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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Batterien unbequem, doch bald wandte sich das Blatt. Die Stahlspitzgeschosse der gezogenen Vierundzwanzigpfünder wirkten schließlich sehr störend auf den Monitor; seine Panzerung schützte ihn nicht mehr ausnahmslos gegen dieselbe.

1866 zeigte die Seeschlacht bei Lissa abermals die Mächtigkeit der Ramme im Nahgefecht; hierdurch wurde wiederum die Aufmerksamkeit der Seemächte eine geraume Zeit hindurch absorbirt und in etwas von den Torpedoversuchen abgezogen. Ganz aus dem Auge verloren hatte man diese aber keineswegs. Das bewies 1870 Deutschland, indem es in kürzester Zeit eine vollständige kleine Dampferflottille mit Spieren-Torpedos ausrüstete, welche aber gegen den zur See weit überlegenen französischen Gegner nicht in Action trat.

Das allgemeine Interesse neigte sich allmählich wieder den Torpedos zu. Im Jahre 1871 wurde seitens der deutschen Marine eine besondere Versuchscommission neu creirt (durch Cabinets-Ordre vom 28. Februar dieses Jahres aufgelöst), 1875 und 1876 Torpedoboote zur Verwendung auf hoher See, wie der „Ziethen“ und der „Ulan“, erbaut. Gleichzeitig fand die Errichtung eines Torpedocorps statt, dem die specielle Ausbildung der Torpedomannschaften obliegt. Wie in jedem großen geordneten Staate schon im Frieden alle eventuellen Fälle für einen Krieg in’s Auge gefaßt werden und demzufolge die Vertheidigungsmittel vorräthig sein müssen, so sind auch zur Vertheidigung der deutschen Küsten die genauesten Vorbestimmungen getroffen worden und die nöthige Anzahl Seeminen liegt an geeigneter Stelle zum Absperren der Häfen etc. bereit. Das Jahr 1877 kam heran und mit ihm der russisch-türkische Krieg zum Ausbruch. Die reichhaltigen Erfahrungen desselben gaben den Großstaaten einen neuen Anstoß zu den verschiedensten Versuchen und Verbesserungen ihrer Waffen und Kriegswerkzeuge. Das Minen- und Torpedowesen stand in Rußland schon bei Beginn der Feindseligkeiten auf einer verhältnißmäßig hohen Stufe. In der Türkei hatte man sich damit begnügt, die Häfen und günstigen Landungsstellen der Ufer theilweise mit Seeminen zu sperren; den Offensiv-Torpedos war dagegen gar keine Beachtung geschenkt, oder richtiger gesagt, es war dem intelligenten türkischen Admiral Hobart Pascha nicht gelungen, mit seinen Ansichten durchzudringen. Gerade die Wirksamkeit dieser Gattung aber auf russischer Seite, speciell die überraschenden Erfolge der winzigen russischen Torpedoboote gegenüber den mächtigen türkischen Monitors, zogen die vollste Aufmerksamkeit der Sachverständigen aller seefahrenden Nationen auf sich, und man begann allenthalben schon während des Krieges, sich ebenso hinsichtlich der geeignetsten Offensivtorpedos, wie der besten Schutzmittel großer Schiffe gegen diese unheimlichen Feind vorzusehen. Die glänzendsten Resultate in ersterer Beziehung wurden schließlich mit dem verbesserten Whithead-Fisch-Torpedo erzielt. Eine besondere Wichtigkeit erlangten aber alle Offensiv-Torpedos erst, als es in jüngster Zeit dem Schiffsbaumeister Thornycroft gelang, kleine Dampfboote herzustellen, welche, bei genügend fester Bauart, sämmtliche Schlachtschiffe an Schnelligkeit übertrafen, dieselben also unbedingt einzuholen im Stande waren.

Die Russen hatten den Whithead-Torpedo nur zweimal ziemlich zum Schluß des Feldzugs und mit wechselndem Glück angewandt. Das erste Mal in der Nacht vom 27. zum 28. December vorigen Jahres[1] bei Batum ohne jedes Resultat, das zweite Mal in der Nacht vom 25. zum 26. Januar dieses Jahres ebendaselbst mit desto glänzenderem Erfolg; eines der türkischen Schiffe ging vollkommen in Trümmer. Beide Male fand der Angriff durch die Torpedokutter des vom Capitain Malarow befehligten Dampfers „Constantin“ statt.

Der Fischtorpedo war bereits 1867 von dem Ingenieur Whithead erfunden, konnte sich aber nicht gleich Eingang verschaffen, weil durch ihn in seiner ursprünglichen Gestalt die eigenen Schiffe gefährdet wurden. – Nach und nach fand der Erfinder Abhülfe gegen diesen Uebelstand; jetzt kann derselbe in seiner Fabrik in Fiume kaum die Aufträge der verschiedenen Regierungen bewältigen. – Deutschland und ebenso England erhielten von dort je 200 Stück; letzteres hat nunmehr in den Werkstätten von Woolwich eine Extra-Abtheilung zur Selbstanfertigung eingerichtet; die Herstellungskosten belaufen sich auf circa 350 Pfund Sterling pro Stück. Auch Rußland und Italien fertigen ihren Bedarf selbst an. Was über die Construction des Whithead-Torpedos bekannt ist, lasse ich hier kurz folgen, wobei ich bemerke, daß die allerneuesten Vervollkommnungen von dem Erfinder sehr geheim gehalten werden.

