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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

ein grüner Junge, weil Du das Geld in Deinem Felsennest da oben aufgehoben hast. Wahrscheinlich hast Du Deinen Kumpan darum prellen wollen und hast es deshalb so sorglich aufgehoben.“

In der That, hätte es der Betrüger an einer Bank deponirt gehabt, es hätte ihm kein Mensch nachweisen können, daß es ergaunertes Geld gewesen wäre.

Nach vierzehn Tagen schwamm ich wieder über den Atlantischen Ocean zurück nach der deutschen Heimath, mit der unvergänglichen Narbe im Arm als Andenken an jenes eben nur jenseit des Oceans mögliche Abenteuer, und etliche Wochen später erhielt ich von William einen Brief, in welchen er mir meldete, daß der Mann zu fünf Monaten – Mr. Burting hatte ja sein Geld wieder bekommen –, sein Gefährte zu zwei Monaten „wegen Theilnahme am Betrug“ verurtheilt worden.




Bahnbrecher des socialen Friedens.
Von Franz Mehring.

Die große Industrie des neunzehnten Jahrhunderts hat bekanntlich auf britischem Boden ihren gipfelnden Höhepunkt erreicht. Nirgends flattert das schwarze Banner des Dampfes so sieges- und zukunftsfroh, nirgends fließen ungeheure Reichthümer in einer verhältnißmäßig so geringen Anzahl von Händen zusammen, nirgends ist die große Masse der Bevölkerung von allem Besitze, namentlich auch von allem Besitze an Grund und Boden, so gänzlich ausgeschlossen und auf die Arbeit ihrer nackten Hände allein angewiesen, wie dort. Gleich schroff gestaltete Eigenthumsverhältnisse sind im deutschen Reiche glücklicherweise für heute und für alle Zukunft unmöglich. In der That sucht denn auch die „Bibel der deutschen Socialdemokratie“, wie das große Werk von Marx nicht unzutreffend genannt worden ist, durchaus und durchweg nur an englischen Arbeiterverhältnissen die Nothwendigkeit des allgemeinen Umsturzes zu erweisen. Und trotz alledem herrscht in dem Inselreiche ein zwar nicht vollkommener, aber leidlicher Zustand socialen Friedens, wie wir ihn nur noch aus den Erinnerungen einer glücklicheren Vergangenheit kennen, trotz alledem vermag dort nicht ein armseliges Wochenblättchen der rothen Farbe Wurzel zu schlagen, während wir eben gesehen haben, wie selbst der eiserne Spaten des Socialistengesetzes kaum in Monaten den vaterländischen Boden von dem verderblichen Unkraut zu reinigen vermochte, das rings um ihn sein wucherndes Geflecht spann.

Es wäre verkehrt, die Wurzel dieses merkwürdigen Unterschiedes in den verschiedenen Charakteranlagen der beiden Nationen zu suchen. Die englischen Arbeiter und Unternehmer sind Menschen von Fleisch und Blut, wie die deutschen; eher könnte man sagen, daß drüben die harte Selbstsucht der Unternehmer, der selbstbewußte Trotz der Arbeiter weit ausgeprägter sei, als hüben. Es gab eine Zeit, in welcher das zermalmende Räderwerk der englischen Industrie unerhörte Menschenopfer verschlang und den ganzen Bau des Staates in seinen tiefsten Grundfesten erzittern ließ. Damals entstand, lange ehe von einer deutschen Socialdemokratie oder einer Pariser Commune gesprochen werden konnte, im Chartismus die vielleicht gefährlichste und unheilschwangerste Proletarierbewegung unserer Epoche. Wenn sie spurlos erlosch und das englische Volk seitdem alles weltumstürzlerische Prophetenthum sich tapfer vom Leibe hielt, so liegt die Ursache vielmehr darin, daß es nicht nur die glänzenden Licht-, sondern auch die düstern Schattenseiten der modernen Erwerbsordnung am ehesten erkannte, und, während es sich in jenem Lichte behaglich sonnte, doch zugleich Mühe anwenden mußte, auch diese Schatten mit dem milden Glanze moderner Gesittung zu erhellen. Namentlich eine humane Fabrikgesetzgebung, von welcher selbst Karl Marx in einem unbewachten Augenblicke gesteht, daß sie eine geistige und leibliche Wiedergeburt der englischen Arbeiter geschaffen habe, rottete gründlich alle revolutionären Keime aus. Und wenn diese Gesetzgebung selber aus dem furchtbaren Zwange einer immer weiter um sich greifenden Entartung der unteren Volksschichten heraus geboren wurde, so waren doch ihre eifrigsten und fleißigsten Geburtshelfer die englischen Fabrikinspectoren, deren Arbeiten und Kämpfe in den dreißiger und vierziger Jahren dieses Jahrhunderts wahrhaft heldenhafter Natur und unsterblichen Ruhmes sicher sind. Selbst hartgesottene Manchestermänner gestehen freimüthig, daß England der Energie und Thatkraft dieser Beamten die Rettung seiner nationalen Zukunft verdankt.

