Seite:Die Gartenlaube (1878) 776.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Braut die Worte hervorgehen: „Keine größere Freude mir werden kann; meinen Liebsten fein ich funden han“; wir werden Augenzeugen eines Turniers und sehen im letzten Felde das Ehepaar mit Pauken und Trompeten in die neue Heimath reiten. „In großen Freuden und allen Ehren wollen wir heim zu Lande kehren,“ lautet der Gruß des Bräutigams auf dem umlaufenden Spruchbande. (Germanisches Museum.)

Aber der Reichthum des Hauses an Geweben und Teppichen war damit noch lange nicht erschöpft. Er zeigte sich erst in seiner Größe an festlichen Tagen; dann wurden an Haken große Hautelliseteppiche im Stile unserer modernen Gobelins, die eigentlich nur eine Wiedergeburt derselben bezeichnen, an den Wänden entlang aufgehangen. Nicht alle entstanden sie der schöpferischen Hand der Frau. Burgund, besonders Arras und Brabant lieferten die fertigen Fabrikate, und die Bewohner einzelner Klöster füllten mit ihrer Fertigung die Stunden ihrer reichen Muße aus. Ueber die Tafel lag ein tief herabgehendes leinenes, mit breiter Borte und durchgehenden bunten gemusterten Streifen versehenes Tischtuch. Auffallend für das moderne Auge ist der gänzliche Mangel eingerahmter Bilder – nicht einmal das Portrait eines Ahnen blickt aus dunkler Umrahmung zu uns heraus. Erst vereinzelt im fünfzehnten, dann allgemeiner im sechszehnten Jahrhundert entstand der Wandschmuck der eingerahmten Staffeleibilder. Auch auf dem Fußboden liegen hie und da Teppiche, so vor dem Kamin, dessen Kolossalgestalt weit in den Saal hereinragt. Der den Feuerherd umschließende Mantel erreicht fast Manneshöhe. Auf dem Herdboden steht ein längliches eisernes Gestelle, der Feuerhund. Wäre es Winter, so läge auf ihm ein tüchtiger Holzklotz, dessen rothglühende Flamme einen weiten Gluthschein in den Saal hineinwirft. Auf dem mit Arabesken gezierten Simse stehen allerhand Hausgeräthe, Krüge, Leuchter, Kannen, Becher. Es sind meist solche, die dem öfteren Gebrauche dienen. Für den eigentlichen Schatz des Hauses, für das reiche Prunkgeschirr, das entweder nur zur Zierde als Document für den Reichthum des Geschlechts oder zum seltenen Gebrauche an hohen Festtagen dient, war an der einen Schmalseite eine stufenförmig sich aufbauende Prunkstätte errichtet. Auf jeder Stufe lag eine weiße mit Stickerei und bunter, wohl golddurchwirkter Borte verzierte Decke. Weithin leuchtete der prangende, glitzernde Schmuck in den Saal, eine helle Augenweide für die an den Langseiten sitzenden Gäste, deren Blicke ihm, dem Tressur, wie man die Prachtpyramide wohl nannte, stets zugekehrt blieben, da sie der geschilderten Beschaffenheit der Bänke nach nur auf einer Seite saßen. Halten wir unter diesen Schaustücken Musterung!

Trinkgefäße bilden offenbar das Hauptcontingent. Patriarchalische Pietät hat auch die ersten primitiven Formen von Holz und Thon aus Urväterzeiten, das Vermächtniß mehrerer Generationen, aufbewahrt. Der wachsende Reichthum des Geschlechts hat dann zinnerne, kupferne und lederne Gefäße, später silberne und goldene hinzugesellt. In jüngster Zeit sind auch feine venetianische Krystallgläser dazu gekommen. Da fallen uns zunächst in die Augen gewundene Trinkhörner, der schwarze Leib mit breiten Goldreifen umschlungen, an der Endspitze ein reich vergoldetes Ornament, vorn auf zwei klauenartigen Füßen ruhend, daher in der Sprache des Mittelalters Greifenklauen genannt. Würdig ihnen zur Seite, dem Zwecke des Trinkens in größerem Maßstabe dienend, stehen Humpen aus Holz, Glas oder gar getriebenem Silber; daneben steht ein Krug, der alle zwölf Apostel auf feiner Glasur aufweist. Diese Apostelkrüge, Fabrikort Creußen, sind ziemlich neuern Datums, das heißt spätmittelalterlicher Zeit entstammend. Das Töpferhandwerk ist zwar ein uraltes, das sich bis in die Zeiten des Pfahlbaues verfolgen läßt, aber seine Schöpfungen waren noch roh und kunstlos, nur dem realen Bedürfnisse angemessen; erst durch die Einwirkung der Gothik kamen der Schmuck des gepreßten Ornaments und die kunstmäßige Anwendung der Farbe hinzu. So war es auch mit der Glastechnik. In der Römerzeit ebenso wie die Töpferei auf hoher Stufe stehend, war sie bei den Deutschen wieder gesunken; schöne Gläser waren ein Luxusartikel geworden, den man meist dem Orient entrang. Erst im dreizehnten Jahrhundert begann die Glasfabrikation sich wieder zu heben und feierte später, im sechszehnten Jahrhundert, ihre glänzendsten Triumphe in Venedig. Diese venetianischen Gläser, deren das Germanische Museum eine reiche Anzahl besitzt, zeichnen sich durch ihren matten Schliff, durch kunstvolle Durchschlingung des Glases mit feinen weißen oder bunten Fäden aus. Echt deutsch sind auf unserem Tressur die sogenannten Batzengläser, von schwerem, grünlich schimmerndem Glase, mit Buckeln versehen, eine Decoration, der wir auch auf den metallenen Gefäßen unseres Schatzes begegnen. Dem Zug des Mittelalters nach phantastischen Formen trug auch die Glasfabrikation Rechnung. Da sehen wir auf unserem Tressur neben dem bis auf unsere Zeit treu erhaltenen grünen Römer große Glasstiefeln, Fässer, allerhand Figuren mit gläsernem Mundstücke; andere Gläser mit darmartiger Verschlingung oder in kugelförmigen Absätzen sich thurmartig erhebend. Da stehen zierliche Kräuselbecher, „Kräusleins“, neben den unseren Weißbierstangen ähnelnden gekröpften Roßzageln oder Roßschwänzen und dem langhalsigen, flaschenartigen „Angster“ (vom lateinischen angustus, enge). Da fehlt unter den Trinkpokalen nicht der „Willkomm“, der „Paß“, „Tummler“, „Stauff“ und „Stutzen“. Auch bei den messingenen oder von noch edlerem Metalle gefertigten Wasserkannen finden wir die gleiche Phantastik der Form. Sie sind eingekleidet in die Gestalt von Hirschen, Pfauen, Löwen, krähenden Hähnen, Böcken, oder vertreten den Ausdruck eines noch weit derberen Humors. Messingene Waschschüsseln, meist aus Nürnberg, zeigen auf dem Boden Figuren von erhabener Arbeit.

