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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

um einen Geistesgenossen jener Weimarischen Tafelrunde, welche allseitig gebildete, nach dem Höchsten strebende Heroen in sich vereinigte. Schon zweimal, 1854 (Nr. 26) und 1876 (Nr. 32), hat die Gartenlaube ein Gesammtbild der Leistungen des hervorragenden Autors mit Portrait desselben gegeben; wir verweisen auf die dort enthaltene Charakteristik und Analyse seiner Werke und heben hier nur noch einmal hervor, daß gerade die Summe seines Wirkens, der Reichthum seines Geistes, wie bei unseren Classikern, bei der Würdigung Gutzkow’s den Ausschlag geben muß. Denn nicht jeder Wurf ist ihm gelungen, und die Kritik hat leichtes Spiel, an vielem Einzelnen, das unser Dichter geschaffen, zu mäkeln, aber Alles, was er schuf, trägt das Gepräge eines eigenartigen und bedeutenden Kopfes, der nur in verschiedenen Formen nach dem Ausdruck für die Ideen sucht, welche die Zeit bewegen.

Nach einigen genialen Würfen im Stil der Kraftdramatiker, nach mehreren Bühnenstücken mit psychologischen und socialen Tendenzen gelang es dem Dichter, in „Zopf und Schwert“ und „Das Urbild des Tartuffe“ zwei geschichtliche Lustspiele, die ebenso viel Humor und Geist wie Bühnentechnik verrathen und dauernde Bereicherungen unseres Repertoires sind, sowie in „Uriel Acosta“ ein Trauerspiel von gedankenvoller Haltung, eigenartiger Prägnanz des Stils und zündender Wirkung zu schaffen.

Ebenso hält sich sein Lustspiel „Der Königslieutenant“ auf der Bühne; denn das etwas skizzenhafte, anekdotisch zusammengewürfelte Stück bietet eine Glanzrolle für den Charakterdarsteller. Auch ein gegen das Standesvorurtheil gerichtetes Stück „Werner oder Herz und Welt“ ist nicht von den Bühnen verschwunden. Und wenn das nur die Treffer auf dem Theater wären, so ist damit nicht gesagt, daß alle anderen Stücke als Nieten in der Literatur zu betrachten seien. Dem intimen Genuß bieten sie vieles Werthvolle und Erfreuende, einige wie „Ella Rose“ haben anregend auf nachfolgende Dramatiker wie Lindau und Wilbrandt gewirkt und sie ermuthigt, die Theaterzustände selbst auf die Bühne zu bringen; andere sind Schätze, welche vielleicht die Bühne der Zukunft noch heben wird.

Und wenn die großartigen Zeitgemälde „Die Ritter vom Geiste“ und „Der Zauberer von Rom“ als Spiegelbilder der politischen und religiösen Kämpfe unserer Zeit dauernde Bedeutung beanspruchen dürfen, so ist damit nicht erklärt, daß ein philosophischer Roman wie „Maha Guru“, ein satirischer, wie „Blasedow“, ein historischer, wie der neuerdings umgearbeitete Roman „Hohenschwangau“, daß die ganze an interessant behandelten Problemen, feinen und glänzenden Schilderungen reiche Novellistik Gutzkows der Vergessenheit anheimfallen werde.

Die ausnehmende Fülle von Essais und Portraits aus dem politischen und literarischen Leben, von Kritiken und Charakteristiken, polemischen Schriften, autobiographischen Darstellungen wird noch lange Zeit manchen Leser erfreuen und für den Literaturforscher eine Quelle bleiben für die Kenntniß der Regungen und Strömungen der Gegenwart auf allen geistigen Gebieten; überall ist Gutzkow’s Streben mit ihnen eng verknüpft.

Und nicht wandelbar im Wandel der Richtungen, im Wechsel der Zeiten hat dieser Dichter sich gezeigt. Wie er schon früh Börne’s Partei gegen Heine ergriff, so war er stets ein Anwalt des Charakters in der Literatur, der dem Talente erst den festen Halt giebt. Gewiß hat er vielfach geirrt, aber nur im Streben nach Wahrheit, deren Schein er nie geborgt hat für eine schlechte oder gute Sache, an die er selbst nicht glaubte. Ueberzeugungstreue war sein Motto, weit hinaus über den Gesichtskreis der Synagoge gehen die Worte seines Amsterdamer Helden, sie sind des Dichters eigenstes Glaubensbekenntniß:

Die Ueberzeugung ist des Mannes Ehre,
Ein golden Vließ, das keines Fürsten Gunst
Und kein Capitel um die Brust ihm hängt;
Die Ueberzeugung ist des Kriegers Fahne,
Mit der er, fallend, nie unrühmlich fällt.
Der Aermste selbst, verloren in der Masse,
Erwirbt durch Ueberzeugung sich den Adel,
Ein Wappen, das er selbst zerbricht und schändet,
Wenn er zum Lügner seiner Meinung wird.