Seit einigen Jahren sind im preußischen Staate, seit einigen Wochen überall im deutschen Reiche Fabrikinspectoren eingeführt[WS 1]. Nicht jener grausame Stachel unerbittlicher Notwendigkeit, welcher in England zum wirksamsten Hebel der socialen Reform wurde, sondern die freiwillige Einsicht der nationalen Gesetzgebung hat diese segensreiche Neuerung geschaffen, welche als die vielleicht unscheinbarste, aber gewiß unumgänglichste Vorbedingung eines friedlichen Verlaufs unserer socialen Wirren bezeichnet werden darf. Technisch und wissenschaftlich gebildete Männer, genau vertraut mit allen einschlägigen Fragen, von jener Sachkenntniß, welche die sicherste Bürgschaft bietet ebenso für die notwendige Strenge, wie für ein billiges und gerechtes Urteil in den so mannigfach verwickelten Verhältnissen der modernen Industrie, sind die Fabrikinspectoren versöhnende Träger der Staatsgewalt in den wirthschaftlichen Kämpfen unserer Zeit, Wächter gesitteten Verkehrs aus dem nationalen Arbeitsmarkte, den Unternehmern eifrige und ernste Mahner an die hohen Pflichten des Besitzes, freundliche und wohlwollende Erzieher den Arbeitern, mit einem Worte, Bahnbrecher des socialen Friedens.

Ihr Wirkungskreis knüpft zunächst an drei Bestimmungen der Gewerbeordnung an. Sie sollen alle diejenigen gewerblichen Anlagen überwachen, welche Belästigungen und Gefahren für das umwohnende Publicum mit sich führen und deshalb an die Beobachtung gewisser Vorschriften gebunden sind. Sie sollen ferner für eine sorgfältige Achtung der Schranken sorgen, welche der Fabrikbeschäftigung von Kindern und jugendlichen Arbeitern gezogen sind. Sie sollen endlich darauf achten, daß die Unternehmer auf ihre Kosten alle Einrichtungen treffen, die sich für den Schutz von Gesundheit und Leben der Arbeiter als nothwendig erweisen. Die erste dieser Aufgabe schlägt mehr in das Gebiet der allgemeinen Sanitätspolizei, während die andern beiden schwierige und wichtige Probleme des Arbeiterrechts berühren. Im Allgemeinen ist den Fabrinspectoren dann weiter vorgeschrieben, zwischen den berechtigten Interessen der Unternehmer einerseits, der Arbeiter und des Publicums andererseits auf Grund ihrer amtliche Erfahrungen und technischen Kenntnisse in billiger Weise zu vermitteln. Ueberhaupt sollen sie allmählich die Stellung von Vertrauenspersonen sowohl für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer zu gewinnen, namentlich die Ersteren auch über die gesetzlichen Anforderungen hinaus zu Einrichtungen anzuregen suchen, welche die Lage der Letzteren verbessere.

Vor kaum einem halben Jahrzehnt wurden in dem größten deutsche Staate die ersten zwei oder drei dieser Beamten ohne allen Sang und Klang ernannt; aus so bescheidenen und unscheinbaren Keimen hat sich die Einrichtung in so kurzer Zeit unter der fachkundigen und sorgsamen Leitung des Geheimen Oberregierungsraths Lohmann im preußischen Handelsministerium zu einer blühenden und lebenskräftigen Macht entwickelt. Nicht ohne Ueberwindung erheblicher Schwierigkeiten. Denn als die preußischen Fabrikinspectoren zuerst auftauchten, wurden sie mit gleichem Mißtrauen und Widerwillen von Arbeitern wie Unternehmern empfangen; man betrachtete und behandelte sie demgemäß als unnütze Störenfriede, als Reichssteuerbeamte, welche neue Finanzquellen entdecken, als Spione, die Fabrikgeheimnisse auskundschaften wollten, mitunter sogar als Reiseprediger der Socialdemokratie, bestenfalls als unbequeme Baubeamte und Kesselrevisoren. Waren diese Mißverständnisse glücklich beseitigt, so galt es, ganz aus dem Groben und Vollen heraus zu arbeiten, denn daß die Gesetzgebung des Reichs den Arbeitern gewisse Rechte gewährt, den Unternehmern gewisse Pflichten auferlegt, war beiden Theilen meist gar nicht ober nur von dunkelm Hörensagen bekannt, in den ersten Jahresberichten der preußischen Fabrikinspectoren hallte die ewige Klage wieder, daß Alles fehle, was einen gesetzmäßigen Zustand kennzeichne.

Am meisten wurde an den gesetzlichen Einschränkungen der

Kinderarbeit gefrevelt. Gerade gegen diesen Theil ihrer Pflichten,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_134.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)