Seite:Die Gartenlaube (1879) 165.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

soll den Stadtverordneten einmal zugerufen haben. „Ihr werdet Eure Quellen noch mit der Laterne suchen müssen.“ Beide Herren dachten wohl an die nahen, aber nicht an die Duxer Schächte, die in der That nie beanstandet worden sind und von denen nach menschlichem Ermessen auch nichts zu fürchten war.

Die Meinung der Geologen über das zukünftige Schicksal der Quelle, die ja noch in der Tiefe der Erde vorhanden sein muß, gehen weit aus einander, nur darüber sind sie einig, daß sie in die ersäuften Schächte bei Dux getreten ist. Die Schachtsohlen liegen bedeutend tiefer, als der Quellenmund zu Teplitz. Die Leitung dahin scheint ein Plänerrücken zu bilden, der augenscheinlich Klüfte und große Reservoirs in sich birgt. Dieser Rücken wurde an denkbar ungünstigster Stelle im Döllinger Schacht angebrochen; die Reservoirs leerten sich, und die Teplitzer Quelle verlor den Druck, ergoß sich zunächst in diese Hohlräume und mischte sich in die wilden Wässer der Schächte, die sie von 15 auf 21 Grad Réaumur anwärmte. Der Sachverhalt spiegelt sich am verständlichsten in dem Bruch einer Haus-Wasserleitung: bricht diese im Keller, so haben die Etagen kein Wasser.

Lage der Unglücksschächte und Erdsenkungen (A – F) bei Teplitz.

Der Vorgang des Anbruchs hat dreiundzwanzig Menschenopfer gefordert. Zwei czechische Bergleute hauen Montag, am 10. Februar, im Döllinger Schacht, in welchem der sündlichste Raubbau getrieben worden sein soll, eine Kohlenwand an. Ein armstarker Strahl weißlichen Wassers treibt dem Einen in’s Gesicht; sie flüchten sich etwa zehn Meter nach rückwärts und beabsichtigen dort den Vorgang noch eine Weile zu betrachten – da bricht plötzlich die ganze Kohlenwand herein, und ein ungeheurer Wasserstrom ergießt sich in die Baue. Das Wasser trieb die Luft mit solcher Gewalt aus, daß sich ein förmlicher Sturmwind erhob, der im Augenblick sämmtliche Grubenlichter verlöschte. Die Arbeiter in der Nähe der Förderschächte (der Ausfahrten) retteten sich mit verzweifelter Anstrengung aus den Fluthen, die ihnen in einer halben Minute bis zur Brust gestiegen waren. Leider mußten sie einundzwanzig Cameraden ihrem Schicksale überlassen, da dieselben wohl zehn Minuten entfernt in einer Seitenstrecke arbeiteten. Die Nachbarschächte wurden gewarnt, sodaß bis auf zwei Italiener, die sich weigerten, vor Beendigung der Schicht auszufahren, Niemand verunglückte.

Sechs Mann flüchteten sich unter ein sogenanntes Lichtloch ohne Ausfahrt. Das Wasser stieg rapid, und in ihrer Angst erklommen sie Gerüste, die sie in der Eile aus Schwellen und Schienen hergestellt. Die herbeieilenden Bewohner von Dux und Ossegg hörten die braven Czechen in der dunklen Tiefe laut beten, und kaum je hat ein Gebet directeren Erfolg gehabt, als das ihre. Seile wurden herbeigeschafft, freilich ohne jeglichen Anhalt daran. Ein Bergschüler sollte wieder hinabgestürzt sein, doch ist das Fabel; sämmtliche Mannschaft auf Schacht „Fortschritt“ wurde gerettet. Die Gesammtwassermasse, die bis zum 17. Februar Mittags in die Schächte gedrungen, schätzt man auf über eine Million Cubikmeter, und noch immer steigt sie ziemlich regelmäßig in zwölf Stunden auf 1,10 Meter. Ueber die Verluste der Grubenbesitzer, der Arbeiter und besonders der Dux-Bodenbacher Eisenbahn werden die Acten selbstredend noch nicht so bald geschlossen werden.

