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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


derselben hat ihre interessante Geschichte. Sie ist freilich noch nicht geschrieben worden, obwohl sie ein sehr wichtiges Glied im großen allgemeinen Entwickelungsgang der modernen Malerei bildet. Da aber dieser Gegenstand einer besondern Darstellung würdig ist, so wollen wir uns hier nur die Bemerkung erlauben, daß es wunderbarer Weise nicht die Italiener, sondern Nordländer, insbesondere die Niederländer, waren, welche, auf Grund ihrer Studien in der Campagna, von der Blüthezeit der Früh-Renaissance an, die Landschaftsmalerei zu einer selbstständigen Kunst erhoben. Bis dahin hatte die Landschaft nur als Hintergrund der Staffage Geltung, und diese mußte sogar noch ein Claude Lorrain ausschließlich aus der biblischen Geschichte oder der Mythologie wählen, um gleichsam seine einzig werthvollen und großartigen landschaftlichen Schilderungen vor dem Publicum – zu entschuldigen. In der italienischen Kunst mit ihren einseitig idealen Tendenzen wäre niemals die Abtrennung der Landschaftsmalerei als eines eigenen selbstständigen Kunstzweiges möglich gewesen, hätten nicht die holländischen Eindringlinge in der Naivetät ihres kerngesunden Naturalismus die Verantwortung für diese Neuerung unbedenklich auf sich genommen. Später sind auch italienische Maler, wie Pannini am Anfange des vorigen Jahrhunderts, in ihren Schilderungen der römischen Campagna darauf ohne weiteres eingegangen, und heutigen Tages, wo diese Auffassung in der Malerei die allgemein herrschende ist, scheint es uns wohl befremdlich, daß die Landschaftsmalerei nach naturalistischen Grundsätzen nicht schon längst zu ihrem Rechte gelangen konnte. Wir feiern in ihr eine der schönsten ästhetischen Errungenschaften der Neuzeit, aber das Schlachtfeld, auf dem sie ihre Siege erfochten hat, ist der classische Boden der römischen Campagna gewesen.

Jean Paul Richter.




Der Werbellin-See.

Alljährlich, wenn die Kaiserjagden in der Schorfhaide abgehalten werden, das erlegte Wild unter den Buchen liegt und die Dunkelheit des Heimweges durch den Wald bis zur Chaussee von unzähligen Haufen brennenden Kiefernscheitholzes erleuchtet wird, dann wird auch des Werbellin gedacht, an dessen Ufern der Weg hinführt und dessen Fluthen im Widerschein der Feuer glänzen.

Es ist ein eigenthümlich märchenhafter Glanz, der auf diesem Wasser ruht. Der See ist immer schön, mag die Sonne ihn bescheinen oder der Mond sich in seinen Fluthen spiegeln. Fremde, die der Zufall an seine Ufer führt, stehen erstaunt; Heimische sehen an ihm sich nimmer satt, denken sein in der schönsten, reichsten Ferne, während Weitgereiste seines Lobes voll sind und ihn mit dem Königssee des baierischen Hochlandes vergleichen. Der See liegt abseits vom Wege der allgemeinen Heerstraße – man kennt ihn nicht – und doch hat auch hier einst das Leben in so reichem Maße gefluthet; Schlösser haben an seinen Ufern, in seiner Nähe gestanden – und die Fäden der deutschen Geschichte knoteten sich hier oder wurden von hier aus gesponnen. Wir sehen ab von jener Urgeschichte, wo Pfahlbauten, deren Reste Professor Virchow auch hier gefunden, die Ufer säumten, jenen Steingräbern, die im Walde zerstreut sich noch immer zeigen – wir denken der Zeit der Askanier, jenes Fürstengeschlechts, das, über die Mark Jahrhunderte herrschend, dieselbe zu Glanz und Ehren brachte, um wie ein Nebelstreif dahin zu wallen und in Nacht zu versinken.