Der Torpedo hat, bei einer Länge von 14 bis 19 Fuß, 14 bis 16 Zoll größten Durchmesser und Cigarrenform. Sein Körper ist aus eigens bereitetem 1/16 Zoll starkem Stahl hergestellt und zerfällt in drei Hauptabtheilungen. Die vordere, der Kopf, nimmt die Ladung (25 bis 30 Kilogramm Schießbaumwolle) nebst dem Zündapparate auf, der mittlere Raum die treibende Maschine. Das Endstück ist für die comprimirte Luft, den Motor der Maschine, bestimmt, welche die sichtbaren, an einer Achse befindlichen Schrauben in Bewegung setzt und bei 40 Pferdekraft nur 35 Pfund wiegt. Hinter der Schraube befinden sich fischflossenähnliche, zur Vertical- und Horizontalleitung bestimmte Ansätze.

Vermittelst einer besonderen, mit dem Horizontalsteuer verbundenen Vorrichtung kann man den Torpedo in beliebiger Tiefe unter Wasser fortlaufen lassen. Für seine Fortbewegungsgeschwindigkeit tritt aber als wesentlicher Factor der Wärmegrad des Wassers hinzu, der auf die comprimirte Luft einwirkt. Ein auf das „Ueber Wasser Lanciren“ dieses Torpedos eingeübtes Personal vermag mit ziemlicher Sicherheit selbst ein in voller Fahrt befindliches Schiff auf 200 bis 250 Meter Entfernung zu treffen. Bisher mußte nämlich das Lanciren vermittelst Luftdruck durch das Lancirrohr unter Wasser stattfinden. Der neue Apparat ist einem Geschütze ähnlich, aus welchem der Torpedo über Wasser durch die comprimirte Luft herausgeschleudert wird und dann erst untertaucht; man bezeichnet diesen Apparat auch mit „Torpedokanone“.

Ueber die Construction der sogenannten Torpedo-Widder, mit welchen England seine im Baue begriffenen Schlachtschiffe versieht, ist bis jetzt noch nichts Definitives in die Öffentlichkeit gedrungen. Dagegen hat man mit den allerneuesten Versuchen zur Herstellung eines schützenden Torpedonetzes befriedigende Resultate erzielt. Die ersten Kettennetze wurden bei ihrer Steifheit leicht von dem Fischtorpedo durchgeschlagen; eine Art Matte aus Drahttau vermochte ihn aber vermittels ihrer großen Elasticität aufzuhalten, respective zurückzuwerfen. Ein solches, je nach der Größe des Schiffs 10 bis 20 Fuß hohes Drahtnetz hängt an circa 30 Fuß langen Spieren rings um das Schiff herum und kann gehißt oder gestrichen werden. Wiederholten Proben zufolge ist auf diese Entfernung die Explosion eines Torpedo für den Schiffskörper bereits wirkungslos; man kann deshalb auch an einzelne etwas über das Netz herausragende Spieren selbst Torpedos anbringen, um einem dicht heranfahrenden Feinde einen warmen Empfang zu bereiten. Wir finden somit hier eine Verbindung des Netzes mit sogenannten Schlepptorpedos, welche schon 1870 von Harvey vorgeschlagen wurden, nur ein Schiff gegen den Angriff des feindlichen Sporns zu schützen.

Lange Zeit hindurch konnte man sich nicht über die Vorkehrungen einigen, welche ein Schlachtschiff auch im Dunkel der Nacht gegen plötzliche Ueberfälle bewahren sollen. Deutscherseits kam man schließlich zu dem Resultate, außer den Netzen Holm’sche Sicherheitssignale zu verwenden, da hierbei der Schiffskörper in voller Dunkelheit bleibt, während die ganze Umgebung hell erleuchtet ist. Die Kugel, welche das Licht enthält, wird aus Mörsern geworfen; sie ist so leicht, daß das Wasser sie trägt, welches gleichzeitig den eine halbe Stande lang brennenden Leuchtstoff entzündet, der auch dem stärksten Winde widersteht. Durch gleichzeitiges Abschießen mehrerer Kugeln nach den verschiedenen Seiten hin würde also rings nur das Schiff eine helle Lichtzone entstehen, welche von dem dunkelen Schiffe aus leicht zu übersehen wäre und erst vom Feinde passirt werden müßte.

Gelingt es, den unterseeischen Torpedo auf noch weitere Distancen als bisher mit vollster Treffsicherheit abzulassen, so genügt auch dieser Schutz nicht mehr; vorläufig ist das jedoch noch nicht geglückt.

D.
  1. Es waren gleichzeitig zwei Torpedos gegen das dicht an der Küste vor Anker liegende türkische Schiff abgelassen worden. Whithead brachte die beiden Torpedos später an sich; der eine war gänzlich unversehrt, der andere ohne Kopf (explodirte an einer Ankerkette) auf den Strand gelaufen. Whithead veröffentlichte den eigenen Ausspruch Hobart Paschas, laut welchem beide unmittelbar an dem Schiffe vorbeigegangen waren, jedoch ohne es zu berühren.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 799. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_799.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)