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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

der Hauptstadt Cyperns, ist es heißer als in Kairo. Das dauert bis in den September; dann erneuert sich die Zeit der fruchtbaren Regen. So ist es heute, und so war es wohl auch in der frühesten culturlosen Zeit.

So nahe den Landschaften der ältesten Cultur, war Cypern schon im höchsten Alterthum bekannt und schon in den Bibelschriften wird es wegen seiner reichen Naturschätze gepriesen. Von Cypern, von Chittim, dem heutigen Kiti, holten die Phönicier Bauholz zu ihren Schiffen, und von Metallen namentlich dasjenige, welches nach der Insel: Kypron, von den Römern Cuprum genannt wurde, unser Kupfer. Auch der Cypressenbaum und der edle Cyperwein haben ihren Namen von dem Eiland.

Unerschöpflich schienen einst die Holzvorräthe der Insel für den Schiffsbau und die Verhüttung der Silber- und mehr noch der Kupfererze. Bis zu den obersten Kuppen deckte ein immergrünes Wälderkleid die cyprischen Gebirge; Nadelholz jeder Art, Eichen und Platanen, Eschen, Terebinthen, prächtige Nußbäume beschatteten ihren Fuß. Und hierzu die mächtigen schwarzgrünen Pyramiden der Cypressen, schwanke Dattelpalmen wie unter afrikanischem Himmel! – Die fruchtbare cyprische Ebene, die Messaria, sammt kleineren Geländen am südlichen Abhange des südlichen Gebirges sind im Alterthume die großen Kornkammern gewesen für eine Bevölkerung von nahe an eine Million Menschen. Alles, was nur die wärmere Hälfte der gemäßigten Zone hervorzubringen vermochte, gedieh hier vortrefflich: Getreide, Weizen, Hafer, Hülsenfrüchte in erster Reihe, dann auch Weinstock und Oelbaum, Feigenbaum und Zuckerrohr, Citrone und Orange, Pflaume, Kirsche und Pfirsich, Banane und Johannisbrodbaum, ferner die vielen Gemüsearten, die hier noch wild wachsen, wie Spargel, Artischocken, Kohl, Kapern, Portulak und Kresse, Salbei und Majoran. Diese Gewächse blieben sich beständig gleich, ebenso das vielartig blühende Gebüsch mit würzigem Laube, das in den Thalschluchten und an ihren Abhängen sich drängt, Oleander und Myrthe, Arbutus und Lentiscus, Wachholder und Mastix, ebenso der liebliche Blumenteppich, der mit immer frischem Reize die Fels- und Berghalden schmückt, Rosen und Jasmin und vor Allem die einheimischen Knollengewächse, die ganze Strecken überziehen, Tulpen und Hyacinthen, Narcissen und Tazetten, Crocus und Anemonen. Cypern trägt Producte von allen drei Erdtheilen, denen es nahe liegt.

Was Wunder, daß die Griechen die Insel, wo schon in urältester Zeit der sinnliche Liebescultus der phönicischen Astarte heimisch war, zur Heimath und Lieblingsfrüchte ihrer holdesten Gottheit geweiht hatten! Zu Paphos, Amathunt, Idalia standen ihre heiligen Tempel.

Ein Sagenkreis, aus Liebe und Schönheit gewoben, knüpft sich an den Namen Cypern. Auf Cypern wurde Adonis aus einem Myrthenbaume geboren, in welchen seine Mutter von der Aphrodite verwandelt worden. Dem Adonis wurde ein Tempeldienst bis tief nach Asien hinein gewidmet. Auf Cypern war es, wo König Pygmalion in heftigster Liebe zu einem Götterbilde entbrannte, „wo er einst mit flehendem Verlangen den Stein umschloß, bis in des Marmors kalte Wangen Empfindung glühend sich ergoß“. Nach seinem Sohne Paphos nannte Aphrodite ihren Lieblingssitz auf Cypern, wo ihr marmorner Tempel ragte und ihr die Grazien das Bad bereiteten. Nirgendwo anders feierte auch Bacchus glühendere Feste als auf Cypern, dessen Wein vor allen anderen als der Schöpfer „seliger Tagesträume“ gepriesen ward.

Wegen seines Reichthums wurde Cypern, die „Perle des Mittelmeeres“, seit vier Jahrtausenden von allen Machthabern begehrt, erobert und bis zur Verwüstung ausgesogen. Die Eroberer wechselten hier in wüster Herrschaft: Phönicier, Syrier, Griechen, Perser, Aegypter, Römer, Byzantiner, Araber, Franken und Normannen, Genuesen, Venetianer waren wechselnd die Herren des Landes, und seit drei Jahrhunderten liegt es unter dem Todesschatten des Halbmondes ohne Wandel, ohne Hoffnung. In allen Perioden dieser verschiedenen Beherrscher hat das Schwert hier entsetzlich gewüthet, und immer wieder wurden die kaum vernarbten Wunden von Neuem aufgerissen, während der besseren Zeiten der Blüthe nur wenige waren.