Dort am Grimnitzsee, jenem zuhöchstgelegenen See der Mark Brandenburg, stand das Schloß gleichen Namens, erbaut von Markgraf Johann im Jahre 1247, in welchem Jahre auch Schloß Werbellin von ihm erbaut sein soll, wenige Stunden von ersterem entfernt. Beide Seen können – der Grimnitz liegt einige fünfzig Meter höher als der Werbellin – von einzelnen Punkten aus zugleich übersehen werden. Ein drittes Schloß, Schloß Breden, stand gleichfalls höchst wahrscheinlich am Ufer des Werbellin, dort hinaus, wo jetzt das Försterhaus im Dorf Altenhof sich befindet; bei Erbauung desselben fand man tief gemauerte Keller, in deren Räumen alter Wein lagerte, dessen Flüssigkeit bereits fast zu Gallert sich verdickt hatte; auch will die Sage hier eine fest vermauerte eiserne Thür entdeckt haben, uneröffenbar, aber einen Gang verschließend, der hinabführen soll zur alten, im See versunkenen Stadt Werblo. Die Glocken der alten Stadt, heißt es, läuten noch am Johannistage aber auch sonst wohl aus der Tiefe herauf, Unheil verkündend und dem, der den Glockenklang vernehme, Verderben bringend. Es sind alte Sagen, wie es deren ähnliche ja so viele giebt. Bei keinem See aber klingen sie glaubhafter und natürlicher, als bei dem Werbellin. Liegt doch auf demselben ein Märchenzauber, ein Hauch der Sage, der unvergleichlich ist. Man lese die alten Chroniken, die Bücher der Geschichte, und man wird finden, daß die Fürsten aus dem Hause der Askanier nirgend lieber und länger verweilten, als in diesen ihren Schlössern am Grimnitz und Werbellin. Ersteres hat bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts gestanden; während letzteres bereits im Jahre 1344, wie es heißt, von den Litthauern zerstört wurde. Im Grimnitzschloß weilte Otto mit dem Pfeil, der Minnesänger, besonders gern. Hier saß er, wie ein Bild der Manessischen Sammlung der Minnelieder zeigt, mit seiner Gemahlin, der Heilwig, am Schachbrett, während die Sänger, von nah und fern herbeigekommen, ihre Harfen schlugen. Heilwig war es, die ihn mit kühnem Muthe und echter Frauenlist aus der schimpflichen Gefangenschaft der Magdeburger Bischöfe befreite, in welche er nach unglücklichem Ausgange eines Krieges mit denselben gerathen war.

Otto mit dem Pfeil ist hier im Grimnitzschloß gestorben und im Kloster Chorin begraben, wo ja auch bereits sein Vater, Markgraf Johann, der Erbauer Chorins, beigesetzt war. Jahrhunderte hindurch weilten die Fürsten der Mark mit ihren Gästen in Schloß Grimnitz; manche von hier aus unternommene Bären- und Wolfsjagd steht auf den Blättern der Chroniken und Geschichtswerke verzeichnet. Der Sage Epheu hat sich um die verfallenen Mauern gelegt, und in den noch vorhandenen tiefgemauerten Kellern des Schlosses glaubt man die Seufzer des Kanzlers Buch zu hören, den Waldemar hier gefangen setzen und verhungern ließ, nachdem derselbe wider seinen Willen zu Rhense den Baier zum Kaiser kürte. Die Sage erzählt es, und Männer der Geschichtsschreibung haben dieselbe als Eckstein zur späteren Geschichte des sogenannten falschen Waldemar genommen. Nicolaus von Buch hatte den Hungertod erleiden müssen, aber sein Sohn Johannes ward Hofrichter des Markgrafen Ludwig, der ein Sohn des Kaisers Ludwig war. Dieser hatte mit durch die Stimme Buch’s die Kaiserkrone erhalten und seinem Sohne die herrenlose Mark übergeben, nachdem Markgraf Waldemar plötzlich 1319 auf der Reise zu Bärwalde in der Neumark gestorben und zu Chorin beigesetzt worden war. Johannes von Buch war der einzige märkische Edelmann am Hofe des Baiern. Er hatte den von Eike von Repgow verfaßten Sachsenspiegel, das berühmte Rechtsbuch seiner Zeit, auf’s Neue glossirt und herausgegeben, und sein Wort, sein Ausspruch in Sachen des Rechts galt als maßgebend. Und als im Jahre 1348 Waldemar, der sogenannte falsche Waldemar, den uns der märkische Walter Scott, Wilibald Alexis, in seinem Romane geschildert, zurückgekehrt war, da war der Ausspruch Johann von Buch’s entscheidend; sein Ansehen gab in vielfacher Hinsicht den Ausschlag. Der Heimgekehrte, erst von Kaiser Karl dem Vierten Anerkannte, wurde als ein Fälscher, als ein Betrüger erklärt, sodaß sein Bildniß, sein Name noch heute in den Büchern der Geschichte schwankt. Unaufgeklärt wird dieses Blatt der Geschichte wohl für immer bleiben, wenn auch die neuere und neueste Forschung, nach welcher es kein Betrüger gewesen, der zurückgekehrt, mehr und mehr zur Geltung kommt.

Es ist bei dieser Annahme nur Eines auffällig. Waldemar hat, wenn er nicht im Kriege war, bis zu seinem angeblichen Tode fast regelmäßig auf Schloß Werbellin geweilt. Von hier aus sind die meisten seiner Erlasse ausgestellt. Schloß Werbellin war ihm der liebste Aufenthalt – und die Insassen des dicht am Schlosse gelegenen Dorfes Altenhof sahen ihn fast täglich. Jeder Einwohner daselbst kannte ihn. Warum berief sich der Heimgekehrte, der vom heiligen Grabe Zurückgekehrte, als man

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 640. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_640.jpg&oldid=- (Version vom 28.9.2019)