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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Wie ganz anders als im Binnenlande sehen die Schellfische frisch gefangen aus! Hier haben sie auf dem Rücken eine zarte, schön röthlich-violette Farbe und sind an der Seite und dem Bauch weiß, wie Silber glänzend. Dort haben sie diese schöne frische Färbung eingebüßt und ein tristes graues Gewand dafür angelegt. Merkwürdig ist das ungemein zarte Leben des Schellfisches. Kaum von der Angel abgenommen, ist er auch schon todt; selten – nur bei starker Kälte – lebt er noch einige Minuten; wogegen andere Fische, wie Kabeljau’s, vorzüglich aber Butte und sogenannte Hundshaie, oft nach Stunden noch leben, zum Theil noch lebend in den Hafen gelangen. Zum Tödten der Fische hat man keine Zeit; sie werden, eben gefangen, in den Raum geworfen und sterben dort allmählich.

Leider kamen die Fische, anfangs zumal, sehr spärlich; nur in größeren Pausen ertönte der Ruf des Fischers: ein Fisch, Kabeljau u. s. w. (unter Fisch versteht man den Schellfisch, alle übrigen werden speciell benannt). Der häufigere Ruf: Kabeljau brachte noch einen anderen Fischer in Thätigkeit, um die oft bis dreißig Pfund schweren Thiere mit einem großen Haken an langer Stange anzuhaken und herauszuziehen. Der Fischer spürt es schon am Zug im Tau, welcher Art der ankommende Fisch ist, noch ehe er dessen ansichtig wird. Einmal war ein solcher Zug im Tau, daß es der Hülfe noch eines Dritten bedurfte, um den Fisch anzuholen, welcher sich als ein Stachelrochen von ungewöhnlicher Größe erwies, ein ganz eigenthümlich geformtes, häßliches Thier; das von uns gefangene mochte vierzig bis fünfundvierzig Pfund wiegen, was bei der verhältnißmäßig geringen Dicke des Körpers eine bedeutende Größe bedingt.

Hundshaie hatten sich gleichfalls mehrere gefangen, scheußliche Thiere mit ekelhaften, grünlich schillernden Katzenaugen, deren Pupille senkrecht linsenförmig läuft, wodurch ihr heimtückisches Aussehen noch erhöht wird. Das Thier ist bei den Fischern sehr verhaßt, und zwar mit Recht, weil es nur zu häufig die an der Angel gefangenen Fische abfrißt. Da der Hundshai, gleichsam als Visitenkarte, die Köpfe der Fische an der Angel läßt, so weiß man immer, wann er da war. So zogen auch wir zu unserm Aerger die Köpfe von zehn bis zwölf Schellfischen hervor; daß sie nur von den Hundshai abgefressen sein konnten, sahen wir an den Spuren, welche seine Zähne zurückgelassen. Auffallend war die große Anzahl von Seesternen (hier Fieffouten. d. h. Fünffüße genannt), welche sich an dem Köder festgesogen hatten; sie saßen oft zu vier bis fünf an einer Angel, sodaß wir wohl fünf- bis sechshundert Stück fingen, welche alle, mit Ausnahme von etwa einem Dutzend der schönsten, die zur Bereicherung meiner Sammlung mit nach Hause wanderten, der See zurückgegeben wurden. Knurrhähne fingen wir gleichfalls mehrere, ausgezeichnet schöne Fische, auf dem Nacken chocoladenfarben mit weißen Punkten, schön feuerroth an den Seiten, nach dem Bauche zu in reines Weiß übergehend. Die Flossen, welche sehr groß, sind ebenfalls feuerroth, das vordere Paar mit reinblauem Rande. Die Fischer behaupten, der Fisch habe seinen Namen von einem eigenthümlichen dumpfen Ton, welchen er von sich gebe, sobald man ihn auf den Kopf drücke. Es scheint dies jedoch eine Fabel zu sein, denn von allen Knurrhähnen, welche ich in den Händen hatte, erwies sich keiner, trotz aller angestellten Experimente, als knurrig.

Nach etwa drei Stunden war das ganze Tau aufgenommen. Die gesammte Ausbeute betrugt hundertzehn Schellfische, zwölf Kabeljaus, ebenso viele Hundshaie und eine Anzahl anderer Fische. Der Fang mußte somit als ein „geringer“ bezeichnet werden.