Jedes Gutachten der Sachverständigen, jedes Urtheil aus der mit und von den Quellen lebenden Bevölkerung gleicht einem großen Fragezeichen; jedes neue Vorkommniß ist bis zur Stunde als ein neues Räthsel anzusehen; dennoch halten wir es für unsere Pflicht, den weitesten Kreisen ein Gutachten zugänglich zu machen, welches die von gediegenen Fachmännern als die besten anerkannten Mittel zur Rettung der Hauptquelle und damit zugleich die größte Beruhigung für die Heilbedürftigen, wie für alle Freunde und Bewohner von Teplitz bietet.

Bekanntlich hat sich in Teplitz, als die Betäubung des ersten Schreckens überwunden war und die Noth zur That aufforderte, eine Commission gebildet, welcher das kaiserliche Ackerbauministerium in Wien den Bergrath H. Wolf und die Professoren Gustav Laube und Eduard Sueß zur Verfügung stellte. Aus der Feder des letztern stammt das Gutachten, welches wir unseren Lesern hier im Auszug mittheilen:

„In Betreff der für die Benützbarkeit der Wässer während der kommenden Saison vorzukehrenden Schritte,“ sagt Professor Sueß, „bin ich mit meinen Fachgenossen Wolf und Laube der Ansicht, daß sofort an die Vertiefung der Mündung der wichtigsten Quelle, und zwar der Urqelle selbst, zu schreiten ist. Dies hat durch Schachtabteufung mit ununterbrochener Tag- und Nachtarbeit zu geschehen. Bei dieser Gelegenheit wird das Verflächen der heute sichtbaren Hauptspalte zu verfolgen sein, und wird sich daraus ergeben, ob und in welchem Ausmaße in der Tiefe eine Auslenkung nöthig wird. Es ist durchaus nicht anzunehmen , daß das Thermalwasser in dieser Spalte sich tiefer gesenkt habe, als das heutige Niveau der Wässer im Döllinger-Schachte. Die Vergleichung dieses Niveau ergiebt eine Tiefe des Wasserstandes von beiläufig 22 Meter unter den normalen Ausflüssen an den Löwenköpfen, aber es ist sehr möglich, daß das Thermalwasser schon in geringerer Tiefe gefunden werden wird. Hierbei ist für die Löwenköpfe eine Seehöhe von 203,15 Meter, für die Grubenwässer ein Niveau von 182 Meter angenommen, wobei die letzteren noch in einem langsamen Steigen begriffen sind, während die Hauptentleerung heute noch gegen Victoria und Gisela stattfindet.

Die Wirksamkeit der eben genannten Vorkehrungen beruht auf der Voraussetzung, daß während der kommenden Saison nicht an das Auspumpen der Kohlenwerke geschritten werde; da jedoch von den Gewerkschaften wahrscheinlich diese Arbeit für eine spätere Zeit in Aussicht genommen werden wird, so muß heute schon die dauernde Sicherung der Thermen von Teplitz in Betracht kommen. Es ist möglich, daß es den vereinten Kräften der Gewerke gelingt, die ersäuften Strecken zu retten, bei dem Ausschöpfen derselben vorübergehend das Niveau der Thermalquellen von Teplitz noch weiter herabzudrücken, als es heute steht, dann die Einbruchsstelle zu schließen, und so einen dem früheren Zustande annähernd ähnlichen Zustand der Dinge wieder herzustellen. Aber die Interessen, welche für die Stadt Teplitz auf dem Spiele stehen, sind viel zu groß, als daß man sie abhängig machen könnte von den Wechselfällen ähnlicher Arbeiten. Die Sicherstellung dieser Interessen ist nur zu erreichen, indem man sich entschließt, den Quellen nachzugehen bis zu einer Tiefe, welche beträchtlicher ist als die Tiefe der Einbruchsstelle im Döllinger-Werke, das ist zu einer Tiefe von mindestens 50 bis 60 Meter. Hierbei ist wieder die Ausflußstelle bei den Löwenköpfen mit einer Seehöhe von 203,15, jene des Einbruches mit 152,81 Meter angenommen. Ich erlaube mir vorzuschlagen, daß, abgesehen von

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_165.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)