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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Théroigne de Mericourt.
Nach einem altfranzösischen Kupferstich auf Holz gezeichnet von A. Neumann.

Jenem ehrgeizigen, rührigen Journalisten Brissot, der alsbald den Tendenzen der Gironde seine Feder lieh und in gemäßigte Bahnen einlenkte, war Théroigne seit dem Bastillensturme nahegetreten; er hatte damals in dem alten Staatsgefängnisse als Gefangener gesessen; nach der Erstürmung der Bastille hatte die Théroigne ihm im Auftrage des Gemeinderaths die Schlüssel derselben überbracht, eine ehrenvolle Sühne für die schmachvolle Behandlung, die er dort erlebt hatte. Engverbunden mit dem federgewandten Revolutionsmanne, hatte die Lütticherin auch zur Feder gegriffen, als Erinnerung an ihre österreichische Gefangenschaft die bösen Absichten der verbundenen Monarchen ausgemalt, mit denen sie das republikanische Frankreich bedrohten, und zur Abwehr der Schrecken die Gironde und den Berg zur Eintracht gemahnt. So wurde die blutigste Revolutionsheldin in das Lager der Gemäßigten gedrängt, was ihr verhängnißvoll werden mußte, als der Volkssturm sich gegen die Gironde wandte und ein Kampf auf Leben und Tod zwischen den beiden Parteien entbrannte. Die Furien der Hauptstadt, die sie selbst einst nach Versailles geführt, umdrängten jetzt die Nationalversammlung mit dem Rufe: „Nieder die Brissotisten!“ und als Brissot selbst durch den Tuileriengarten ging, um sich in die Nationalversammlung zu begeben, umringten sie ihn und überhäuften ihn mit Beschimpfungen und Drohungen. Die Théroigne warf sich mit Blitzesschnelle zwischen die Megären und ihr Opfer. Wohl gelang es ihr, Brissot zu retten, aber die Wuth der Weiber wandte sich nun gegen sie. „Was, Du bist eine Anhängerin Brissot’s geworden?“ riefen sie ihr zu und fielen über sie her. „Du sollst uns für Alle bezahlen.“ Von der Uebermacht bewältigt, erlitt sie eine schmachvolle Züchtigung, welche eine durch Kriegsthaten ausgezeichnete Volksführerin doppelt empfinden mußte.

In der That konnte sie diesen Schimpf nicht verwinden;

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_053.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)