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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

lauernden Blick fesselte. Leise schlich ich jetzt bis zur Baracke heran, und nun erst, durch das Knacken eines Aestchens unter meinem Fuße auf mein Kommen aufmerksam gemacht, ward mich Freund „Hornfriede“, nicht ohne sichtbaren Schreck, gewahr. Doch schnell gefaßt, winkte er mich stumm zu sich heran, und gern folgte ich diesem Gebote, trieb mich doch schon die angeregte Neugier mit aller Macht dazu, denn noch niemals hatte ich meinen Gönner bei solchem verdächtigen Thun erschaut. Noch mehr aber steigerte sich mein Interesse für den entpuppten Strauchritter und sein frevles Vorhaben, als mir dieser zu meiner kaum in die Grenzen der Ruhe zu bannenden Freude flüsternd erklärte: jener „Stiefelknecht“, mit welchem Ausdruck er den in’s Auge gefaßten Hasen bezeichnete, käme schon noch näher heran, und dann solle – ich ihn schießen! Ich!!

Mein erster Hase.
Originalzeichnung von Guido Hammer.

Mit fieberhafter Aufregung betrachtete ich von jetzt ab Mosje Lampe, den auf grünem Rübenacker noch so fröhlich Aeßenden. Wie durch Zauber hingezogen starrte mein Auge auf das mir verheißene Opfer. Inzwischen näherte der nichts ahnende Langlöffel sich mir zu meinem wahrhaft dämonischen Behagen mehr und mehr, wenn auch, meinem heißen Verlangen nach, noch viel zu langsam. Freilich, wäre es allein auf mich angekommen, ich hätte getrost schon die Donnerbüchse nach dem Säumigen abgebrannt. Doch dem stummen, aber so beredten Geheiß meines heutigen Jagdherrn zum weiteren Abwarten mußte ich mich wohl oder übel fügen; hatte ich doch das Gewehr, um mich durch dessen Last nicht vorzeitig zu erschlaffen, noch nicht einmal in meine Hand bekommen. Endlich versetzte sich der Springinsfeld nach ein paar noch recht lustigen Seitenschnellern rasch und ohne weiteren Umweg auf ein saftig grünes Kleeplätzchen, das dicht an ein vor uns liegendes Stück Rodeland anstieß, und war somit nun wirklich auf Schußweite in meinem Bereich. Jetzt erst schob mir mein vorsichtiger Lehrherr leise und mit höchst bezeichnender Geberde die mir bis dahin vorenthaltene Flinte in die Hand und bedeutete mich dabei, gut zu zielen und dann zu schießen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 687. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_687.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)