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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Larboard. Soll indeß das Schiff mit dem Buge (Vorderteil) eine Richtung nach rechts machen, so ist das Steuercommando „Backbord“, worauf der Steuernde das Kommando zu wiederholen und gleichzeitig die Ruderpinne durch Drehung des Rades nach betreffender Richtung zu bringen hat. Das Schiff folgt nun auch dem Drucke des Steuers, je nach der Fahrgeschwindigkeit (je mehr Fahrt, je mehr Druck) und beschreibt in einem Bogen, dabei immer nach vorwärts gehend, die Abweichung vom früheren Course. Hat das Schiff dann beinahe die gewünschte Richtung erhalten, so commandirt der Wachhabende wieder „stützen“ (steady), und das Schiff hört auf, sich mit der vorhergehenden Schnelligkeit nach rechts zu wenden. Ist es jedoch erforderlich, daß es sogleich in der befindlichen Richtung verharre, so muß die Pinne etwas entgegengesetzt, nämlich nach Steuerbord gewendet werden, um den noch wirkenden Druck nach rechts hin zu überwinden. Liegt das Schiff auf der gewünschten Richtung, so wird das Ruder wieder zur Mitte gebracht und so bis auf weiteres Kommando erhalten. Dasselbe Manöver geschieht, nur in umgekehrter Weise, will man nach links oder Backbord ausweichen.

Die sämmtlichen Ausführungscommandos in der deutschen Marine, in den verschiedenen Manövers, als Segel-, Boots-, Gefechtsmanöver etc. sind durchgängig so präciser, genau verständlicher Art, daß ein Mißverständniß in der Ausführung derselben fast nicht möglich erscheint. Man wird dies um so mehr anerkennen, wenn man bedenkt, wie viel Schwierigkeiten es gekostet hat, dieselben in die hochdeutsche Sprache zu übersetzen und sie zu dem kurzen und bündigen Gebrauche der Nautik zu vervollständigen.

Seit unsere Marine überhaupt eine Bedeutung erhalten hat, ist von Seiten der Admiralität und des hohen Officiercorps alles nur Mögliche geleistet worden, um dieselbe nicht nur betreffs der Qualität der Schiffe, sondern auch hauptsächlich in der Ausbildung der Officiere und Mannschaften anderen Nationen gleich zu bringen, womöglich dieselben zu überflügeln.

Ein Umstand jedoch, und zwar derjenige, welcher bei der jetzigen entsetzlichen Katastrophe wahrscheinlich die Hauptrolle spielte, ist bis jetzt merkwürdiger Weise unbeachtet geblieben, und das ist erstens unsere nicht ganz unmißverständliche Rudercommando-Sprache und zweitens der fast durchgängige Mangel einer Verbindung des Steuerruders mit der Commandobrücke.

Die Seele des ganzen Schiffes ist das Steuer. Nicht nur bei gefährlicher Situation im beschränkten Fahrwasser, bei Passirung von Klippen, Sandbänken oder gefährlichen Einfahrten der Häfen, hauptsächlich im Gefechte und namentlich bei der neuen Art des Seegefechtes spielt die Steuerfähigkeit des Schiffes und die möglichst geschickte Hantirung desselben eine Hauptrolle. Wie man früher darauf bedacht war, bei der Eröffnung eines Seegefechtes dem feindlichen Schiffe die Steuerfähigkeit durch Verkrüppelung der Takelage zu nehmen, um es dadurch bewegungslos zu machen, so ist man noch heutigen Tages darauf bedacht, den Gegner auszumanövriren, nur mit dem Unterschiede, daß bei heutiger beiderseitiger Verwendung der Dampfkraft und der schweren Verpanzerungen es viel schwieriger ist, ein Schiff durch die Thätigkeit der Artillerie auf diesen erfolgreichen Punkt zu bringen. Man sucht sich gegenseitig durch verschiedene Wendungen und Stellungen zu täuschen, um vorkommende Blößen zu benutzen und sodann durch concentrirte Breitseitlagen der Geschütze, oder durch Anwendung des Stoßes in den Grund zu bohren. Nur die größere Fahrgeschwindigkeit und damit bessere Steuerfähigkeit eines Schiffes sichert seine Ueberlegenheit über den Gegner.

