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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

und sauber ausgeführten Karten das Endresultat neuer geographischen Forschungen zusammenfassen und graphisch veranschaulichen. Nie wird deshalb eine Nummer unsere Schrift ausgegeben werden, ohne eine oder mehrere Kartenbeilagen, und diese werden mit besonderer Rücksicht darauf entworfen werden, daß sie allen Besitzern von Stieler’s ‚Handatlas‘, Berghaus’ ‚Physikalischem Atlas’‘ und anderen aus der Anstalt hervorgegangenen Kartenwerken ein fortlaufendes leicht zugängliches Supplement in handlicher Form gewähren. Wir werden es uns angelegen sein lassen, besonders wichtige neue Entdeckungen immer sofort, oder möglichst schnell unseren Lesern vorzulegen.“

Schon nach dem Erscheinen der ersten Jahrgange sagte Sir R. Murchison, der Präsident der „Geographischen Gesellschaft“ zu London, in einem seiner Jahresberichte: „Die Fortschritte der geographischen Wissenschaft werden gegenwärtig so vollständig durch die Mittheilungen von Dr. Petermann verbreitet, daß es unnöthig ist, mehr zu thun, als die Aufmerksamkeit auf diese methodische und gut illustrirte Zeitschrift hinzulenken.“ Nachdem er hierauf weitläufig auseinander gesetzt, wie der Umstand, daß die Berichte von Reisenden, welche in englischen Diensten ständen, viel eher in diese Zeitschrift, als in englischen erschienen seien, zu mannigfachen Unzufriedenheiten englischerseits geführt hätten, fährt er fort: „Indem ich also alle Eifersucht verbanne und die Ausdauer und Geschicklichkeit solcher Zeitgenossen bewundere, muß ich mit billiger Offenherzigkeit gestehen, daß die Mittheilungen einen mächtigen und heilsamen Einfluß auf den Fortschritt unserer Wissenschaft üben.“

Und fast ein Vierteljahrhundert haben die „Mittheilungen“ in den dreiundzwanzig bisher erschienenen Bänden an Gediegenheit und Interesse fort und fort zugenommen. Das Material für dieselben strömte in solcher Fülle herbei, daß dasselbe in Ergänzungshefte gebracht werden mußte, die bereits zwölf Bände füllen. Auch Brehm’s vortreffliches „Jahrbuch“ ist als selbstständiges Werk aus den „Mittheilungen“ hervorgegangen.

War Petermann’s Interesse für die beiden Probleme der geographischen Entdeckungen in Afrika und der an der Polorzone schon in England lebhaft gewesen, so wurde es alsbald auch in Gotha auf das Höchste gesteigert, und es ist sehr wesentlich sein Verdienst das Interesse für solche Unternehmungen auch in Deutschland gehoben und gestärkt und zu einem Nationalgefühl begeistert zu haben. Petermann war der geschickteste und eifrigste Agitator, Reisen im Dienste der Wissenschaft zu Stande zu bringen. In ihm vereinigte sich eine agitatorische Thätigkeit, wie sie in ganzen geographischen Gesellschaften nicht zu finden war.

Wie unermüdlich warb er bei Regierungen und Vereinen, bei Privaten und Fachleuten, wenn er einen unternehmenden und mit den nöthigen Eigenschaften eines Entdeckungsreisenden wohl ausgerüsteten Mann gefunden hatte, den es nun zu unterstützen galt! Wie ist er da umher gereist, wie viel hunderte von Briefen hat er geschrieben, bis er die Mittel zusammengebracht hatte, um seinen Schützling einen Vorstoß in das Unbekannte machen lassen zu können!

Wie er schon in England die Reisen Barth’s, Vogel’s und Overweg’s gefördert, so agitirte er in Deutschland für die Reisen des unglücklichen Moritz von Beurmann nach dem Sudan, so gab er den Anstoß dazu, daß Rohlfs nach seiner gefahrvollen marokkanischen Wanderung sich wiederholt dem Innern Afrikas und der Libyschen Küste zuwandte: so hat er für Karl Rauch’s Reisen in Südafrika das Geld zusammengebracht, und wohl mag es wenige unter den heutigen Afrikareisenden geben, welche sich nicht bei ihm Raths erholt und namhafte Hülfe gefunden haben.

Denselben Eifer widmete er den Polarunternehmungen. Die Schicksale Franklin’s, seiner Gefährten und der Franklinsucher prägten sich Petermann schon in London unauslöschlich ein.

Er stand doch mitten in der Bewegung; er zeichnete persönlich die Karten und Entwürfe, welche sich auf das damals noch kaum in seinen äußersten Umrissen bekannte Inselgewirr des arktisch-amerikanischen Archipelagus bezogen, und wie oft mag sein Stift suchend und vorweg zeichnend damals die Vollendung der Küstenlinie versucht haben, gerade so, wie er auch jetzt wieder in den letzten Jahren mit kühnem Federzug die Verlängerung Grönlands über den Nordpol hinaus vermuthet und skizzirt hat! Vor allem aber ist es Petermann’s Verdienst, daß auch Deutschland in neuester Zeit seine drei Nordfahrten zu verzeichnen hatte, unter Werner (1865), Koldewey und Hildebrandt (1868), Koldewey und Hegemann (1869 bis 1870).

