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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


findet dort unter Anderem Lehnstühle und Spinnräder, den großen eisernen Kessel des tapferen Miles Standish, das Stickmusterbuch der kleinen Laura Standish und die Wiege Peregrin White’s, des Kindes, welches während der Fahrt an Bord der „Maiblume“ geboren und zum Andenken an die Wanderung der Pilger Peregrin genannt wurde. Es war ein eigenthümliches Weihnachtsfest, welches die neuen Colonisten in Amerika feierten.

Schon am 25. December wurde der Grund gelegt zum ersten Hause in Plymouth, und das war das Gemeindehaus, welches zeitweilig Allen zur Wohnstätte dienen mußte. Zu ihrem ersten Gouverneur wählten sie John Carter, auch bildeten sie eine Compagnie Soldaten mit Capitain Miles Standish an der Spitze. Jeder Soldat hatte ein Panzerhemd, ein Schwert und eine Muskete mit Luntenschloß. Darauf begannen sie für die einzelnen Familien Häuser zu bauen, dieselben bestanden aus Baumstämmen und Mörtel, waren mit Stroh oder Schilf gedeckt und hatten Fenster von ölgetränktem Papier. Schließlich errichteten sie einen großen Schuppen für ihre gemeinsame Habe, ein kleines Hospital für die Kranken und eine ziemlich feste Kirche, auf deren Dache vier Kanonen aufgepflanzt wurden. Als Pfarrer fungirte William Brewster. Die Befestigung der Kirchen war in der ersten Colonialzeit eine allgemein als zweckmäßig erklärte Sitte, denn dorthin zogen sich die Ansiedler bei plötzlichen Angriffen der Indianer mit Allem, was ihnen lieb und theuer war, zurück und vertheidigten dann das Gotteshaus bis zum letzten Mann.

Was ihre Nahrung betraf, so lebten die Pilger, bis sie selbst Korn geerntet hatten, vorzugsweise von den Erträgnissen der Jagd und des Fischfangs. Zuweilen erlegten sie Hirsche und wilde Truthähne und fingen Stockfische, Seekrebse und Schalthiere. Von den Indianern lernten sie, Fische mit Pfeilen zu schießen und Aale mit Füßen aus dem Schlamme herauszutreten. Dennoch litten sie häufig Hunger und wußten am Abend oft nicht, woher sie am Morgen die nothdürftigste Nahrung nehmen sollten. „Ich habe Männer vor Schwäche wegen Mangels an gesunder Speise taumeln gesehen,“ so erzählt einer ihrer Chronisten. Auf diese Weise von Noth und Gefahren aller Art bedrängt, starb während des ersten Winters fast die Hälfte der Colonisten dahin. Eine Zeit lang waren nur noch sieben Personen kräftig genug, um die Kranken zu pflegen und die Gestorbenen zu begraben. In den ersten Tagen des April 1621 wurde auch Gouverneur Carver dahingerafft, und seine Gattin folgte ihm bald gebrochenen Herzens in das Grab; ihr Sohn war schon früher, bald nach der Landung gestorben. Allein alle diese Heimsuchungen waren nicht im Stande, die Ausdauer und Seelenstärke der Pilgrime zu erschüttern, und als im Frühling die Sonne wieder warm schien, die Vögel wiederkehrten und lustig sangen und die Krankheit aufhörte, da stimmten die Ueberlebenden Lob- und Danklieder an; keiner von den Colonisten wollte auf der nach England heimkehrenden „Maiblume“ zurückfahren, selbst die Frauen mit ihren Kindern zogen die Freiheit in dem unwirthlichen Lande der mit Knechtschaft verbundenen Bequemlichkeit in der alten Heimath vor. Auch erhielten die Pilger um diese Zeit erfreuliche Nachrichten von Seiten der Wilden. Der Häuptling Samoset, welcher im Umgange mit englischen Fischern die englische Sprache gelernt hatte, und Massasoit, der vornehmste Sachem oder König des Landes, fanden sich bei den Colonisten ein. Nach feierlichen Begrüßungen und gehörigen Schmausereien wurde zwischen Massasoit und den Pilgern ein Friedens- und Freundschaftsbündniß abgeschlossen, und der alte Häuptling sprach, indem er würdevoll mit ausgestreckter Hand auf das umliegende Land hinwies: „Engländer, ergreifet Besitz von dieser Gegend; den es ist Niemand vorhanden, um es zu behaupten; der Große Geist sandte in seinem Zorn eine Pest und fegte das rothe Volk von diesem Boden weg.“ Das Bündniß mit Massasoit und seinen Stammgenossen wurde nahezu fünfzig Jahre hindurch unverletzt erhalten.

