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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

des Schlafzimmers wird von Minute zu Minute schlechter, so rein sie auch vorher gewesen sein mag. „Das Wasser hat gekocht“, wenn ihm nicht fortwährend neue Wärme zugeführt wird; die Zimmerluft ist rein gewesen, wenn sie nicht so frei mit der Außenluft in Verbindung steht, daß die ausgeathmete Luft beständig entweichen, frische Luft von außen ununterbrochen eindringen kann. Die Nase allein giebt schon dem von außen aus reiner Luft Hereintretenden deutlich an, wie die Binnenluft beschaffen ist.

Der Stoffaustausch zwischen Außenluft und Innenluft findet mit Hülfe der verschiedenen Wärme und des Winddrucks durch Spalten der Fenster und Thüren, sowie durch die Poren der Außenwände statt. Diese natürliche Ventilation kann genügen, wenn der Temperaturunterschied zwischen draußen und drinnen beträchtlich genug ist, wenn der Wind hilft, wenn Fenster und Thüren undicht, die Außenwände groß und porös genug sind. Undichte Fenster und Thüren liebt man nicht, weil der feine Zug, wo er einen Menschen trifft, örtliche Erkältungen mit ihren unangenehmen Folgen hervorruft – die Wand kann um so mehr leisten, je freier sie liegt und je höher das Zimmer ist, sodaß oben beträchtlich wärmere Luft sie berührt als unten, wo dann das Eindringen der kalten Außenluft keinen Widerstand findet. Wenn diese wegen der Langsamkeit und Feinheit der Luftströmchen unfühlbare Porenventilation im Winter unter sonst günstigen Umständen ausreichen mag, so thut sie es gewiß nicht im Sommer bei geringen Wärme-Unterschieden zwischen innen und außen, während ihre Wirkung bei eng gebauten Stadthäusern sehr gering ist, bei Zimmern ohne Außenwände, bei Alkoven und Kellerwohnungen aber ganz wegfällt.

Wo die Porenventilation nicht ausreicht, ist man auf größere Luftöffnungen angewiesen: zunächst auf die Fenster, sodann auf die Verbindungsthüren zwischen den Zimmern, endlich auf die Vorplatzthüren, wenn letztere nicht mehr schlechte Luft herein- als hinauslassen. Man öffnet gern obere Fenster, weil dadurch die wärmste und schlechteste Luft am besten entweichen kann; kältere kommt durch den untern Theil des Fensters, sowie durch andere kleine Oeffnungen herein. Ist der Winddruck so stark, daß er durch die ganze Oeffnung hereinpreßt, so muß dann die Binnenluft irgend einen andern Ausweg suchen.

Abgesehen von der ganz unbegründeten Furcht vor der Nachtluft, die im Gegentheil in Städten meist reiner (von Staub, Rauch etc.) ist, als die Tagesluft, scheut man mit Recht rasche und besonders einseitige oder örtliche Abkühlung durch die hereinströmende kältere Luft. Man suche deshalb ihren Strom so zu lenken oder zu brechen, daß er die Schlafenden nicht trifft, auch ihn durch willkürliche Verengerung der Oeffnung so zu verkleinern, daß die Schlafstubenluft nicht zu sehr abgekühlt wird. Es ist aber jedenfalls besser, sich durch dichtere Nachtkleider und Betten gegen die Abkühlung zu schützen, als in verdorbener Luft zu athmen. Zum Schutz öffne man ein Fenster nur theilweise und breche den Luftstrom durch Vorhänge oder Bettschirme; oder man setze statt eines Fensterflügels ein engmaschiges Drahtnetz ein, oder öffne, wo Doppelfenster vorhanden sind, einen obern innern und einen untern äußern Flügel! Weil aber das Oeffnen oberer Fenster in der Regel unbequem ist, oft auch durch Rouleaux oder Vorhänge verhindert wird, mache man eine obere Fensterscheibe um ihre untere Achse an der Sprosse so drehbar, daß sie beliebig weit nach innen umgelegt werden kann; steht dann diese Scheibe (etwa in einem halben rechten Winkel) schräg nach oben, und sind die seitlichen Winkel noch durch an der Scheibe befestigte Blechwangen geschlossen, so bekommt der einströmende Wind, welcher eigentlich allein zu fürchten ist, eine solche Richtung nach oben, daß er für die unten Schlafenden ungefährlich wird. Wegen der Stellbarkeit der beweglichen Luftscheibe hat man auch die Menge der einströmenden Luft hinreichend in der Gewalt. Wo diese Lüftung noch nicht genügt, was namentlich in warmen, windstillen Sommernächten, sowie in engern Straßen und Höfen der Fall sein kann, da kann man durch eine zweite, möglichst tief unten in der Wand oder allenfalls auch im Fenster angebrachte Oeffnung eine stärkere Luftströmung hervorrufen.

