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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

„Erek“ von Hartmann von Aue heißt es: „Der beste Zobel von der Welt komme von Conneland, dessen Herrscher der Sultan sei und das rings umschlossen werde vom Lande der Griechen und der Heiden“. Der Dichter meint damit wahrscheinlich Iconium, ein Stadtgebiet Kleinasiens. Sonst waren die weiten russischen Wälder und Steppen seine Heimath.

Auch Schlangen- und Fischhäute lieferten in seltenen Fällen den Stoff zu Kleidern.

Man liebte im Mittelalter die schreienden Farben und schwärmte für grelle Contraste und bunte Farbenverbände. Um diesen Zweck zu erreichen, wurden die Kleider oft aus Stücken Zeuges von verschiedener Farbe zusammengenäht. Man theilte dann den Rock der Länge oder der Breite nach in zwei farbig total verschiedene Hälften, ja ging sogar vor bis zu einer vierfachen Theilung, sodaß des Kleides Träger das Aussehen eines wandelnden quadrirten Wappens boten, was noch mehr der Fall war, wenn man, fränkischer Sitte folgend, auch noch den Löwen oder Greifen des eigenen Hauswappens in die bunten Felder stickte. Selbst in den Stoffen suchte man geflissentlich eine Verschiedenheit. Die Männer fingen im dreizehnten Jahrhundert gar an, ihre Röcke zu zerstücken und zu zerschlitzen und sich mit Schellen zu behängen. Es war vielleicht das einzige Mal in der Geschichte, daß sie eine Modethorheit für sich allein behielten, denn die Frauen folgten ihnen darin nicht nach. Dagegen wahrten diese in dem Anheften mächtiger Schleppen bei Festen und Tänzen von der Edelfrau bis zur vermögenden Bäuerin sich eine Specialität, die ihnen die Männer nicht nachmachen konnten. Sie thun ihnen deshalb auch den Tort an, immer wieder auf diesen weiblichen Vorbehalt zurückzugreifen.

Die Farben wurden oft zu Fühlern und Deutern heimlicher Neigung. Namentlich die Männer trugen ihre Röcke gern in den Lieblingsfarben der Geliebten. Sie suchten, wahrten oder erlogen auch wohl damit die Gunst der Frau. Dann bildete sich auch im Zeitenlaufe eine Farbensymbolik aus, die sich theilweise noch in neuester Zeit, namentlich in den Kreisen unserer aufblühenden Jugend, Geltung zu verschaffen weiß. Ein allegorisches „Jagdgedicht von der Minne“ von Hadamar von Laber deutet im sechszehnten Jahrhundert die Farben dahin, daß Grün der Minne Anfang, Weiß deren Hoffnung, Roth ihre brennende Gluth, Gelb ihre Erhörung und Erfüllung, Blau ihre Treue und Schwarz ihren Verlust anzeige. So wurde auch die Liebe im goldenen, Ehre im rothen, Trauer im schwarzen, Beständigkeit im blauen und Mäßigkeit im weißen Gewande allegorisch vorgeführt. Schwarz war auch im Mittelalter die Farbe der Trauer.

Handschuhe trugen die deutschen Frauen schon im achten und neunten Jahrhundert. Auch sie unterlagen einer sich steigernden Vervollkommnung. Sie wurden namentlich die Basis für allerlei Zierrath und Schmuck. Schon im elften Jahrhundert wurden sie mit bunter Stickerei, mit Perlen und Edelsteinen versehen. Ihr Stoff ist Seide oder feines Leder, und sie bedecken oft den ganzen Unterarm.

Die Strümpfe – wir müssen der Vollständigkeit halber auch bis zu diesen hinabsteigen – treten als Bestandtheil der Frauenkleidung wenigstens bereits im zehnten Jahrhunderte in die Erscheinung. Ihre Farbe war weiß, roth oder grün, der Stoff Wolle oder Seide.

Auch die Schuhe haben ihre Entwickelungsgeschichte. Anfangs nur ein Lederstück ohne Sohle, von Riemen zusammengehalten, gewinnt der Schuh mit der hinzukommenden Sohle auch eine größere Länge, ja streckt sich bis zum unförmlichen Schnabelschuh, der weit über die natürliche Grenze des Fußes hinausragt. Fester dem Fuße angeschmiegt bedarf er der Riemen nicht mehr. An die Stelle des früher dazu verwendeten deutschen Schafleders tritt das feine spanische Corduanleder, das auch in deutschen Städten, besonders in Zürich, nachgemacht wurde.