Anders war es mit den Narragansett-Indianern; gegen sie wurden die Pilger wesentlich durch die Umsicht und Unerschrockenheit des kleinen, aber desto stärkeren und muthigeren Capitains Miles Standish geschützt. Von diesem braven Manne hat die Sage viele interessante Züge berichtet, die der amerikanische Dichter Henry Wadsworth Longfellow zu einem seiner reizendsten Gedichte, der „Brautwerbung des Miles Standish“, verarbeitet hat. Unter den Opfern der Hungersnoth und des Fiebers, welche die Colonisten in dem schrecklichen Winter heimgesucht hatten, war auch Rosa Standish gewesen. Tief betrübt bestattete der Gatte ihre Leiche zur Erde, aber nur zu bald fühlte er, „daß es nicht gut, wenn der Mann allein ist“. Er warf sein Auge auf Priscilla Mullins, „das liebliche Mädchen von Plymouth“.

Der Capitain Standish zählte damals siebenunddreißig Jahre, Priscilla aber war kaum zur Jungfrau erblüht. Dies hinderte ihn jedoch nicht, seinen Freund John Alden zu bitten, für ihn den Freiwerber bei Priscilla zu spielen; er, Standish, schrecke nicht vor den Pfeilen und Kugeln seiner Feinde zurück, aber das vernichtende „Nein“ einer lieblichen Jungfrau könne er nicht ertragen. Alden habe viele zarte Gedichte gelesen und wisse daher die Worte zu stellen. Nach einigem Zögern entschließt sich Alden zu dem schweren Gange. Er nähert sich langsam und bedächtig der Wohnung Priscilla’s, die er beim Spinnrade und ein religiöses Lied singend antrifft. Nachdem er seinen Antrag in nicht sehr gewandter Weise vorgebracht, blickt das Mädchen den jungen, frischen Burschen an und fragt, weshalb Miles Standish nicht selber komme.

„Er hat keine Zeit für solche Sachen,“ erwidert Alden. Priscilla kommt dies bei einer so ernsten Sache doch etwas merkwürdig vor; sie richtet ihre schelmischen Augen auf den Brautwerber und sagt:

„Meiner Treu, John, warum sprichst Du nicht in Deinem Namen?“ Erröthend stürmt dieser fort und läuft lange an der Küste umher. Endlich kehrte er, etwas beruhigt, zu Standish zurück und erzählte dem ehrenwerten Kriegsmanne treu und offenherzig den Hergang der Sache. Der Capitain braust nun auf, nennt den armen, unschuldigen John einen Verräther, mit dem er künftig nichts mehr zu thun haben wolle. Darauf eilt er in den Kriegsrath und läßt die mit Pfeilen gefüllte Klapperschlangenhaut, welche der Narragansett-Häuptling der Colonie als Kriegserklärung gebracht, mit Pulver und Blei füllen und dem Absender zurückschicken. Dann macht er sich kriegsbereit und zieht gegen den Feind. Nach einiger Zeit traf die Nachricht ein, daß Standish im Kampfe mit den Indianern sein Leben verloren habe, und als John Alden der Priscilla diese traurige Mähr mitgetheilt hatte, schloß er sie mit den Worten in seine Arme: „Was verbunden der Herr, das sollen die Menschen nicht scheiden.“ Bald wurde nun der Hochzeitstag anberaumt, und als die Trauung des Paares vollzogen war, erschien plötzlich ein wettergebräunter, bis an die Zähne bewaffneter Mann am Eingange der Kirche, schritt auf John Alden zu und bat ihn wegen seines früheren barschen Benehmens um Verzeihung. Miles Standish war nicht gefallen; er kehrte vielmehr als Sieger heim und segnete den eben geschlossenen Ehebund. Später verheiratete er sich mit der Schwester seiner ersten Frau, die ihn überlebt haben soll. Seine zahlreichen Nachkommen haben ihm zu Duxburg in Massachusetts, dem Staate der „blauen Hügel“, ein Monument errichtet, welches im August 1871 mit großer Festlichkeit eingeweiht wurde.

Rudolf Doehn.





Blätter und Blüthen.

Das Feierabendhaus deutscher Lehrerinnen und Erzieherinnen in Steglitz. Mit dem Gefühl inniger Freude können wir auf dem Gebiete der von der ganzen gebildeten Welt lebhaft ventilirten sogenannten „Frauenfrage“ ein Resultat verzeichnen, das eine treffliche Illustration zu dem unsere socialen Verhältnisse charakterisirenden Capitel „Selbsthülfe“ liefert und zugleich beweist, daß wirklich edle Bestrebungen immer Verständniß und bereitwillige Unterstützung finden.

Wir können hier nicht auf die vorzüglich von jenseits des Oceans angeregten Bestrebungen eingehen, dem weiblichen Geschlecht Berufsarten zugänglich zu machen, für die bis jetzt nur der „Herr der Schöpfung“ geeignet gehalten wurde. In der medicinischen Wissenschaft, der Kunst und Literatur haben sich viele Vertreterinnen jenes Geschlechts Ehrenplätze erworben; sie bewährten sich im kaufmännischen, im Eisenbahn, Telegraphie-, Postfache und vielen andern in der Neuzeit erschlossenen Zweigen der Frauenthätigkeit – einem Gebiete, das dem weiblichen Geschlecht gewissermaßen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 850. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_850.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)