Seite:Die Gartenlaube (1878) 567.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

und schönsten Farben streiten um den Vorrang. Auf verlassenen, verwilderten Gärten stehen hochragende Pinien mit weitgewölbtem Schirmdache, und schlanke Palmen wiegen ihre graziösen Wipfel in den Lüften. Am Fuße des Gebirges, wo ein rauschender Quell aus dem Gesteine hervorbricht, steht die weitästige, schattenreiche Platane, „der Quellenwächter“, im Schmucke des grünen Laubes; ausgestreckt auf dem Felsen, genießt der jugendliche Ziegenhirt der Kühlung, während seine Heerde das Lorbeer- und Ginstergebüsch durchstreift oder an den Abhängen hinaufklettert und leider jedes Bäumchen zerstört, ehe es Ziegenhöhe überragt. Höher hinaus am Gebirge, namentlich an der Nordseite der Insel, nach Kyreneia und Lapitho zu, wird dann der harte Ginster mit seinen Milliarden goldener Blüthen vorherrschend. Ganze Gelände schönen Ackerbodens hat er überzogen und mit einem dichten Gestrüpp bis zu halber Manneshöhe bedeckt, in welchem eine wimmelnde Menge von kleinem Wilde, Rebhühner, Wachteln, Schnepfen und hundert Arten kleiner Singvögel Futter, Nest und Versteck finden. Gerade hier, in den höheren Regionen des nördlichen Gebirges, wird die Scenerie großartig, erhaben.

Nach Süden sich wendend, sieht der Beschauer die grüne Ebene, die Messaria, mit ihren Städten und ihren Ruinen zu seinen Füßen, und hinter ihr baut sich der Olympos mit seinem bis tief in’s Frühjahr schneebedeckten Gipfel in schöner Linie auf; nordwärts dehnt sich in tiefer, gesättigter Bläue das ewige Meer, ruhig aber ohne Unterlaß seine oben unhörbaren Wellenkreise ziehend und schäumend an’s Gestein schlagend, sodaß es wie von den feinsten Spitzen umsäumt erscheint. Dahinter treten ragend die schneeigen Gipfel des cilicischen Taurus hervor, ungetrübt in der klaren Luft mit den reinsten Linien sich abhebend, um das Ganze abzuschließen.

Bei allem Mangel an statistischen Angaben werden immerhin an sechshundert Ortschaften auf der Insel gezählt, von denen folgende die wichtigsten: Levkosia, Lefkoscha der Türken, mit etwa zwanzigtausend Einwohnern, ist die Hauptstadt, mit Trümmern merkwürdiger Gebäude aus der venetianischen Zeit. Die Bewohner treiben verschiedene Gewerbe, Baumwollenwebereien, Gerbereien zu Maroquinleder und fertigen gefärbte und mit türkischen Mustern bedruckte englische Calicos, goldgestickte Stoffe, seidene Netze und Aehnliches. –

Wenig Städtebilder gewähren einen märchenhafteren, romantischeren Anblick als Levkosia. Rings umgeben von üppiger Vegetation, von lachenden Fluren erheben sich die hochthorigen Stadtmauern; drinnen scheint ein Häusermeer im Garten zu liegen, denn hunderte von Palmen wiegen ihre schmucken Kronen im Sonnenscheine, edle Cypressen und immergrüne Eichen ragen empor, schlanke Minarete mit blendend weißen Mauern beherrschen das Häusergewimmel, und zwischen ihnen ein mächtiger gothischer Dom. – Und wenn zu dem abendlichen Ave-Läuten der Goldpurpur des Sonnenuntergangs sich über die Stadt legt, so glaubt man vollends in ein Märchen der „Tausend und eine Nacht“ versetzt zu sein. Aber das Innere! Enge Straßen, starrend von Schmutz, hohläugige Armuth aus fast jedem Hause herausblickend, träumerische griechische Mädchen und junge Frauen an den hölzernen Altanen sitzend, tief verhüllte Türkinnen Wasser schleppend, bärtige Türken in der Hausthür kauernd, den langen Tschibuk rauchend, die Luft erfüllt mit den schönsten Wohlgerüchen blühender Orangen und Citronen, bizarre Zweige des Feigenbaumes aus den Gärten über die Mauer herüberragend, die reifen Früchte gleichsam dem Wanderer darreichend, dazu Rudel schmutziger, halbnackter Kinder, bettelnd oder mit stummem Anglotzen den Fremden unermüdlich verfolgend, das ist ein Bild des Orients, wie es zusammengedrängter, eigenartiger gar nicht gedacht werden kann. Jeder Blick sagt einem, daß die Stadt nur noch der Schatten ihrer früheren Größe ist. Schon durch die Venetianer wurde bei der drohenden Haltung der Türken ihr Areal auf ein Drittel verkleinert. Aber zahllose Häuser haben jetzt duftigen Gärten Platz gemacht; jedes Haus steht nun in einem Garten, im Schatten von Platanen und Cypressen, Maulbeerbäumen und Dattelpalmen. Die Häuser selbst zeugen von entschwundener Pracht nur noch in ihren untersten Mauerstumpfen.

