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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Bahre von Tannenzweigen und deckten das gemarterte Haupt mit einem weißen Tuche zu. Dann trugen wir die Bahre vor die Hütte und ich setzte mich zu Creek’s Füßen. Die Dämmerung kam schnell, wie ein flüchtiger Schatten, und dann kam die Nacht.

Wir zündeten zwei gefällte junge Tannen an; die Flammen warfen ihren Schein über die weite Lichtung des Waldes hin und auf Creek’s starre Glieder. Zuweilen stand ich auf und fühlte seine Hände an – o wie waren sie kalt! Im Walde hinter uns und zur Seite, am Grunde und in den Wipfeln war die Stille des Schlafes. Um Mitternacht flammte ein Nordlicht am Himmel auf, hoch, weit und blutroth.

Beim ersten fahlen Morgenscheine kamen mit Wilson zwanzig Indianer und stellten sich um die Bahre herum; ein Häuptling nahm das weiße Tuch von Creek’s Angesicht und ein Schmerzensruf entrang sich zwanzig Lippen und der Häuptling sprach:

„Tapferster der Tapferen! Creek, Furchtloser, Schweigsamer, Schnellfüßiger, Starkarmiger, Gutherziger, unseres Stammes Stolz und unserer Feinde Schrecken, hier schwören wir zu Deinem Angesicht: wir wollen Dich rächen, wie noch nie ein Mann gerächt wurde. So viel Tropfen Blut aus Deinen Wunden flossen, so viel Pfeile und Kugeln sollen in die Saugees-Zelte fliegen; so viel Haare von Deinem geraubten Scalpe niederhängen, so viel Saugees sollen ihr verfluchtes Leben am Boden verhauchen, und für jeden Tag Deiner gemordeten Jugend soll Dir ein Saugee-Scalp geopfert werden. Dann, Creek, schaue Du auf unsere Rache nieder und jage fröhlich Bär und Büffel in den Wäldern des großen Geistes!“

Sie trugen den Todten fort; der Morgen schüttete sein goldenes Licht auf den Trauerzug. Wilson und ich ritten etwas später heim. Als wir sein Häuschen sahen, sagte Wilson:

„Eleanor wird es schmerzen; sie hielt viel auf Creek, weil er so tapfer und so gut war.“

Ich schwieg. Eleanor war nicht daheim.

„Sie ist wohl zu den Mähern hinübergegangen,“ sagte Wilson, „wenn ich etwas geruht habe, werde ich zu ihr gehen.“ Aber Eleanor war nicht bei den Mähern.

„Wilson,“ sagte ich, „in Eleanor ist ein heimliches Feuer – Eleanor hat Creek geliebt.“

Der Mann sah mir in’s Auge – dann rannte er zum Hause zurück, sattelte zwei Pferde, und wir sprengten den Zelten der Creeks zu.

Es war spät am Abend, als wir dort ankamen; die Luft dunkelte, und Fackelschein leuchtete von den Zelten her. Wir fanden nur Greise, Weiber und Kinder.

„Die Männer sind fort; sie rächen Creek, und weißes Mädchen ist mitgegangen; weißes Mädchen hat Creek geküßt und geschworen, Creek zu rächen,“ sagten sie.

Wilson war trostlos. Da es eine Unmöglichkeit war, bei Nacht durch die Finsterniß des Waldes zu gehen, so mußten wir uns entschließen, bis zum Anbruch des Tages bei den Zelten zu bleiben. In einem derselben lag Creek’s Leichnam, von zwölf Männern bewacht, während zweitausend gegangen waren, seinen Tod zu rächen.

Wilson schlief, als die Sonne heraufkam, und ich mochte den todtmüden Mann nicht wecken. Endlich gegen zehn Uhr erwachte er, und wir rüsteten uns. Aber es war nicht mehr nöthig: auf schwarzem Pferde ritt langsam ein Indianer daher und trug in den Armen ein weißes Mädchen, an welchem das Blut von der linken Brust herniederrann – – Wilson brach zusammen und verlor das Bewußtsein.

„Weißes Mädchen war tapferes Mädchen,“ sagte der Indianer. „Weißes Mädchen saß vorn auf dem Pferde eines Häuptlings, und er lud zwanzig Mal die Büchse und zwanzig Mal schoß weißes Mädchen die Kugel ab und jedes Mal rief weißes Mädchen: ‚Creek!‘ und die Stimme war so wehvoll, als sollte Mädchens Brust zerspringen.“

Die Weiber wuschen Eleanor’s zarten, todten Leib und hüllten sie in weiße und blaue Gewänder; dann legten sie die schöne Leiche in das Zelt, wo Creek lag. Wilson verbot den Weibern, die üblichen Wehklagen anzustimmen. Er setzte sich zu seinem Kinde und weinte still.