Um ein feindliches Schiff durch das eigene, durch Anwendung des Stoßes oder Rammes in den Grund zu bohren, ist vor allen Dingen peinlich genaue Führung des Steuers und natürlich auch richtige Verwendung des günstigen Augenblickes erforderlich. Der geringste Fehler hierbei, das geringste Mißverständniß oder eine nicht correcte Ausführung des Rudercommandos kann verhängnißvoll werden.

Eben deshalb ist die Art der Aussprache der Rudercommandos von Seiten des Commandirenden von so außerordentlicher Wichtigkeit. Der Engländer z. B. sagt nie im Rudercommando Starboard, sondern Stabe. Er verschluckt die eigentliche Endsilbe und schafft dadurch ein nicht zu verkennendes Stichwort. Ebenso heißt es im entgegengesetzten Falle nicht Larboard, sondern kurzweg Board. Eine Verwechselung kann bei ihm daher schwer vorkommen. Bei uns dagegen endigen beide Rudercommandos mit gleichlautenden Schlußsilben, als Steuerbord, Backbord. Hier ist die Möglichkeit eines Mißverständnisses nicht ausgeschlossen. Es kann durch vielleicht nicht deutliche Aussprache des Commandos von Seiten des Commandirenden oder durch größere Störungen für das Ohr, wie starken Wind, Artilleriefeuer oder plötzliches Oeffnen des Dampfventils verursacht werden. Allerdings muß der Commandirende entweder die Nichtbefolgung des gegebenen Befehls oder die falsche Ausführung desselben sofort durch die Beobachtung des Schiffes erkennen, jedoch kann durch die noch so geringe Zeitversäumniß bei wenig Abstandsdistance der kleinste Fehler in Führung des Steuerruders verderbliche Folgen für das eine oder andere Schiff herbeiführen. Diese Möglichkeit begründet hinlänglich die Forderung, daß die Rudercommandos weniger mißverständliche und schärfer begrenzende werden.

Eine andere praktische und gewiß nothwendige Verbesserung hinsichtlich der richtigen Steuerung eines Schiffes und der Vermeidung von Collisionen ist, wie gesagt, die Verbindung der Commandobrücke mit dem Steuerrade oder vielmehr die directe Anbringung der Steuervorrichtung auf der Commandobrücke selbst. Diese Einrichtung existirt teilweise schon, namentlich bei Dampfern der Handelsmarine, welche auf beschränktes Fahrwasser angewiesen sind, z. B. meistens bei den großen amerikanischen Flußdampfern des Mississippi und des Hudson; man hört auch dort in neuerer Zeit verhältnißmäßig wenig von vorkommenden Collisionen. Dies leuchtet ein; denn neben dem Vortheile der freien Aussicht wird dem Commandirenden Gelegenheit gegeben, die verderbliche Krisis zu vermeiden.

Daß ich den Finger auf die wirkliche Wunde lege, dafür ist wohl der genügende Beleg nachstehender Passus aus dem Bericht des Contreadmiral Batsch an die kaiserliche Admiralität in Sachen der Katastrophe: „Ueber die Ursache der Collision,“ sagt der Genannte, „lasse ich alle Beteiligten vernehmen und kann hier nur kurz anführen, daß ein Befehl des Wachhabenden, Backbordruder zu stützen und dasselbe Steuerbord zu legen, falsch verstanden, und statt Steuerbord hart Backbord gelegt wurde, auch das Rückwärtsgehen der Maschine nichts mehr fruchtete.“ Unerklärlich bleibt dabei immer noch, daß trotz allen Rufens des Wachhabenden und der mehrmaligen Wiederholung des Rudercommandos: „Steuerbord“ die Steuernden und namentlich der Steuermannsmaat ihres Irrthums nicht gewahr wurden, im Gegentheil das Ruder so lange nach Backbord drehten, bis dasselbe eben nicht weiter ging. Das einzige Annehmbare ist, daß dieselben, für den Augenblick der Gefahr kopflos geworden, die Richtung verwechselt und das wiederholte Rufen nur für das Gebot der Beschleunigung in der Ausführung ihres Manövers gehalten haben.

Zum Schluß sehe ich mich als deutscher Seemann noch veranlaßt, über die Kritik der englischen Presse Einiges zu bemerken. John Bull, der sich selbst hinsichtlich der Macht und Stärke seiner Marine für unübertrefflich hält, hat nicht ermangelt, unser erstes derartiges Unglück durch seine mit hochtönenden Namen versehenen Fachmänner kritisiren zu lassen, welche denn auch sofort mit unfehlbarer Fachkenntniß zu dem Resultat kamen, daß die stattgefundene Collision dem fehlerhaften System der deutschen Flottenformation im Segeln zur Last zu legen sei.

