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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

erwähnte Lichtpyramide ebenfalls stets und hat davon ihren Namen erhalten; sie geht mit den betreffenden Thierkreisbildern unter und auf und ist nur dann gut zu sehen, wenn Thierkreis und Ekliptik möglichst steil sich erheben, was für unsere Breiten namentlich an den Abenden der Frühlingsnachtgleiche stattfindet. Man würde die um diese Jahreszeit ziemlich auffallende Erscheinung viel häufiger bemerken, wenn die Abende dann häufiger klar wären, vielleicht geben uns die mondscheinfreien Abende der zweiten Hälfte des März Gelegenheit, sie zu sehen. Die zarte Lichterscheinung, welche übrigens nicht in jedem Jahre völlig gleiche Helligkeit zu haben scheint, will eben aufgesucht sein, aber wer sich nur die Richtung der Lichtpyramide nach den Hyaden merkt, wird sie beinahe in jedem Frühjahr ein oder das andere Mal zu Gesicht bekommen.

Im Herbste begegnen wir ihr auf unserer Rundreise um die Sonne zum zweiten Male unter passablen Sichtbarkeitsbedingungen, aber wir haben sie dann am Osthorizont und vor der Morgendämmerung zu suchen; die Lichtpyramide ist dann (Mitte October) stärker gegen den Horizont geneigt als im Frühjahr und richtet sich von der noch tief verborgenen Sonne, durch die Sternbilder des Löwen und Krebses, gegen die Zwillinge (Castor und Pollux). Auch im Winter und Sommer ist das Thierkreislicht bisweilen deutlich bemerkbar – geübtere Beobachter wissen es beinahe alle Tage im Jahr aufzusuchen, aber im Allgemeinen sind dann die drei Bedingungen deutlicher Wahrnehmung: steile Erhebung des Thierkreises, reine Luft und kurze Dämmerung, seltener vereinigt anzutreffen.

Je mehr wir aber gegen den Aequator wandern, um so günstiger werden alle drei Bedingungen: die Sonnenbahn nähert sich immer mehr einer senkrechten Durchkreuzung der Horizonte, die Luft wird reiner und die Dämmerung kürzer, die fast senkrecht sich erhebende Pyramide des Zodiakallichtes wird zu einem beständigen Schmuck der Tropennächte. „Wer Jahre lang in der Palmenzone gelebt hat,“ so erzählt Humboldt im „Kosmos“, „dem bleibt eine liebliche Erinnerung von dem milden Glanze, mit dem das Thierkreislicht, pyramidal aufsteigend, einen Theil der immer gleich langen Tropennächte erleuchtet. Ich habe es, und zwar nicht blos in der dünnen und trockenen Atmosphäre der Andesgipfel, sondern auch in den grenzenlosen Grasfluren (Llanos) von Venezuela, wie am Meeresufer unter dem ewig heitern Himmel von Cumana, bisweilen intensiv leuchtender als die Milchstraße im Schützen gesehen. Von einer ganz besonderen Schönheit war die Erscheinung, wenn kleines duftiges Gewölk sich malerisch abhob von dem erleuchteten Hintergrunde.“ Mitunter tritt es in jenen Breiten mit einer solchen Pracht auf, daß es wie die Abend- und Morgenröthe am gegenüberliegenden Horizonte einen Wiederschein hervorruft und vom Lichte des ersten oder letzten Mondviertels durchaus nicht beeinträchtigt wird, während Mondschein bei uns die Wahrnehmbarkeit durchweg in Frage stellt.

Immerhin erreicht das Zodiakallicht an manchen Frühjahrsabenden auch bei uns eine solche Auffälligkeit, daß man sich wundern muß, wie diese Himmelserscheinung, namentlich den am Mittelmeer wohnenden Astronomen Jahrtausende lang hat entgehen können. Die älteste zweifellose Erwähnung und Beschreibung desselben rührt nämlich von Childrey, dem Caplan des Lord Henry Somerset, her und ist in einem 1661 erschienenen Buche desselben (Britannia Baconica) enthalten. Dem berühmten italienischen Astronomen Domenicus Cassini kommt das Verdienst zu, dieses bis dahin übersehene Phänomen im Frühjahr 1683 zuerst genauer studirt zu haben, worauf der französische Naturforscher Mairan siebenzig Jahre später (1754) nachwies, daß sämmtliche Erscheinungsformen des Zodiakallichtes durch die Annahme verständlich würden, daß wir in demselben die in der Aequator-Ebene beträchtlich ausgedehnte, selbstleuchtende oder erleuchtete Atmosphäre der Sonne sähen. Man müsse sich diese Dunsthülle in Folge der Achsendrehung der Sonne so stark abgeplattet denken, daß sie Linsenform angenommen habe und sich über dem Aequator der Sonne unvergleichlich höher erhebe, als über den Polen.