Nachdem Ordnung und Reinlichkeit, worauf der Fischer große Stücke hält, auf Deck wieder hergestellt, das Fanggeräth und die Fische im Raume untergebracht waren, wandten wir uns zur Heimkehr. Der Wind war unterdessen eingeschlafen, sodaß wir nur langsam von der Stelle kamen. Mittag war schon vorüber; es war daher die höchste Zeit, daß Heinrich, der sechszehnjährige Sohn des Fischers, sein Amt als Koch antrat. Einige Fische wurden rasch gereinigt und nebst Kartoffeln in einem großen eisernen Topfe mit Seewasser beigesetzt. Ein eiserner Ofen in der Kajüte am Vorderteile des Schiffes that seine Schuldigkeit, sodaß Heinrich bald melden konnte, Fisch und Kartoffeln seien gar, die Butter in einer Kaffeetasse sei geschmolzen. Teller gab es nicht; der Topf mit seinem Inhalte wurde, einigermaßen zu meinem Entsetzen, einfach auf ein großes Brett, welches auf Deck lag, umgestülpt; zum Glück hatten sich inzwischen, nach einigem Suchen in Rücksicht auf den Gast, ein paar Gabeln zum Erscheinen bewegen lassen, wenigstens wurde mir gesagt, daß das alte Eisen, welches ich in der Hand hatte, eine solche vorstellen solle; der Fischer hatte sie vorher mit einem Steine abgerieben. Trotz der anspruchslosen Manier zu tafeln – Fisch, so frisch gefangen, und Kartoffeln, in Salzwasser gekocht, waren zu delicat, um nicht meinen Beifall zu finden. Heinrich hatte auf meine Bitte eine Hand voll Salz vor mir auf’s Deck gelegt, und so aßen wir denn ganz munter, während wir um das Brett herum hockten. Bald hatte ich mir auch einige technische Fertigkeiten angeeignet, wobei ich die Erfahrung machte, daß Hände auch gut als Teller zu gebrauchen sind. Meine Wirthe schoben mir aufmerksamer Weise die besten Brocken zu und konnten mich in ihrer Gutmüthigkeit nicht oft genug ermahnen, Kartoffel und Fisch fleißig in den gemeinsamen Buttertopf zu tauchen. Nach aufgehobener Tafel – vielmehr nach aufgehobenem Brette – ließ ich mir eine Cigarre zu einer Tasse schwarzen Kaffee, welcher an Bord sehr gebräuchlich, schmecken und labte mich dazu an dem herrlichen Anblicke der See, so eine Siesta haltend, von der ich mir lebhaft wünschte, daß sie in gleicher Weise noch öfter sich mir bieten möge.

Auf der Heimfahrt gab uns ein Zug mit dem Schleppnetze reiche Ausbeute an Krabben, Taschenkrebsen, Seesternen, See-Igeln, Muscheln, Einsiedlerkrebsen etc. und ich erhielt wiederholt Gelegenheit, den kolossalen Reichtum der See an den mannigfachsten Thieren zu bewundern, von dem man sich eine annähernde Vorstellung nur durch eigene Anschauung machen kann.

Mit eintretender Dunkelheit zu Hause angelangt, fanden wir eine Anzahl Fischhändler, welche uns mit Ungeduld erwarteten. In kürzester Zeit waren sämmtliche Fische verkauft, ebenso die zweier anderer Schaluppen, welche mit uns ausgefahren waren. Die Fische werden stückweise verkauft, ohne Rücksicht auf das Gewicht, zu fünfundzwanzig bis fünfzig Pfennig pro Stück, je nachdem der Fang ausfällt und je nach der Jahreszeit.

Dr. K.



Olympische Funde.
Ein Blick auf die bisherigen Ergebnisse eines deutschen National-Unternehmens.

Die Erforschung ferner, unbekannter Landschaften, oder derjenigen Stätten, an denen die Denkmale des menschlichen Geistes, der Kunst, des Culturlebens alter und ältester Zeit vergessen und vergraben liegen, bedürfen der Unterstützung großer, in Gesittung und Bildung entwickelter Völker. Die Entdeckungsreisen beherzter Männer in’s Innere von Afrika stehen da ungefähr in gleicher Linie mit denjenigen Unternehmungen der Wissenschaft, welche den classischen Boden Griechenlands durchforschen, um den Spuren desjenigen Volkes nachzugehen, dessen Kunst, dessen Bildung und rein menschliche Entwickelung von jeher uns als Vorbild gedient hat. England und Frankreich waren uns Deutschen, bevor wir in der Lage waren, als geschlossene Weltmacht auch unserseits jene Pflicht aufzunehmen, mit gutem Beispiele vorangegangen. Ersteres hat jahrelang viel Mühe und Kosten aufgewendet, um die Baudenkmale des alten assyrischen Reiches und die Ruinen von Ephesus an’s Tageslicht zu bringen. Der französische Kaiser hatte den Palatin, die Stätte der ersten Ansiedelung Roms und der späteren Kaiserpaläste erworben, um sie der ganzen Welt zu wissenschaftlicher und Kunstforschung darzubieten.

Wir müssen es unseren gelehrten Geschichtsforschern danken, daß das deutsche Reich, als es jenen beiden Weltmächten auch in dieser Hinsicht an die Seite zu treten beschloß, den Boden dazu bereits ausgewählt und vorbereitet fand. Professor Curtius hatte seit Jahren Griechenland durchforscht und Schliemann (Gartenlaube Nr. 43) ein selbsterworbenes bedeutendes Vermögen und eine unverdrossene, mühevolle Thätigkeit auch der Aufdeckung altgriechischer Alterthümer gewidmet. Ebenso ist der große deutsche Generalstab seit länger in der Durchforschung des griechischen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 811. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_811.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)