Ist das englische System englischen Begriffen zufolge allein maßgebend, so begreift man allerdings schwer, warum trotzdem die Collision von Schiffen der englischen Marine keineswegs zu den Seltenheiten gehört, und man möchte daher den kritisirenden Fachmännern nur rathen, die verschiedenen Untersuchungsacten im Archiv der englischen Admiralität über diesen Artikel einer genauen Prüfung zu unterwerfen, um die Gründe und Ursachen dieser unter ihrem musterhaften System der Flottenformation vorkommenden Katastrophen zu erforschen. Wir unterlassen hier die Aufzählung von englischen Flotten-Mißgeschicken, und wollen nur an den vor nicht langer Zeit erfolgten Untergang des Schiffes „Banquard“ durch Zusammenstoß mit dem „Ironduck“ und an das Verschwinden des englischen Panzerschiffes „Capsen“ in der Bizcayabucht (1865) erinnern; wir sind überzeugt, daß für Jedermann daraus zur Genüge hervorgehen wird, daß das englische Mustersystem keineswegs unfehlbar ist und Unglücksfälle nicht ausschließt.

Oscar Pollmächer,
Bootsmannsmaat und Exercirmeister der Marine in Reserve.



Blätter und Blüthen.

Der Spiritismus im Dienste einer – katholischen Hierarchie! Unsere Leser wissen bereits, daß Amerika, die Heimath der Yankees und der Carpet-Beggars, das gelobte Land des Geisterspuks ist. Dort giebt es nunmehr gegen hundert spiritistische Zeitungen, welche, wie die Abonnementseinladungen besagen, „eine reguläre, intelligente Communication mit hingeschiedenen Bekannten und Verwandten etabliren und als Familien-Praxis unterhalten“. Das Organ, dem wir dieses Citat ablauschen, nennt sich „Medium und Tageslicht“. Eine katholische Convocation von Bischöfen zu Baltimore (am 31. Januar 1873) gab Veranlassung zu constatiren, daß in den betreffenden Diöcesen sich zehn Millionen Spiritisten, darunter fünfzigtausend Medien befänden, während die Romanisten und Protestanten zusammen nur acht Millionen mit fünfundvierzigtausend Priestern zählten. Man hob hervor, daß der Spiritismus nicht mehr als eine lose Masse von „Manifestationsgläubigen“ zu betrachten sei, sondern als eine religiöse Körperschaft, welche einem ausgesprochenen und durch Dogmen festbegrenzten Glauben anhingen. Jüngst nun lasen wir einen Aufsatz, betitelt „Eine wissenschaftliche (das heißt statistische) Betrachtung des Spiritismus“. Aus diesem geht das Ueberraschende hervor, daß die römisch-katholischen Machthaber Amerikas aus Opportunitätsgründen den Spiritismus als eine Institution der „römischen Weltgemeinde“ anerkennen! Und es ist, abgesehen von dem citirten Blatte, sicher, daß sowohl drüben wie hüben die katholische Kirche den spiritistischen Schwindel nicht nur beschönigt, sondern eigene Medien erzieht, um sie für ihre hierarchischen Zwecke zu benutzen – ein schönes Seitenstück zum Unfehlbarkeitsdogma und der Marpinger nebst anderen Jungfrauenerscheinungen in unserer so confusen Zeit!



Kleiner Briefkasten.

Faithful friend of the „Gartenlaube“. So gern wir Ihnen den Freundschaftsdienst erwiesen – es ist unmöglich. Bei unserer stark in Anspruch genommenen Zeit können wir solche Beiträge, deren Aufnahme in unser Blatt sich aus inhaltlichen oder räumlichen Gründen von vornherein verbietet, einer Prüfung nicht unterziehen, geschweige denn, wie Sie wünschen, ausführlich beurtheilen. Ihre Novelle wächst weit über die Grenzen hinaus, welche wir dem erzählenden Genre stecken müssen. Verfügen Sie also gütigst über das Manuscript!

P. R. in K. Im Jahrgange 1872.

C. M. in Dr. Wir müssen freilich zugeben, daß der Preis von fünfzehn Mark für eine Drahtnetzmatratze kein überschwänglich hoher ist.

R. F. in Berlin und Seb. Korn in Oelsnitz Ungeeignet! Verfügen Sie gefälligst über das Manuscript!

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 520. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_520.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)