In der That stimmen mit dieser Annahme die Erscheinungsformen auf’s Beste. Die Ebene des Sonnenäquators, mit welcher der größte Durchschnitt des Zodiakallichtes zusammenfällt, ist gegen die Ebene der Erdbahn um ungefähr 7 Grad geneigt, woraus sich bei ihrer unverrückbaren Lage im Weltraum der Gestaltenwechsel sowohl, wie die stets der Ekliptik sich nähernde Lage des Zodiakallichtes erklärt. Je nachdem wir die Lichtlinse dieser vorausgesetzten Sonnenatmosphäre mehr en face oder en profil sehen, wird sie schmaler oder breiter aussehen müssen, und je nach unserer gegenseitigen Stellung erheblich die Gestalt wechseln können, und so würde sich erklären, weshalb das Thierkreislicht in seiner Form zwischen Obelisk und Pyramide schwanken kann. Ganz im Profil gesehen, würde sich die Sonne beinahe einem Kometen vergleichen lassen, der zwei sich gegenüberstehende Schweife entwickelt, von denen der eine der Sonne des Morgens vorausgeht und der andere ihr des Abends folgt, die aber beide ihrer großen Lichtschwäche wegen nur sichtbar sein könnten, wenn die Sonne selbst eine bestimmte Tiefe unter dem Horizonte einnimmt.

Diese so leicht faßliche Annahme wurde indessen von dem großen Laplace lebhaft bekämpft. Nach derselben, sagte er, müsse man voraussetzen, daß sich die Sonnenatmosphäre über dem Aequator bis zur Marsbahn erstrecke, während man aus den Gravitationsgesetzen folgern müsse, daß sie sich noch lange nicht einmal bis zur Mercurbahn ausdehnen könne, und er neigte daher der schon von Cassini ausgesprochenen Ansicht zu, daß zwischen Venus und Mars ein aus Dünsten oder zahlreichen kleineren Meteormassen bestehender Ring um die Sonne kreise möchte, der, von ihr beleuchtet, uns in seine verschiedenen Lagen ähnlich erscheinen könnte, wie die vorausgesetzte Sonnenatmosphäre. Auch diese Erklärung hat die Naturforscher aus verschiedenen Gründen nicht befriedigen können, und man hat noch manche andere Vermuthungen aufgestellt, z. B. daß das Zodiakallicht eine dem Nordlicht ähnliche Erscheinung sei, die nur zu bestimmten Zeiten sichtbar werde, wogegen aber die Beständigkeit der Sichtbarkeit in den Tropen spricht. Der fleißigste Beobachter des Zodiakallichtes in der Neuzeit, Professor Heis in Münster, glaubte dasselbe als einen von der Sonne beschienenen Nebel- oder Dunstring deuten zu können, der, dem Ringe des Saturn vergleichbar, innerhalb der Mondbahn um die Erde kreise.

Mit den Untersuchungsmitteln der Neuzeit, Polariskop und Spectroskop, hat man nachweisen können, daß das Thierkreislicht im Wesentlichen aus zurückgeworfenem Sonnenlichte besteht. Zwar giebt es auch hier Meinungsverschiedenheiten, und eine Reihe von Beobachtern, wie z. B. Angström und Respighi, wollen in dem Spectrum desselben in der That eine auch dem Nordlicht eigene helle Linie wahrgenommen haben, andere eine entsprechende zuckende Bewegung, während die meisten Beobachter die vollkommenste Ruhe der Lichterscheinung hervorheben. Einzelne sahen den Fuß des Lichtkegels in röthlichen Schimmer getaucht, was man vielleicht den Dünsten des Horizontes zuschreiben darf. Als der merkwürdigste Umstand dürfte zu betrachten sein, daß das Zodiakallicht – was doch, falls es eine Atmosphäre oder einen Ring um die Sonne darstellt, der Fall sein müßte – bei totalen Sonnenfinsternissen bisher niemals zweifellos wahrgenommen zu sein scheint. Zwar giebt es einige ältere und neuere Finsternißbeobachtungen, die von Strahlenbündeln reden, welche von der Sonne ausgingen, aber man weiß, namentlich bei den älteren, nicht, ob damit nicht sogenannte Protuberanzen, Eruptionen glühender Gasmassen gemeint waren, wie sie vor fünf bis zehn Jahren häufig in ausgezeichneter Schönheit beobachtet wurden.

Bekanntlich sieht man nun bei totalen Sonnenfinsternissen stets eine ziemlich ausgedehnte, meistens in silberweißem Lichte strahlende Atmosphäre der Sonne, die sogenannte Corona, welche den schwarzen Mond alsdann wie ein strahlenwerfender Heiligenschein umgiebt. Diese Atmosphäre wird aus Schichten gebildet, die sich gegen das Spectroskop ungleich verhalten und wahrscheinlich nach außen an Dichtigkeit und Hitze abnehmen. Man nennt diese Gashüllen, die den Sonnenkörper wie die Schale einer Zwiebel umgeben, von innen nach außen gezählt: Photosphäre, umkehrende Schicht, Chromosphäre und Corona. Wahrscheinlich werden die untersten aus schweren, in intensiver Gluth befindlichen Metalldämpfen gebildet, worauf dann immer leichtere Dampf- und Gasmassen folgen, die sich, ihrer verschiedenen Schwere entsprechend, schichtenweise über einander lagern, wobei die inneren, heißeren Massen bei heftigen Processen häufig weit in die äußeren und kühleren Schichten hinausgeschleudert werden. Jedenfalls finden noch in der sogenannten Chromosphäre Glühprocesse statt, denn sie ergiebt leuchtende Linien im Spectrum, unter andern auch jene wahrscheinlich dem Eisen angehörige Nordlichtlinie,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_178.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)