Auch ein Tischspringbrunnen für Wein fällt uns auf. Das Hauptkleinod wird repräsentirt durch einen Tafelaufsatz in der Form eines Schiffes, das jüngste Erzeugniß der auch erst in dem späteren Mittelalter zu höherer Kunstentfaltung auf dem Profangebiete gediehenen Goldschmiedekunst. Auch Sculpturen aus Elfenbein weist der Tressur auf, sowohl als Zierrath wie als selbstständige Statuetten und Reliefs. Es findet sich da eine Madonna mit dem Jesusknaben und eine Anbetung der heiligen drei Könige neben einem Herrn und einer Dame, die auf die Falkenjagd reiten. Die Verwendung des Elfenbeins war im Mittelalter eine außerordentlich mannigfaltige. Ebenso reich scheint die Ausnutzung der Edelsteine gewesen zu sein, die nicht blos an Leib und Gewand, sondern auch an den Schaustücken des Tressurs, an Bechern und Pokalen oft im Uebermaß prangen. Bei Wolfram von Eschenbach nimmt die Aufzählung aller Arten edlen Gesteins zwanzig Verszeilen in Anspruch. Wir finden da neben den bekannten Arten noch Namen von fremdartigstem Klange. Der Glanz ihres natürlichen Lichtes war nach Hartmann von Aue’s Schilderung so mächtig, daß Rubine an Pferdeköpfen zur Nachtzeit den Weg zeigten. Nach dem Glauben des Mittelalters wohnte ihnen theilweise eine geheime Wunderkraft inne, die zur Heilung von Krankheiten führte.

Auch verschiedene Formen von Lampen und Leuchtern treffen wir auf dem Kaminsims. Da ist z. B. ein messingener Löwe, der auf dem Rücken eine Burg trägt, auf deren Zinnen Kerzen aufgesteckt werden, und eine Lampe in Schwanenform.

Die Zimmerbeleuchtung hatte sich vom Herdfeuer inzwischen auch weiter entwickelt. Zunächst war es nur ein auf einen Leuchtstock gesetzter Kienspan, der die Stube mit seinem flackernden Lichte zu erhellen strebte, ein Leuchtapparat, dem man auf weltentlegenen Walddörfern wohl jetzt noch begegnet. Dann warfen Harzfackeln, in der Hand besonders dazu bestellter Diener (kertisveiner) oder von eisernen Ringen an den Wandpfeilern festgehalten, ihre rothe Gluth auf die in gemessenen Tanzreihen sich bewegenden oder an der Abendtafel zechende buntschillernde Gesellschaft. Wachskerzen zählten noch lange zu den Gegenständen eines besondern Luxus. Die Kerzen staken sowohl auf Wand- wie auf Tragleuchtern, die oft nur in einem auf einem Brett befestigten Stifte oder einer Drahtspirale bestanden. In das Oel der Hänge- und Traglampen goß man wohlriechende Essenzen. Aus dem fünfzehnten und sechszehnten Jahrhundert sind uns – im Germanischen Museum – Kronleuchter aus Hirsch- und Elengeweihen erhalten. Die langsame Entwickelung der gewerblichen Technik, die jetzt in einem Jahrzehnt so viel fördert, als sonst in einem Jahrhundert, läßt den Schluß rechtfertigen, daß auch schon weit früher die Kerzen des Kronleuchters auf die betende oder zechende Menge in Kirche und Tanzsaal schienen, was auch im „Parcival“ seine Bestätigung findet.

Die Säuberung und Wahrung all dieser Schätze, dieser vielfachen Teppiche und Laken bildete einen nicht geringen Theil der Tagesarbeit der Frau, die sich noch mehrte, als der gothische Stil mit seinen den Staub geradezu conservirenden Schnörkeln, Consolen, Figürchen und Schnitzwerk im Hause seinen Einzug hielt.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 776. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_776.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)