Das Haar pflegten die deutschen Frauen in der Mitte zu scheiteln und durch ein Band zu fesseln. An den Schläfen und Wangen hernieder ließ man geringelte und mit bunter Borde durchflochtene Locken fallen oder legte sie um Wange und Stirn herum, wie ein Diadem. Das Durchflechten des Haares mit Seidenfäden geschah, um seinen Glanz zu erhöhen. Auch auf das Brennen der Locken verstand man sich. Das andere ungelockte Haar fiel lose oder in langen Zöpfen den Rücken hinab. Die Zöpfe wurden mit Goldfäden, Borde und Perlen durchwoben, und dann zur besseren Schau wohl vorn über die Brust gelegt. Schon im dreizehnten Jahrhundert fing man an das Haar hinten aufzubinden, gegen welche Nachäffung französischen Brauchs die Dichter, wie der patriotische Walther von der Vogelweide, tapfer schmähend zu Felde zogen, so vergeblich wie Alle, die den Kampf aufnahmen wider die Thorheit der Mode. Fest und Tanz sahen die Jungfrau im Kranze, die edle Frau im Goldreif. Das Oberhaupt bedeckte züchtig das Schleiertuch, das faltig herniederfiel auf Schulter und Nacken, weiß von Farbe, von Linnen oder Seide, oft reich gestickt. Später, im fünfzehnten Jahrhundert, diente es zugleich als Brusttuch. Der Luxus, der mit den Schleiern später getrieben wurde in Stoff und Verzierung, regte gar manchen hochweisen Magistrat an zum Erlaß einer Schleierordnung wider die putzwüthigen Bürgerinnen der Stadt.

Die züchtige deutsche Hausfrau verhüllte aber noch außerdem Wange, Stirn und Kinn mit dem „Gebende“, das heißt mit zwei Binden aus gleichfalls weißer Leinwand oder Seide, davon die eine die Stirn bedeckte (die sogenannte Wimpel), die andere Kinn und Wange (die sogenannte Nise).

Zur Bedeckung des Kopfes außer dem Hause trugen die Frauen Hüte von so mannigfach wechselnder Form, daß sich ein Grundtypus nicht wohl feststellen läßt.

Einen reichen Bestandtheil des fraulichen Schmuckes bildete das Geschmeide, das aus Erz und Bronze zu Silber und Gold sich wandelte. Vor Allem und zumeist waren es Spangen, in der mittelalterlichen Sprache Baugen, welche in der ausgiebigsten Weise zur Verwendung kamen, am Unter- und Oberarm, am Hals und, wie wir bereits sahen, zum Verschluß des Mantels. In den Truhen lagen sie reihenweis geschichtet, um an einkehrende Gäste oder auch zum Dank für Bewirthung und treue Dienste verschenkt zu werden.

Als Brustschmuck dienten zu Ketten gereihte Ringe, welche vom Halse herabfielen. Auch Brochen kannte man selbst dem Namen nach bereits. Sie wie die Gürtelschnallen boten der Kunst des Goldschmiedes und des Steinschneiders reiche, wohlbenutzte Gelegenheit, sich schöpferisch zu entfalten. Auch das „Danziger Harz“, der Bernstein, wurde, künstlerisch gestaltet, als Schmuck an Hals und Brust getragen. Ohrringe und Fingerringe bedürfen noch der Erwähnung. Die letzteren machten eine stufenweise Entwickelung durch, vom einfachen Gras- und Strohring bis zum edelsteingeschmückten Goldreifen.

So haben wir die Kleidung und den Schmuck der Frau des deutschen Mittelalters vom Scheitel bis zur Sohle in kurzen Zügen angegeben. Am Schlusse wollen wir noch einmal dem Dichter das Wort gönnen zu einer zusammenfassenden Schilderung. Es ist Hartmann von Aue, der in seiner erzählenden Dichtung „Erek“ die Bekleidung der anmuthigen Enite durch die Hand ihrer königlichen Herrin also wiedergiebt:

„Sie hüllte selbst mit ihrer Hand
Die Jungfrau in ein Hemde ein,
Das glänzte von weißseid’nem Schein.
Auf’s Hemde einen Rock sie legte,
Der viel Bewunderung erregte;
Er war geschnitten von Meisterhand,
Nach Moden aus dem Frankenland,
War nicht zu enge noch zu weit.
Von grünem Sammet war dies Kleid,
Mit spannenbreiter Kante;
Die Schnüren am Gewande
Von gold’nen Fäden schön gewunden,
Auf beiden Seiten angebunden
Zum Schnüren fest an Saumesrand
Von rechter und von linker Hand
Um ihre Taille zart.
Dann Frau Eniten ward
Ein span’scher Gurt herumgelegt,
Den jede Frau so gerne trägt,
Und eine Broche wohl handbreit
Stak vor der Brust ihr in dem Kleid –
Das war ein gelber Rubinstein – –
Sodann ein Mantel lang und schwer –
Das Futter war von Hermelin,
Ein reicher Stoff der Ueberzug;
Besetzt war’s königlich genug
Mit Zobelfell bis an die Hand.
Zusammen hielt ihr Haar ein Band,
Das nicht zu schmal, zu breit nicht war,
Kreuzweise sich schnitt über’m Haar.
Gar prächtig schien das Kränzelein,
Daß es nicht besser konnte sein.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 511. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_511.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)