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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

fremden, etwa gar störenden Zug zu bringen. Vielleicht aus gleichem Grunde, vielleicht auch um es den fremden Gästen recht nahe vor Augen zu führen, hat Menzel’s großes „Walzwerk“ seinen Platz an der kleinen spanischen Wand gefunden. Zuerst gingen die Leute meist an diesem eigenartigen Kunstwerk vorüber, achteten der dunklen Gesellen wenig, die mitten im rothen Feuer ihr heißes Tagewerk vollbringen. Mehr und mehr aber erwirbt das Bild sich Freunde, zwar nicht unter dem großen Haufen wohl aber seitens der Kenner, die immer wieder zurückkehren und diese meisterhafte Schilderung der harten, sauren Arbeit bewundern.

Die Bildnißmalerei unserer Landsleute zeigt mehr als jeder andere Zweig dieser Kunst, wie sehr die Wege unserer Besten aus einander gehen. Der geistvolle, liebenswürdige Gustav Richter, der sinnige, fesselnde, gemüthstiefe Fr. Kaulbach, der kräftige, fest die Wirklichkeit erfassende, mit unerbittlicher Treue sie wiedergebende Gussow, dann Lenbach, Schrader, Biermann, alle sind sie unter einander gänzlich verschieden; Jeden erkennt man sofort an seiner eigenen Weise, und jeder ist in ihr ein Meister. Auch Karl Becker durfte hier nicht fehlen. Er giebt dem deutschen Saale einen Zug von Feststimmung durch die „Dichterkrönung Ulrich’s von Hutten“ und das „Ehrenmahl Albrecht Dürer’s“, und Scheurenberg’s „Plaudernde Damen“, das „Mädchen“ von Wünnenberg, welches sich über das auf der Schleppe ihres Seidenkleides spielende Kätzchen freut, verstärken denselben. Nur wenig, wohl nur um zu beweisen, daß wir auch solche Gebiete zu beherrschen wissen, hat man das Leben, die Sitten, die Art fremder Völker in der Auswahl künstlerischer Darstellungen berücksichtigt, die den knapp gemessenen Raum der deutschen Abtheilung füllen. Gentz und Joseph Brandt, jener der Maler des Orients, dieser sich Stoffe aus dem Leben der slavischen Heimath holend, vertreten diese Gattung auf’s Würdigste. Ungetheilte Bewunderung erregen Brandt’s „Kosaken aus dem 17. Jahrhundert“, die mit hellem Jubel, mit Musik und Gesang ihre geliebte Steppe begrüßen.

Selbst in der Thiermalerei und der Landschaft der Deutschen verrathen sich ihre beiden charakteristischen Eigenschaften sofort deutlich. Jeder malt anders. Da treten wir zu Paul Meyerheim, dem köstlichen Humoristen, der das Leben der Thiere mit so treuem, liebevollem Auge studirt, wie Knaus das der Kinderwelt, zu Gebler, dessen Schafe neugierig ihr Bild beschnuppern, welches der Maler im Stalle hat stehen lassen, zu Steffeck, Brendel, Hierymsky, zu Volz und Mali, die weit aus einander gehen und sich doch zusammenfinden in dem, was den echten Künstler macht, in Wahrheit und treuer Beobachtung der Natur. Die Landschaft tritt zurück gegen die anderen Gebiete der Malerei. Da man zur Enthaltsamkeit genöthigt, war es sehr weise, diese gerade hier zu üben. Was wir leisten können, bezeugen Vertretungen aller landschaftlichen Schulen unserer deutschen Kunststätten, die allerdings wieder ebenso viele verschiedene Richtungen vertreten. Lier aus München, Max Schmidt aus Königsberg, Scherres aus Berlin, Leu aus Düsseldorf, dann Lessing, Kalkreuth und vor Allen die beiden Achenbachs genügen, um der ganzen Welt zu zeigen, was die deutsche Landschaftsmalerei vermag. Nennen wir nun noch Riefstahl, dessen Bilder sich in keine bestimmte Gattung einordnen lassen, erwähnen wir eine wundervolle antik-römische Architektur des verstorbene Harder, so werden wir zwar lange nicht alles Vortreffliche, was der deutsche Saal aus diesem Kunstgebiete enthält, berührt, hoffentlich aber genügend berichtet haben, um den Eindruck zu charakterisiren, welche der Besucher in dieser Beziehung erhält.

Unser Saal ist der einzige, wo bei der Vereinigung von Bildern und Marmorwerke das Eine das Andere nicht stört. Bleibt man im mittleren Raume, in der Nähe des Tisches und der Polstersitze, so bemerkt man die Gemälde an den Wänden kaum, dann gehört alle Aufmerksamkeit den aus dem Laubdickicht sich erhebenden Bildwerke. Wir sind mit diesen etwas weniger glücklich gewesen als mit den Gemälden. Das aber liegt zumeist an den Verhältnissen und gebotenen Rücksichten. Das Beste, was die deutsche Bildhauerkunst geleistet, sind die Denkmale und Ehrensäulen, die man verdienten Männern oder den Ruhmesthaten des Volks errichtet hat. Was neu entstanden, betrifft fast ausschließlich den Krieg, und das durfte man hier nicht ausstellen. Das Luther-Denkmal von Worms, das Maximilian-Denkmal von München sind schon auf früheren Weltausstellungen vorgeführt worden. Die bewegten Gruppen, ein Raub der Sabinerinnen, das Volkslied und die Dichtkunst, Liebesgötter, tanzende Bacchanten, die Bildnißköpfe von Begas und von dem Münchener Bildhauer Waagmüller sind zwar meisterhaft, aber nur in der großen, der Denkmals-Kunst überragen wir die andern Völker. In diesen mehr malerischen, spielende Gebilden kommen uns die Franzosen, die Italiener, die Dänen gleich.