Am Abend kamen die Krieger zurück und brachten gegen ein halbes Tausend Scalpe mit. Mehr als zweihundert Creeks waren gefallen, aber auch siebenhundert Saugees. Die Creeks verbrannten die Saugees-Zelte und trieben, was vor ihnen floh, dem Flusse zu. Viele Saugees ertranken; die anderen flohen auf fernes Gebiet.

Am nächsten Morgen begruben wir Creek und Eleanor. Tausend Krieger und fünfzig Indianermädchen gaben ihnen das Geleite. Auf einer von Wald umschlossenen Wiese erhebt sich ein hufeisenförmiger Felsen und darüber rauscht ein Hain von weißen Cedern und Wallnußbäumen. In jenem Felsen ruhen der canadische Held und das weiße Mädchen. Sie hatten sich geliebt – und waren ohne Kuß gestorben.

Wilson hat sein Kind nicht lange überlebt. Der Stamm der Creeks vermindert sich, und bald wird ihre Spur verschwinden.

Rauschet sanft, ihr Cedern und ihr Wallnußbäume auf dem canadischen Felsen!




Wild-, Wald- und Waidmannsbilder.
Von Guido Hammer.
Nr. 44.0 Mein erster Hase.


Der alte Gottfried Horn, einstiger Hirt und Flurwächter eines meiner Jugendstätte nahgelegenen Haidedorfes, hatte mich, der ich damals ein kaum zwölfjähriges Bürschchen war, sehr liebgewonnen, und ich vergalt ihm Gleiches mit Gleichem. Draußen, unter freiem Himmel, auf waldumschlossener Trift, wo mein wetterharter Kämpe jahraus, jahrein seinen täglichen Dienst verrichtete, namentlich aber zur Herbstzeit regelmäßig den Schatz seiner armen Gemeinde hütete, hatten wir uns gefunden und dabei Freundschaft geschlossen. So kam es denn, daß ich manch liebe Stunde, ja halbe Tage lang mit meinem alten „Hornfriede“, wie ihn die Leute schlichtweg nannten, durch Feld und Haide zog. Am liebsten aber vertrat ich ihn in seinem Hirtenamte. Während ich dann die Peitsche schwang, schlief der Biedere gemüthlich in seiner Hürde, ich aber hatte das Gefühl einer stolzen Wonne, durfte ich doch selbstständig und ganz wie ein ordentlicher Hirte ausgerüstet die mir anvertraute Hammelschaar über weite Stoppeläcker und Wiesen zur würzigen Brache geleiten. An stillen, sonnigen Spätherbsttagen, wenn noch die letzten Sommerfäden die milddurchwärmte Luft durchzogen, war das eine wahre Lust.

Eine nicht mindere Herzensfreude war es, konnte ich ein andermal bei meinem Alten vor der Strohhütte sitzen, welche er sich zu seiner Feldwacht, weit ab von jedem Weg und Steg, am Saume der Haide errichtet hatte. Hier, am harzigduftenden Waldhange, unter dem Schirme hoher Föhren, lauschte ich oft mit wahrer Andacht seinen Erzählungen aus dem eigenen Leben, wie den Belehrungen, die ich durch seine Naturschilderungen von Wald und Wild und allerhand Gethiere empfing. Einstmals aber weihte mich mein origineller Genosse sogar in die volle Praxis des edlen Waidwerks ein. Dies kam also:

Zu bereits später Nachmittagsstunde – es war einer jener zaubervollen, halbverschleierten Octobertage, die mich von jeher mit wahrer Zugvogelsehnsucht nach Hinaus erfüllten – war ich wieder einmal dem elterlichen Hause entwischt, um den hereinbrechenden Abend im Walde, am Feuerchen meines Alten zuzubringen. In purpurner Pracht war soeben die Sonne hinter dem Wipfelmeere der weiten Haide niedergetaucht und schon ward die erste dünne Mondsichel am Abendhimmel dem scharfen Auge sichtbar, als ich mich meinem Ziele nahte. Lautlos durch das Gehölz schreitend, das die ersehnte traute Hütte deckte, überraschte ich beim Heraustreten aus demselben meinen Freund in einer von mir nicht geahnten Lage. Mit einer plumpen, rostüberzogenen Flinte bewaffnet, stand er vor seinem Obdach und spähte unverrückten Auges durch die Lücken des vor ihm liegenden Stangenholzes nach der dahinter sich ausbreitenden Ackerflur, und bald ward ich auch den Gegenstand seines Ausluges gewahr – ein Hase war’s, der zwar noch weit im Felde, also viel über Schußweite hinaus, seinen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 686. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_686.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)