Und solch ein Lügner seiner Meinung ist der Dichter nie geworden, an dessen Grabe wir jetzt trauernd stehen. Er hat dem deutschen Volke ein reiches Vermächtniß hinterlassen: möge es nicht länger säumig sein, den seltenen Schatz zu heben!


Die Kunst im Hause.
Von Waldemar Sonntag.

Daß die Kunst eine der edelsten Zierden des menschlichen Lebens sei, darüber ist unter den Gebildeten nur eine Stimme. Mit Entzücken stehen wir vor den Werken der griechischen Künstler, die einen Zeus, einen Apollo, eine Hera, eine Pallas in vollendeter Schönheit aus Marmor gebildet haben. In Schrift und Wort, in Liedern und Gesängen, in Formen und Farben, in profanen und religiösen Darstellungen entfaltet die Kunst ihre unerschöpflich reichen Kräfte, und täglich werden ihr neue Altäre errichtet; täglich strömen ihr neue Jünger und Verehrer zu. Wenn man in Zeitungen und Zeitschriften auf jeder Seite Besprechungen von Kunstwerken, Berichte über Kunstausstellungen, Recensionen über Theater und Concerte findet, so sollte man beinahe glauben, die Kunst sei längst Gemeingut Aller geworden, und die Musen seien tägliche Gäste in jedem Hause. Und doch: wie stiefmütterlich wird die Kunst gerade in den Räumen behandelt, die uns täglich umgeben, die uns an die Arbeit fesseln und zur Erholung rufen, die unser Theuerstes, unsere Familie einschließen – in den Räumen unseres Hauses! Nur Leute von fürstlichem Vermögen dürfen sich rühmen, in ihren stolzen Häusern auch den Künsten eine Heimstätte zu bereiten, und oft genug muß hier prahlende Eitelkeit den Mangel an Verständniß und Geschmack ersetzen. Was aber thun wir, die minder Begüterten, welche Sorgfalt wenden wir auf, um wenigstens nach unseren Kräften dem Dienste der Schönheit ein Plätzchen in unseren bescheidenen Wohnungen zu gewähren? Mustern wir nur flüchtig einmal diese unsere Räume mit dem Auge des guten Geschmacks!

Wir beginnen mit dem Kleinen, oder besser mit der Behausung des Kleinen, mit der Kinderstube. Daß Kinder Spielsachen haben müssen, ist eine Forderung, die dem Reichsten wie dem Aermsten einleuchtet. Und auch in der Wahl der Gegenstände macht die Verschiedenheit der Stände keinen großen Unterschied: in allen Kinderstuben findet man Geräthe, Thiere, Puppen, Bilderbücher. Nun aber gebe man sich die Mühe und nehme von diesem Spielzeuge das eine oder das andere in die Hand, um es aufmerksam zu betrachten! Was für Geräthe sind das! O ihr armen kleinen Mädchen, ist dieses eure Puppenstube und jenes eure Küche? Aus den schlechtesten Stoffen, mit den elendesten Bindemitteln, mit Leim, der nicht klebt, und mit Nägeln, die nicht haften, hat man euch einen Plunder zurecht gemacht, der schon nicht mehr zusammenhält, wenn ihr das luftige Zeug in die kleinen Finger nehmt. Ist das dein Säbel, mein Sohn, und das dein Schießgewehr? Elende Trümmer, obgleich erst vor einer Stunde der Vater die Sachen aus dem Fünfzigpfennigbazar heimbrachte; du sollst sie zerbrochen haben, behauptet die Dienstmagd, du hast sie nicht zerbrochen – sie waren schon zerbrochen, als du sie anfaßtest, denn sie waren niemals ganz. Und was für Thiere sind das? Grüne Ochsen und blaue Hunde, Pferde mit kerzengeraden, stricknadeldünnen Beinen, Katzen mit Hörnern und Füchse ohne Schwanz. Und gar erst die Puppen – daß Gott erbarm’! Naturwidrige Geschöpfe von Drechslers Gnaden! Und die feinen, die theueren in Sammt und Seide stolzirenden, Papa und Mama sagenden: wie unsäglich dumm und einfältig sie aussehen mit ihren Gründerfranzen vor der winzigen Stirn und den bemalten Wangen, gerade wie – die Puppen. Soweit es sich um unsere ganz Kleinen handelt, mögen wir immerhin, was die Haltbarkeit der Spielsachen betrifft, nicht gar zu ängstlich sein; denn die Lust des Zerstörens steckt nun einmal in diesen kleinsten unter den kleinen Weltbürgern, und auch das Haltbarste wird ihnen zum Opfer fallen. Aber geschmackvoll und vor Allem naturwahr soll auch all das sein, was wir unsern Jüngsten bieten, und Gott sei Dank! fehlt es in Deutschland neben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_016.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)