War die Schaar der Besucher sichtlich befriedigt, ja entzückt von dem deutschen Saale, so war die Wirkung auf die Kunstgenossen der nächsten Nachbarschaft eine ganz andere. Unseren Krupp, unseren Moltke, allenfalls noch unseren Bismarck will man uns zugestehen, sonst aber sind wir Barbaren, Hinterwäldler. Nun kamen diese Barbaren in allerletzter Stunde, kamen ohne jede Vorbereitung, nur um doch auch den Franzosen noch Ehre und Huldigung zu erweisen, ihren Ruhm mehren, ihren Triumph vergrößern zu helfen, und siehe da! ihr kleiner Saal wurde der schönste der gesammten Kunstausstellung aller Völker. Das war unbestreitbar. Mochte man über die einzelnen Kunstwerke noch so verschiedener Meinung sein, als Ganzes, in seiner edlen Würde, seiner geschmackvollen Einrichtung und Ausstattung, seiner einladenden freundlichen Stimmung übertraf er die ganze lange Reihe der Nachbarn. Das schlug ein wie eine Bombe.

Die Engländer blieben ruhig. Sie besaßen wenigstens Teppiche, Vorhänge, Polstersitze. Auch Italien, Oesterreich, Dänemark und alle die kleinen Kunstländer waren so verständig, nichts mehr zu rühren und zu bessern. Nur die Franzosen stürmten wider ihre Commission. Klagen, Angriffe, Vorschläge wurden laut. So kahl, so nüchtern, so unbehaglich durfte es in den französischen Sälen nicht bleiben. Die Stimme des Volks, auch des Kunstvolks, ist nicht ohne Macht und Einfluß in Frankreich. Man hörte auf sie auch hier. Ueber Nacht suchte man ihr den Mund zu stopfen. Vor die Eingänge mußte der Tapezierer schleunigst Vorhänge von rothem Sammet mit goldenem Getröddel hängen. Das sah wenigstens prächtig aus. Auf dem Fußboden fanden sich Decken, in die Mitte der langen Säle wurden einige Polster gestellt; die derben Holztäfelchen an dem Fuße der Wände, die Durchgänge von einem Saal zum andern bekleidete man unschön genug mit billigen rothen Wollenstoffen. Man hätte sich mit den Sitzen und Fußdecken begnügen sollen, dann wäre dem Bedürfnisse Rechnung getragen gewesen; der Versuch des Schmückens war entschieden mißlungen. Besser waren die früher bezeichneten Ausstellungskörper daran, die ihre Kunsträume noch geschlossen hatten. Dort wurde die bereits festgesetzte Eröffnung von einem Tage zum andern aufgeschoben. Bei den Belgiern, die uns schon wochenlang durch offene Thüren und Zaunspalten in ihre nahezu vollendete Kunstausstellung blicken ließen, ward plötzlich wieder Alles abgesperrt und vernagelt. Es begann dort zu kribbeln, wie in einem Ameisenhaufen. Man schleppte rothe Stoffe, Polster, Teppiche zusammen. Auch die Säle der französischen Bildhauerei blieben gesperrt. Aber das half alles nicht viel. Bessere Feldherren sind oder haben wir Deutschen nun doch allemal. Das beweist auch diese Ausstellung. Daheim ist in sorgfältiger Berathung, mit genauester Rücksichtsnahme auf Raum und Zweck tagelang der Plan festgestellt, seine Ausführung vorbereitet worden. In festbestimmter, wohlberechneter Schlachtordnung sind wir hier erschienen. Was die Andern kopfüber in größter Eile gethan, um uns, wenn nicht zu schlagen, so doch zu erreichen, hat sich als wenig wirksamer Nothbehelf erwiesen. Die Wände in den französischen Bildhauersälen sind mit alten Bilderteppichen bekleidet, auf denen Jagden, Liebesgeschichten, Blumen, Früchte, Helden und Götter in matten Farben prangen. Das paßt wenig zu dem Inhalt der Räume, eint sich gewiß nicht mit ihm zu irgend einer Harmonie. Die dunkelrothen Wollenhüllen, die weichen Sitze der belgischen Abtheilung nehmen wir dankbar hin; wir würden sie aber kaum bemerkt haben ohne ihre besondere Vorgeschichte.

So hat unser Deutschland auch hier unter schwierigen Verhältnissen, auf hart bestrittenem Boden einen glänzenden Sieg errungen mit dem kleinsten Heere. Aber es sind Kerntruppen, die wir auf das Marsfeld gebracht, und geführt hat sie ein besonnener, kluger, aber darum nicht minder muthvoller, siegesgewisser Feldherr: Anton von Werner.

Fritz Wernick.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 696. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_696.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)