Seite:Die Gartenlaube (1878) 702.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

macht den Eindruck eines Teufelswerkes, eines fürchterlichen Fangapparates zum Vernichten alles Lebens, das in seine Nähe kommt. Auch der Seeteufel wühlt sich bis auf die hervorstehenden Augen in den Schlamm ein, schaut mit seinen großen Argusaugen rings umher und späht nach Beute. Hat er solche entdeckt, so beginnt er zu angeln; er erhebt langsam eine lange Flossenstrahle, die am Ende einen Fleischzipfel hat und bewegt diesen Lockapparat hin und her; die armen hungrigen und nichts Böses ahnenden jungen Fischchen können nicht widerstehen; sie schwimmen auf den gefährlichen Bissen zu, umkreisen ihn erst ein wenig, und beißen endlich an, und in demselben Momente sind sie auch in dem fürchterlichen Rachen des Grundräubers verschwunden.

Die Italiener nennen den Seeteufel dieser seiner Gewohnheit halber pescatrice (Fischerin). Je nach Umständen fischt er auch in anderer Weise zu gleicher Zeit. Das Riesenmaul ist an beiden Lippen mit Bärteln, das heißt kleinen Hautlappen reich besetzt, die er ebenfalls zum Anlocken der Beute hin- und herbewegt oder die schon durch das Einathmen des Wassers bewegt werden. Die kurze, am Kopfe sehr verbreiterte Körperform, das unverhältnißmäßig große Maul, das mit feinen hechelförmigen Zähnen einer teuflischen Foltermaschine des Mittelalters gleich, die Hautfetzen, welche dasselbe umgeben, die mächtigen Augen, welche, obgleich sie sie in einer weiten Höhle liegen, doch weit hervorstehen und unregelmäßig von Höckern und Gruben umgeben sind, und endlich die schmutzige Schlammfarbe geben dem Thiere das Gepräge der abschreckendsten Häßlichkeit. –

Diesen Beispielen des Nahrungserwerbes durch Ueberwindung Anderer will ich einige interessante Beobachtungen über mütterliche Fürsorge und zärtliche Liebe gewisser Fische beifügen. Der Katzenhai legt große länglich viereckige Eier, welche an den vier Zipfeln in vier lange Fäden auslaufen; und an diesen Fäden findet man die Eier immer zwischen Korallenstauden, zuweilen auch zwischen frei aufgehängt und gut befestigt. Wenn nämlich das Ei heraustreten will, so sucht der Hai nach einem passenden Orte, etwa nach einer Korallenstaude, umher. Es erscheinen zuerst zwei dieser Fäden; das unverhältnißmäßig große Ei sieht man in der Oeffnung. Hat das Thier passende Stauden oder kalkige Korallenstücke gefunden, so umschwimmt es sie einige Male langsam zur Musterung und Ueberlegung über die zweckmäßigste Anlage, zu welcher es zwei dicht beisammen stehende Stauden oder Zweige braucht. Plötzlich dreht sich der Hai rasch im Kreise um eine Staude herum, sodaß die beiden Fäden an derselben aufgewickelt werden. Indem er nun eine Schwimmanstrengung nach vorn macht, zieht er das Ei an den aufgewickelten Fäden vollends heraus. Nur die beiden anderen Fäden befinden sich noch im Leibe; jetzt dreht er sich auch rasch um die daneben stehende Staude oder um den andern Zweig herum, und wickelt die beiden anderen Fäden ebenfalls auf. Das Ei hängt nun fest angewickelt zwischen den Korallen, sodaß es kein Meerbewohner abzulösen vermag und nach zwei bis drei Wochen sieht man durch die Schale hindurch den jungen Haifisch, wie er, noch mit Dotter verbunden, unaufhörlich die Bewegungen des Schwimmens macht. Nach einigen Monaten schlüpft das junge Thier auf der einen Seite, wo sich das Ei von innen leicht öffnet, aus demselben heraus, tummelt sich frei im Wasser herum und beginnt bald das räuberische Handwerk seiner Eltern. Findet der Hai nicht zwei beisammen stehende Stauden, sodaß er das Ei horizontal zwischen denselben aufhängen kann, sondern nur eine einzelne, dann wickelt er zwei Fäden oben und zwei unten an und giebt dem Ei eine senkrechte Stellung. Fräulein Johanna Schmidt hat in der neuen Auflage von Brehm’s „Thierleben“ eine sehr hübsche und naturgetreue Abbildung von einem horizontal aufgewickelten Haifischei geliefert. Im Neapolitaner Aquarium findet man immer mehrere solcher Eier mit dem unermüdlich sich hin- und herkrümmenden Embryo zwischen den Korallenstöcken aufgehängt. An diesen Eiern kann man mit bloßen Augen das Keimesleben eines Thieres beobachten.