Manchmal läßt sich auch eine dem Fenster gegenüberliegende Gegenöffnung benutzen oder herstellen, um eine stärkere, im untern Theile des Zimmers aber doch unfühlbare Luftströmung zu veranstalten, was namentlich bei großer Sommerwärme, sowie immer in Alkoven und ähnlichen abgesperrten Schlafräumen nothwendig ist. In solchen Fällen benutzt man entweder die häufig schon vorhandenen Fenster, welche von dem Raum auf den Vorplatz oder auf den Treppenraum hinausgehen, und eine in den Dachraum oder durch das Dach oberhalb der Treppe hinausführende Oeffnung, durch welche die wärmere Luft des Hauses zu entweichen strebt. Vorplatz- und Treppenthüren, welche solche Luftströmung hindern würden, müssen natürlich mit Oeffnungen von hinreichender Größe versehen sein. Die auf solche Weise in jedem Hause leicht herstellbare Lüftungseinrichtung verdient viel größere Beachtung, als sie bis jetzt gefunden hat, auch noch aus dem Grunde, weil sie die schlechtere Luft des ganzen Hauses ableitet und dadurch die Zimmer der obern Stockwerke vor der in den untern verdorbenen Luft schützt, die sonst in jene eindringt.

In den mit Luftheizung versehenen Häusern dienen bekanntlich in den offenen Dachraum oder über das Dach hinaufsteigende Lüftungsröhren zur Ableitung verbrauchter Luft. Wo solche fehlen, also auch überall bei Ofenheizung ohne besondere Ventilationseinrichtungen, kann man die Kamine oder Schornsteine, vorzüglich den Küchenschornstein, einigermaßen dem gleichen Zwecke dienstbar machen. Dazu ist nur erforderlich, daß man nahe unter der Zimmerdecke, wo die Binnenluft am wärmsten ist und deshalb das größte Bestreben hat, aufwärts zu entweichen, eine Oeffnung in den Schornstein hineinführt. Ist der Schornstein durch die Küchen- oder Ofenheizung warm, so geht ein starker aufsteigender Luftstrom hindurch, aber selbst erkaltete Schornsteine werden ihren Dienst nicht ganz versagen, weil die warme Binnenluft des Hauses durch die von außen nachdrängende kalte Luft emporgeschoben wird, wie unter Anderem bei Abtrittsanlagen hinlänglich erprobt ist. Um die Oeffnung nach Belieben verschließen und sich gegen niederdrückenden Rauch, sowie gegen das Herausfallen von Ruß, gegen das Eindringen von Ungeziefer u. dergl. m. schützen zu können, wird in derselben entweder die oben beschriebene Ventilationsklappe von Senking, auch Munde’s Schornsteinventilator oder eine ähnliche Vorrichtung angebracht. Munde’s Schornsteinventilator, beschrieben und abgebildet in einer 1876 bei Arnoldi in Leipzig erschienenen Broschüre („Zimmerluft, Ventilation und Heizung“), besteht aus einem schräg abgestutzten Blechröhre, welches in ein ausgemeißeltes Loch des Schornsteins nahe unter der Zimmerdecke eingesetzt und mit Gypsmörtel dicht und sicher befestigt wird. An der Zimmerseite hat das Rohr eine verschließbare Klappe, an der Schornsteinseite ein enges Drahtnetz, um das Hereinfallen von Ruß u. dergl. m. zu verhüten. Das Rohr muß genau der Dicke der Mauer vom Zimmer bis zur inneren Fläche des Schornsteins entsprechen und darf hier nicht hervorragen, damit es nicht beim Kaminfegen verletzt wird; besser etwas zu kurz, als zu lang. Die Weite des Rohrs richtet sich nach der Größe des Zimmers und der Zahl der darin athmenden Personen; für gewöhnliche Zimmer reicht eine Lichtung von drei bis vier Zoll hin, größere Weite kann aber nicht schaden und ist für stärkere Lüftung, sowie bei weiten Schornsteinen nothwendig. Wo der Schornstein nicht unmittelbar an der Zimmerwand anliegt, kann er durch ein längeres Rohr erreicht werden, was der Wirkung dieses einfachen, für wenige Mark herstellbaren Ventilators keinen wesentlichen Abbruch thut.

Zur Verstärkung der ventilirenden Wirkung des Schornsteins wird die Krönung desselben mit Dr. „Wolpert’s“ Luft- und Rauchsauger vielfach empfohlen und angewendet; derselbe ist so construirt, daß jeder Wind, der auf denselben trifft, eine saugende Wirkung auf seinen Inhalt ausübt, und da selbst die sogenannte ruhende Luft beständig in beträchtlicher Bewegung ist, kann jene Aussaugung des Schornsteins niemals fehlen.

Durch solche Lüftungseinrichtungen, wenn sie mit Verständniß und Sorgfalt gehandhabt werden, kann sogar die Luft eines Alkovens oder eines andern ungünstig gelegenen Raumes erträglich gemacht und damit den Vergiftungen vorgebeugt werden, denen die Bewohner langsam, aber sicher anheimfallen. Wer erinnerte sich nicht der schrecklichen „schwarzen Höhle“ von Calcutta? Eine große Anzahl von gefangenen Engländern mußte dort in ihrer eigenen Ausathmungsluft ersticken. Und sollte dieselbe verdorbene Luft, wenn sie auch nicht so hohe Grade erreicht, um rasch tödtlich zu wirken, täglich und allnächtlich eingeathmet, nicht allmählich die Gesundheit untergraben? Wer einmal verglichen hat, wie er in eingeschlossener Luft und wie er in offener Luft geschlafen hat und wie ihm Morgens nach dem jedesmaligen Versuche

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 658. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_658.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)