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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Interesse, über das Vorhandensein dieses eigenthümlichen, halb ehrwürdigen, halb komisch wirkenden Gegensatzes auch auf dem Boden Wiens Kunde zu erhalten, besonders da ich meiner Hinweisung auf die mittelalterlich enge Judengasse unserer inneren Stadt ein so beredtes Genrebild hinzufügen kann, wie es Meister Breidwiser hier für die „Gartenlaube“ nach dem Leben gezeichnet hat. Kein Mensch zwingt heute die jüdischen Kleidertrödler („Tandler“, sagt der Wiener), sich in diese elende Wohnstätte ihrer Vorfahren hinein zu pferchen; sie thun es jetzt aus freien Stücken, aus Geschäftsrücksichten.

Jede Manufacturbranche hat ihr besonderes Viertel; die Bandfabrikanten und Galanteriewaarenerzeuger haben ihre Straßen, für welche sie eine besondere Vorliebe haben, und so wollen denn auch die kleinen Kaufherren der Judengasse ihr Quartier haben. Die Concurrenz hebt das Geschäft und belebt den Eifer, und da es in vielen Fällen durchaus nicht leicht sein mag, einen alten Rock an den Mann zu bringen, so wird jedenfalls die gegenseitige Anfeuerung wesentlich mit zur Belebung des Geschäftes.

B. G.




Das Mikro-Tasimeter. Edison hat wiederum eine neue und werthvolle Erfindung gemacht; er hat ein Instrument hergestellt, welches die allerleisesten Druckäußerungen und Veränderungen mißt, das Mikro-Tasimeter. Da nun dieser Druck durch die Ausdehnung eines erwärmten Stabes hervorgebracht werden kann, so ist damit ein höchst empfindliches Mikro-Thermometer erfunden, mit welchem man hoffen kann, die Wärme der Sterne und Kometen zu messen, sowie andere höchst subtile Untersuchungen vorzunehmen. Die Erfindung gründet sich auf dieselbe Entdeckung, wie das Edison’sche Telephon, von welchem der Leser eine Beschreibung in dem Artikel „Die menschliche Stimme auf Reisen“ (Jahrgang 1877, S. 799) findet, nämlich darauf, daß eine Kohlen- oder Graphitmasse den elektrischen Strom sofort besser leitet, wenn sie auch nur unmerklich mehr zusammengedrückt wird als vorher. Das ganze Instrument besteht einfach aus einem Kohlenscheibchen, welches zwischen einer feststehenden und einer beweglichen Platinplatte, welche letztere den zu messenden Druck entgegennimmt, eingeschlossen ist. Die beiden Platinplatten bilden die Pole einer elektrischen Batterie, in deren Stromkreis ein Galvanometer, das heißt eine die Stromstärke anzeigende Magnetnadel eingeschlossen ist. Spannt man nun zwischen der beweglichen Platinplatte und einer gegenüberstehenden Schraube einen beliebigen, am besten stabförmigen Körper wie zwischen den Wangen eines Schraubstocks ein, um seine Ausdehnung durch die Wärme zu messen, so erlangt der gleichmäßige Batteriestrom in Folge des auf das Kohlenscheibchen ausgeübten Druckes und der dadurch erhöhten Leitungsfähigkeit einen bestimmten Stärkegrad, der durch eine entsprechende Ablenkung der Nadel von ihrer Nordpolrichtung gemessen wird. Nunmehr wird aber die geringste Ausdehnung oder Zusammenziehung des eingespannten Körpers in Folge vermehrten oder verminderten Druckes auf Platinscheibchen und Kohle sofort die Ablenkung erhöhen oder schwächen. Wie unglaublich die Empfindlichkeit dieses Instrumentes ist, zeigten folgende Versuche: Ein Stück Hartgummi oder Glimmer erregte, wenn man ihm die warme Hand nur auf einige Zoll näherte, durch ihre Ausdehnung einen Ausschlag der Nadel um mehrere Grade, und ähnlich gab sich die Ausdehnung eines Streifen Gelatine durch die Feuchtigkeit eines nassen Papieres zu erkennen, welches man ihm auf einige Zoll näherte. Erwies sich das Instrument schon in diesem Zustande empfindlicher als die Thermosäule, die man bisher zum Messen der Gestirnwärme anwendete, so konnte seine Empfindlichkeit durch Anwendung eines Spiegel-Galvanometers und Einschaltung einiger Zwischenapparate so gesteigert werden, daß schon die Wirkung der Handwärme auf sechs bis acht Zoll Entfernung auf den Hartgummistreifen starke Ausschläge verursachte. Das Tasimeter ist auch bei der drei Minuten langen Sonnenfinsterniß vom 29. Juli benützt worden, um die Wärme der Sonnen-Atmosphäre zu messen. Leider nicht auf derselben Station in Wyoming, auf welcher der amerikanische Astronom J. Watson den lange gesuchten innersten Planeten, den „Vulcan“ entdeckt hat (siehe Seite 642 dieser Nummer), sonst hätte man vielleicht gleich eine Ahnung davon gewinnen können, welche Gluth dieser nächste Nachbar der Sonne auszuhalten haben mag. Uebrigens hofft Edison, mittelst seines Tasimeters die kleinsten Bewegungen anderer Meßinstrumente, wie des Barometers, Hydrometers etc., messen zu können.