Was hat nun die Fürsorge der Haimutter für einen Zweck? Sie bedingt das Leben des Kindes. Alle Fische des Meeres haben ein großes Bedürfniß nach sauerstoffreichem Wasser. Alle anderen Fisch-Eier schwimmen entweder frei im Wasser umher oder werden an Felsen angeklebt, wo die Wassercirculation niemals mangelt. Der größte Theil derselben wird dabei, da sie aller anderen Nahrung vorgezogen werden, von anderen Fischen wieder gefressen. Der junge Haifisch ist durch die sehr feste Eischale und dadurch, daß Andere das Ei nicht loszulösen vermögen, vor dieser Vertilgung geschützt. Fiele das Ei nun zu Boden, so würde es, wenn nicht von hungrigen Räubern verschlungen, doch leicht in den Schlamm einsinken, von diesem bedeckt werden, und der Mangel einer guten Wassercirculation würde gar bald den Tod des Embryo zur Folge haben. Frei aufgehängt, hat dasselbe immer frisches Wasser, denn das Ei hat zum Durchlaß desselben besondere spaltförmige Oeffnungen, und der junge Embryo erzeugt durch seine Schwimmbewegungen einen immerwährenden Strom, der ganze und einzige Zweck, wie es scheint, seiner embryonalen Turnübungen. Warum ist es für die Haifamilie aber nothwendig, daß dei Eier so gepflegt werden, während andere Fischfamilien, von deren Eiern neunzig und mehr Procent gefressen werden, doch ganz gut bestehen? Antwort: Weil diese Fische eine Unzahl von Eiern in’s Wasser fallen lassen, sodaß es zur Erhaltung der Art schon genügt, wenn ein ganz geringer Procentsatz derselben erhalten bleibt, während dagegen die Haie nur sehr wenig Eier, nur eines auf einmal, legen, von denen kein großer Procentsatz zu Grunde gehen darf, wenn die Art noch weiter existiren soll. Darum hat sich bei anderen Fischen, welche wenig Eier legen, die Gewohnheit ausgebildet, dieselben an Felsen zu kleben und zu bewachen, wie es die Schwarzgrundel macht.

Nach früheren Berichten soll dieser Fisch, das heißt das Männchen, ähnlich wie der Stichling, der Panzerwels und andere, ein förmliches Nest und zwar aus Algen machen, das Weibchen zur Eierablage dort hineintreiben und die Eier dann bewachen. Obgleich man nun im Aquarium zur Grundel Algen in das Bassin gesetzt hatte, habe ich doch nie beobachten können, daß sie versucht hätte, ein Nest zu machen, allein nachdem das Weibchen die Eier an den Felsen angeklebt hatte, legte sich das Männchen tagelang daneben und schoß mit Wuth auf jeden Fisch los, der irgendwie räuberische Absichten zeigte. Zuweilen versteckte es sich unter den Algen; das benutzten dann die kleinen Seejunker, welche sich in demselben Bassin befanden, aber sich immer in respektvoller Entfernung gehalten hatten, sofort und versuchten die Eier aufzufressen. Sobald das die Grundel bemerkte, erschien sie wieder bei den Eiern und verjagte die Räuber, die dann, so lange erstere wachte, sich immer an der entgegengesetzten Seite des Bassins auf hielten; dabei wurde das Grundelmännchen stets zwar nicht roth, aber schwarz vor Zorn, wie denn überhaupt Fische und Kopffüßler bei Erregung dunkler, bei Beruhigung blasser werden.

Auch die Meergrundel legt verhältnißmäßig wenig Eier, und soll diese Art erhalten bleiben, so müssen die wenigen mindestens bewacht werden, damit sie nicht umkommen. Um sie aber bewachen zu können, dürfen sie nicht einfach in’s Wasser gelegt werden, um dort frei herumschwimmen zu können, wie das bei den meisten anderen Fischen der Fall ist, sondern sie müssen irgendwo zusammen gehalten werden, was das Weibchen auch ganz gut besorgt. Wie man sieht, geht alle sogenannte Zweckmäßigkeit auf die Erhaltung der Art hinaus, und irgend eine Einrichtung oder Handlung kann auch nur in Rücksicht auf diese Erhaltung zweckmäßig genannt werden; die Erhaltung der Art bestimmt den Zweckmäßigkeitsbegriff, ohne jene wäre der Begriff gar nicht vorhanden. –

Zärtliche Liebe und grenzenlose Eifersucht, wie ich sie bei Fischen nie vermuthet hätte, habe ich bei dem Lippfisch (Labsus) beobachtet. Das Männchen folgte seiner Geliebten tagelang nach jedem Winkel, nöthigte sie dann in ein Bassin und suchte sie am Herausschwimmen aus demselben zu verhindern. Aber in demselben Bassin befanden sich noch andere schöne Werber, die der Angebeteten ebenfalls gefolgt waren; diese verfolgte der Eifersüchtige unaufhörlich und trieb sie schließlich alle zum Bassin hinaus. Dann nahm er der Verbindungsthür gegenüber lange Zeit Posto, und sobald sich ein Nebenbuhler an derselben blicken ließ, schoß er wüthend auf ihn zu und jagte ihn in die Flucht. Dabei unterschied der Fisch zwischen solchen Gesellschaftern, welche seiner Liebe gefährlich waren, und denen, welche es nicht waren, verjagte nur die Männchen seiner Art und ließ andere, wie die Meerbrassen, welche in der Nähe seiner Geliebten herumschwammen, ganz in Ruhe; andererseits wußten diese auch ganz gut, wem die Zornesausbrüche des Verliebten galten, und erschraken nach einiger Zeit nicht im mindesten mehr, wenn dieser aus seinem Wachtwinkel hervorschoß. Fühlte sich das Männchen sicher, dann

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 702. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_702.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)