Wir nahen dem Schluß, haben aber noch von denjenigen Arbeiten Petermanns zu reden, die seine zahlreichsten, und zumeist auch dem größten Kreise unserer Leser bekannt sind, von seinen Landkarten. In höherem Maße nämlich, als auf die eben geschilderte Thätigkeit Petermann’s, gründete sich sein Ruhm und sehr hohes wissenschaftliches Ansehen auf seine ausgezeichneten, umfassenden kartographischen Arbeiten. Ist schon die große Zahl derselben Epoche machend, da die dreiundzwanzig Jahrgänge und elf Ergänzungsbände der „Mittheilungen“ allein fünf- bis sechshundert einzelne Tafeln enthalten mögen, die theils von ihm selbst, zum größten Theil aber wenigstens unter seiner persönlichen Aufsicht und Leitung bearbeitet und gezeichnet, gravirt, gedruckt und colorirt worden, so ist es mehr noch die Art der Ausführung derselben.

Ganz abgesehen von der wissenschaftlichen Vortrefflichkeit der Karten, die allseitigste Anerkennung fand, sodaß beispielsweise die Regierungen der Vereinigten Staaten und der Colonie Australiens Petermann’s Landkarten ihrer Staaten und Gebiete als die zuverlässigsten und besten bezeichnet haben, zeichnen sich dieselben durch die durch und durch ästhetische Behandlung des oft recht spröden Stoffes aus. Die Blätter werden von einen seltenen künstlerischen Geschmack durchweht, der die einzeln Kartenelemente mit unübertroffener Harmonie zusammenfügt, sodaß die oft verlockend schönen Blätter immer von Neuem den Beschauer fesseln. So sind z. B. die beiden vorerwähnten Karten der britischen Inseln, die nicht nur von ihm gezeichnet, sondern auch von ihm selbst in Kupfer gestochen wurden, wahre Kunstblätter und mustergültig für jeden Fachmann. Was Wunder, daß er so zum Vorbild wurde nicht nur in seinem Vaterlande, sondern fast mehr noch überall im Auslande, wo das Interesse für Geographie und Kartographie fördernde Pflege gefunden hat.

So begann mit Petermann eine wahrhaft neue Epoche für die Kunst des Landkartenzeichnens. Perthes’ geographisches Institut wurde unter Petermann’s Leitung die hohe Schule der Kartographie im weitesten Sinne, der Zeichner und Kupferstecher, Lithographen und Drucker, sowie endlich der Coloristen, aus der eine namhafte Anzahl tüchtiger Männer hervorgegangen ist, die selbstständig in eigenen Instituten im Geiste des Lehrers Vortreffliches leisten.

Bei solchen Verdiensten konnte es nicht fehlen, daß Petermann von allen Seiten die höchste Anerkennung zu Theil wurde. Wie er in England den Ehrentitel: der Geograph der Königin (Geographer of the Queen), und von der Geographischen Gesellschaft in London die große goldene Medaille, die in der Regel nur Entdeckungreisenden für außerordentliche Erfolge gegeben wird, erhalten hatte, so ehren ihn auch überall Fürsten, Akademien, gelehrte Gesellschaften mit ihren höchsten Ehren und Würden.

Während Petermann’s Leben in Gotha wurde das Perthes’sche Institut, man kann sagen ganz Gotha, der Mittelpunkt des höchsten geographischen Interesses. Fast alle namhaften Forschungsreisenden sprachen bei Petermann vor, um ihm die Erstlinge ihrer Arbeiten darzubringen oder von ihm Informationen, Instructionen und Belehrungen vielerlei Art entgegenzunehmen.

Petermann’s Leben war ein reißender Strom rastloser Thätigkeit, außerordentlicher Erfolge. Sein Name wird wie ein elektrisches Licht fort und fort in der Geschichte der geographischen Wissenschaft leuchten. – Leider haben seiner hohen Begabung, seinen seltenen Vorzügen auch mancherlei psychische Schatten zur Seite gestanden, welche die Ursache seines jähen, verhängnißschweren Heimgangs wurden, aber die Wehmuth hierüber und die Gedanken an seine Vorzüge haben die Erinnerung an jene Schatten verlöscht.[1]

J. Loewenberg.
  1. Ein wohlgetroffenes Bildniß August Petermann’s theilte die „Gartenlaube“ ihren Lesern in Nr. 50 des Jahrgangs von 1868 mit, wo mit ihm Capitain Karl Koldewey und Obersteuermann Richard Hildebrandt in einer Gruppe als Gründer und Führer der ersten deutschen Nordpolexpedition dargestellt sind.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 699. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_699.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2020)