Wir schließen die Augen vor den stets blutigen Eroberungen und der Ausbeutung Cyperns im Alterthume. Nur Eines sei hervorgehoben. Die Mystik des phönicischen Astarte-Cultus, die von den Griechen in den schönen Tempeldienst der Aphrodite, von den Römern in den der Venus Cypria verwandelt wurde, ward hier endlich Madonnen-Cultus.

Es war um die vierziger Jahre nach Christi Geburt, als die Apostel Paulus und Barnabas, letzterer selber ein Cypriot, auf der Insel das Evangelium predigten, und das Volk taufte die Mutter Gottes, die Jungfrau Maria, auf den Namen „Aphroditissa“. Noch heute legt dieser Name Zeugniß ab von der Naivetät, mit welcher man bei Einführung des Christenthums die alte Göttin Astarte die zweite große Wandelung durchmachen und die Cypria zur Jungfrau Maria erheben ließ. Was heute an kleinen antiken Aphroditefiguren ausgegraben wird, verehrt der kindliche Sinn des Volkes und seiner Geistlichen ohne weiteres als Madonnenbild, als allerheiligstes Mutter-Gottesbild, als „Panhagia“. – Vielleicht ebendarum machte das Christenthum dort nur desto raschere Fortschritte. In kurzer Zeit brachte man es auf dreißig Bisthümer; die Insel wurde ein wahres Heiligenland. Barnabas, Lazarus, Heraklides, Hilarion, Spiridion, Epiphanes, Johannes Lampadista, Johannes der Almosenier, Katharina, Akona, Maura und noch eine lange Reihe von Heiligen beiderlei Geschlechts stehen im Kalender, die alle aus Cypern stammen.

Nach der Theilung des römischen Reiches kam die Insel unter die Herrschaft byzantinischer Statthalter, die sie mit der Willkür des Raubbaues ausbeuteten, bis endlich Comnenus der Erste sie zu einem unabhängigen Königreiche erhob, das sich bis in die Zeit der Kreuzzüge erhielt. Cypern wurde nach Stiftung des Tempelherrenordens 1118 der gewöhnliche Aufenthalt der Großmeister, deren letzter, Jakob Molay, bei Aufhebung des Ordens nach Frankreich gelockt und dort 1314 verbrannt wurde. Inzwischen hatte Richard Löwenherz 1191, da König Isaak Comnenus einige Schiffe der Kreuzfahrer feindlich behandelt, die Insel wie im Fluge erobert, nach englischer Weise zu einem feudalen Königreiche umgestaltet und den Titularkönig von Jerusalem, Guido von Lusignan, den Abkömmling eines Geschlechtes, das die schöne Fee Melusine als ihre Ahnfrau nannte, zum König von Cypern gemacht. – Um seinem Königthume die rechte Weihe zu geben, bat der Nachfolger Guido’s den römischen Kaiser Heinrich den Sechsten, sein Lehnsherr sein zu wollen. Heinrich sandte 1197 den Bischof von Hildesheim nach Nicosia, um bei der Krönung des neuen Königs den Treueid entgegenzunehmen. So hat denn auch Cypern eine Zeitlang zum römisch-deutschen Reiche gehört.

Glänzend, wie das Ritterthum, entwickelte sich zur Zeit der Lusignans auch der Handel der italienischen Stadtrepubliken, Pisa, Genua, Venedig, mit der Levante. Die Richtung des Welthandels ging damals vorwiegend vom Morgen- zum Abendlande: die Güter von und für Indien, welche von Karawanen auf die Schiffe umgeladen werden mußten, fanden auf Cypern in Limasol, Larnaka, vor allen in Famagusta die besten Hafen. Das blühendste Leben entfaltete sich hier und in den Landstädten. Nicosia gewann durch Industrie und Reichthum ein bedeutendes Ansehen. Die Goldbrocate von Nicosia, die „draps d’ur de Chypre“, waren hochgeschätzt. Famagusta kannte man weit und breit im deutschen Reiche. Wenn der Kreuzfahrer, der hanseatische Handelsmann, von seinen Erlebnissen erzählte, so blieb der Märchendichter nicht zurück. „Fortunat’s Wunschhütchen und sein immer gefüllter Goldsäckel“ war und ist noch heute eines der beliebtesten und besten Volksmärchen; der Glückliche war Kaufmann in Famagusta.

Aber die Blüthe dieses Handels welkte in der steten Rivalität der Handelsrepubliken und bei dem Aufschwung der großen iberischen Entdeckungen, die alsbald den Welthandel in andere Bahnen leiteten. Im Jahre 1489 legte endlich die kinderlose Wittwe des letzten Königs Jakob des Zweiten von Cypern, Katharina Cornaro, die hochgefeierte Schönheit, die Krone nieder; sie mußte die ganze Insel ihrer Vaterstadt Venedig schenken, damit die Flagge von San Marco dieselbe decke. Die schöne Königswittwe wird uns oft vor Augen geführt. Wer kennt nicht Lachner’s, Halevy’s melodienreiche Opern „Katharina Cornaro“ und „Die Königin von Lusignan“ – wer nicht das üppige, farbenprächtige Bild Markart’s?

Die Schenkung hatte einen unermeßlichen Werth, aber der Wurm saß schon an der Blüthe. Venedig behielt Cypern nur bis 1571.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 546. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_546.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)