Südlich davon, am Fuße des Hügelgeländes, liegt Dali, das alte Idalion, das einstige Heiligthum der Aphrodite, mit wenigen Trümmerstücken der antiken Tempelpracht. Oberhalb des Hafens Famagusta lag Salamis, das spätere Constantia, mit mittelalterlichen Bautrümmern des Doms der heiligen Sophia aus der Zeit der Lusignans. Eine Landstraße längs der Südküste verbindet Famagusta mit Larnaka, dessen See die Sommerhitze aufsaugt und eine sehr reiche Salzkruste zurückläßt, die als Regal einen Haupttheil der Landeseinnahme abgiebt. In dem nahen Hafen landen die österreichischen Lloyddampfer. Weiter südwestlich an der Küste liegt Amathus, reich an uralten Erinnerungen des Venuscultus und der hier gefeierten Amathusischen Feste. In den letzten Jahren wurden viele Quadern von den zahlreichen Trümmern zum Bau moderner Häuser nach Port Said am Suezcanal geführt. – Von Paphos, türkisch Baffo, an der Westküste, und von seinem herrlichen Venustempel ist alles verschwunden, nur das Geschlecht der Tauben, die einst den Wagen der Venus gezogen, hat sich hier in zahllosen Schwärmen erhalten.

Den modernsten Charakter hat Limasol oder Limissa an der Südwestküste mit siebentausend Einwohnern, wichtig durch seine großen Salzwerke, bedeutenden Weinbau und Seehandel mit Wein und Johannisbrod; der Wein ist unter der Bezeichnung Commanderie-Wein bekannt. In Limasol feierte Richard Löwenherz seine Hochzeit mit Berengaria von Navarra, die ihm auf schwankem Schiffe nachgefolgt war. Unweit Limasol ließ der amerikanische Consul, General de Cesnola, im Herbste 1875 ein Grabmal von ungewöhnlicher Größe öffnen und fand in demselben einen goldenen Scepter, etwa fünf Kilogramm schwer, goldene Armbänder und ein mit Edelsteinen geschmücktes Halsband. Die Armbänder trugen Inschriften, wie es schien, in cyprischen Charakteren.

Vielleicht findet auch Cypern einst seinen Schliemann. Zur Zeit freilich gemahnt inmitten der Zerstörung und Verwilderung, unter den überall zerstreuten Trümmern geschwundener Herrlichkeit und Pracht noch des Dichters Klage:

„Eine schöne Welt ist hier versunken,
Nur die Trümmer blieben oben stehn,
Lassen sich als goldne Himmelsfunken
In den Bildern uns’rer Träume sehn.“

England wird es indeß hier bei Träumen nicht belassen. Es hat hier eine große Aufgabe übernommen, auf deren Lösung die Augen aller Welt gerichtet sind. Schon rüsten sich von England, von Aegypten Schaaren von Speculanten zur Auswanderung nach Cypern. Die englisch-ägyptische Bank richtet hier bereits ein Zweiggeschäft ein und eine Telegraphengesellschaft hat sich erboten, von Cypern nach Alexandrien und Malta, selbst nach Bassora oder Bosra Kabel zu legen. – Möge sich denn von Cypern im besten, hoffnungsvollen Sinne des Dichters Wort bewähren:

„Und neues Leben blüht aus den Ruinen.“

J. Loewenberg.


Blätter und Blüthen.


Etwas aus der Werkstätte der amerikanischen Presse. J. H. Wehle weist in dem, kürzlich von der „Gartenlaube“ Jahrgang 1878, Nr. 8, aus seinem bald daraus erschienenen Buche „Die Zeitung“ mitgetheilten Abschnitt „Aus den Werkstätten der Presse“ mit Recht darauf hin, daß das Zeitungswesen in den Vereinigten Staaten von Amerika, so weit wenigstens die industrielle Seite in Betracht kommt, am höchsten entwickelt ist. Das zeigt sich nicht nur in so außerordentlichen Unternehmungen, wie es die durch den „New-York Herald“ ins Werk gesetzte Aufsuchung Livingstone’s war, sondern der viel bewunderte praktische Sinn des Amerikaners bekundet ich auch in dem Herstellungsproceß der Tagesblätter, selbst in den scheinbar geringfügigsten Dingen. Vieles hat die europäische, besonders die englische Presse, seither von „drüben“ gelernt und mit Vortheil verwerthet; aber es bleiben der amerikanischen Presse noch manche Vorzüge, welche zum Theil in den eigenthümlichen Verhältnissen des Landes gegründet sind.

Was den Fremden, der zum ersten Male den amerikanischen Boden in New-York betritt, am meisten überraschen wird, das ist das Geschrei der aller Orten die neu erschienenen Blätter ausrufenden Zeitungsjungen. Und die Presse hat dort nur wenige Stunden des Tages, in denen sie, wenigstens scheinbar, ruht. Die Redactionen der Morgenblätter setzen bei wichtigen Vorkommnissen ihre Thätigkeit häufig bis zur fünften Morgenstunde fort, um dann, mitunter ohne jede Pause, von den sogenannten Abendblättern abgelöst zu werden. Beides sind nämlich in Amerika gesonderte Kategorien: es giebt dort – und das wird Vielen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 567. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_567.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)