzer eine mehrstündige Promenade auf dem Verdeck zu machen, wobei dieselben von einem Soldaten escortirt werden.

Da bekanntlich viele Seeleute die üble Angewohnheit des Tabakkauens haben, so sind auf jedem amerikanischen Kriegsschiff zahlreiche Spucknäpfe vorhanden. Sollte nun ein Matrose statt ihrer das Deck benutzen, so wird ihm einer der Näpfe umgehangen, und es bleibt Jedem von der Mannschaft unbenommen, denselben auch ferner noch zu benutzen.

Schiffsjungen müssen für Lässigkeit im Dienste mit einem umgestülpten Wassereimer auf dem Kopfe und einer Handspake in der Hand Wache stehen.

Zu den härteren Strafen, als die bisher erwähnten, gehört das Aufhissen (to trice). Die Delinquenten werden mit ausgespreizten Beinen und Armen am Fuß- und Handgelenk an einander geschlossen und ihre Hände sodann an eine über ihren Köpfen aufgespannte Leine befestigt. Sehr oft werden die auf solche Weise Büßenden von Ohnmacht befallen.

Das stundenlange Stehen im Takelwerk ist für die hierzu Verurtheilten auch keine leichte Aufgabe, da die als Strickleiter benutzten Wanten schräg laufen und der Sträfling an der Innenseite dieser Wanten zu stehen oder zu hängen hat.

Am allerübelsten ergeht es auf einem amerikanischen Kriegsschiffe aber demjenigen, dem die Strafe des Schwitzkastens (sweat-box) zugetheilt wird; man muß diese Procedur barbarisch nennen und deren Beseitigung dringend wünschen. Ein Holzkasten, so groß, daß ein Mensch aufrecht darin stehen, aber durchaus keine Bewegungen machen kann, befindet sich zwischen Küche und Maschinenraum, also im heißesten Theil des Schiffes, und hat in der Thür ein ganz kleines Loch, durch welches allein der Gefangene frische Luft zu schöpfen vermag. Zum Schwitzkasten verurtheilte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_259.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)