     Im Paradiese.

Im Schlafe schon? - So hell erklang noch eben
Dein frohes Lachen durch den hellen Raum,
Und nun verräth das holde kleine Leben
Der leise Hauch der Purpurlippe kaum?
Wie süß, in gold’ner Lockenfluth begraben,
Die liebe Hand Dir unter’m Haupte ruht,
In Frieden still - o, Frieden darfst Du haben,
Du warst ja glücklich und Du warst ja gut.

Was war Dein Schmerz? Ein Rauschen nur im Walde,
Der frisch im Laub und hell in Blüthe steht;
Ein Schatten nur auf sonnenwarmer Halde,
Der, wie die Wolke droben, kommt und geht;
Ein rascher Vogel, dessen dunkle Schwinge
Des Weihers Fläche streckt mit leisem Schlag:
Erbebend zieht das Wasser seine Ringe
Und liegt dann wieder ruhig, wie es lag.

Und Deine Schuld? Des Haares wirre Strähne
Vom Raub aus Vaters Lieblingsbeet umgrünt;
Ein Schrei des Kindertrotzes, eine Thräne,
Von Deiner Schönheit tausendfach gesühnt –
Von Deiner Schönheit, die aus lichter Ferne
In’s trübe Reich der Menschen sich verlor,
Noch rein und heilig, wie des Himmels Sterne,
Und wie im Paradies der Engel Chor.

Gleich einem Vöglein hast Du Deine Glieder
Am Freudenquell gebadet ohne Rast,
Und, wie am Morgen warst Du Abends wieder
Bei Tisch und Spiel des Hauses bester Gast.
Doch sahst Du ernst von Gramesschatten werden
Ein theures Antlitz, hast Du nicht geruht
Mit holdem Wort, mit strahlenden Geberden –;
Du warst so glücklich, und Du warst so gut.

So schlafe denn und laß Dein sonnig Eden
Im Traume Dir noch lieblicher erblüh’n,
Und laß Dir keinen Deiner Engel reden
Von Erdenjammer und von Erdenmüh’n!
Wie bald, und tödtlich rauhe Stürme wallen
Durch Deiner Seele frühlingshellen Wald,
Und fordern wird die Welt, der Du verfallen,
Auch Dich, mein süßes Kind – ach, wie so bald!

     Gustav Weck.




Kleiner Briefkasten.

Ein eifriger Leser. Den von Ernst Keil verfaßten und in dem Lebens- und Charakterbild unseres theueren Entschlafenen (Nr. 35) erwähnten Brief an eine Gläubige finden Sie im Jahrgange 1866 der Gartenlaube, Nr. 42.




Für die Hinterlassenen der verunglückten Seeleute vom „Großen Kurfürsten“

gingen wieder ein: Gemeinde Schwechingen, durch Oberamtmann Salzer in Meßkirchen M. 15; von der Wittwe eines Thüringers M. 30; Sammlung des Krieger-Unterstützungs-Vereins für Stadt und Amt Hilchenbach M. 18.60; Sammlung in Biberbach, durch Daniel Schulz M. 67; Frl. F. R. in Starnberg M. 1; L. M. in Neu-Ruppin M. 6; fernerer Beitrag einer Sammlung der Redaction des „Waldenburger Wochenblattes“ M. 10; Ertrag einer Theatervorstellung in der Gesellschaft „Falkonia“ in Aken M. 15.80; Dr. Barkau in San Francisco, Californien, M. 20; Amicus juventutis academicae M. 1; Leer’sche Weinstube in Neuwied M. 20; F. in Senftenberg M. 1; B. und H. in Hanau M. 2.70; H. R. in Dresden M. 20; Gesangverein „Germania“ in Basel, Sammlung am Sedanfest M. 64.12; „Ubedisser Kreis“ in Bielefeld M. 10; Prof. Blümmer in Zürich M. 5; Gesangverein „Liederkranz“ in Freiberg M. 43.20; Blondköpfchen in Berlin M. 3; Gebr. Sch. in P. B. M. 10; R. F. Klim in Bim. M. 14.30; Ertrag eines Concertes des Gesangvereins in Börssum M. 33.

Die Redaction.




Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das dritte Quartal. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.


Das vierte Quartal dieses Jahrgangs wird mit der bereits angekündigten Erzählung

„Lumpenmüllers Lieschen“ von W. Heimburg,

der talentvollen Verfasserin der mit so vielem Beifall aufgenommenen Novelle „Aus dem Leben meiner alten Freundin“, beginnen. Anschließen wird sich derselben das farbenprächtige transatlantische Charaktergemälde „Der canadische Achill“ von E. Werber; unsere Leser hatten bereits Gelegenheit dieses ebenso kraftvoll-markige wie gemüthswarme Talent in Erzählungen wie „Eine Leidenschaft“, „Ein Meteor“ etc. von der besten Seite kennen zu lernen. – Außerdem werden wir fortfahren durch Abdruck instructiv-unterhaltender Artikel aus dem Leben - der Zeit wie der Wissenschaft, unserer Nation wie der Menschheit den Aufgaben unseres Blattes gerecht zu werden.



Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahres aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle l Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.

Die Verlagshandlung.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 648. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_648.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)