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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

in dem kleinen Flecken Borgå, den er fast nie verlassen herangereift. Alles, was edel und erhaben ist, das „Ideale“ im Menschen, das schmückt seinen Gesang mit unvergleichlichem Zauber. „Möchten,“ so schloß der Redner mit einer geschickten Nutzanwendung, „die unsterblichen, ewig im Munde der Finnen wie der Schweden fortlebenden Gesänge Runeberg’s für alle Wechselfälle der Zeiten ein unzertrennbares Band zwischen beiden Nationen bilden, sie immer an ihre geistige Zusammengehörigkeit mahnend.“ Ein reizendes Gedicht zu Ehren des großen Dichterkönigs, von einem Studenten verfaßt und vorgetragen, beschloß würdig diesen Theil der Feier.

Nun folgte eine tiefempfundene Ansprache von einem Docenten, dem Gedächtnisse der im vergangenen Jahre gestorbenen Professoren von Lund geweiht, eine gleiche auf die an dem rechten Bautasteine verzeichneten Namen, ein Toast auf die Schwesteruniversitäten und zum Schlusse ein Hoch auf die anwesenden Vertreterinnen des schönen Geschlechtes. Damit war denn das officielle Fest zu Ende und Rede- und Rauchfreiheit stillschweigend proclamirt. Die Damen erhoben sich von ihren Plätzen, oder wurden vielmehr buchstäblich hinausgeraucht.

Weniger wurde an diesem Tage die Redefreiheit ausgebeutet, wohl weil durch die Runeberg-Feier das officielle Sprechen länger als gewöhnlich gewährt hatte. Bis zum frühen Morgen blieb doch der größere Theil der Versammlung in heiterster Stimmung beisammen, der langen Feier der Vergangenheit die längere der Gegenwart folgen lassend. Ein eigenthümlicher Umstand, von dem jungen Dr. Esaias Tegnér, dem Enkel des großen Dichters, zuerst bemerkt, war, daß an diesem Abende zwei Tegnér-Uebersetzer zugegen waren, ein Amerikaner Mr. Holcomb, der die „Frithjofsage“ in’s Englische übersetzte, und der Schreiber dieser Zeilen, welcher „Axel“ verdeutschte.[1] Wir tranken gemeinschaftlich ein Skål (Hoch) dem Andenken des großen Bischofs, und auch der Amerikaner mußte sein Glas bis auf den letzten Tropfen leeren. Freilich trinken wir Fremden immer mit saurer Miene süßen Punsch, wenn es sich um größere Quantitäten handelt. Der schwedische Student dagegen verträgt bei solchen Gelegenheiten Fabelhaftes von diesem edlen Gebräu. Sein eigenartiges Bier nimmt er gemeiniglich nur zum Essen, einen alkoholreichen, süßlich schmeckenden Stoff, uns Deutschen ebenso wenig zusagend wie das Bier der Italiener.

Der akademische Bürger als solcher weicht in Schweden – wenn er seine Mütze abgenommen hat, die für alle Inscribirten der gleichen Universität dieselbe Form und Farbe hat – gar nicht von anderen Menschen ab. Verbindungen wie unsere Corps und Burschenschaften existiren in Schweden nicht; farbige Bänder sieht man dort nirgends. Wohl aber giebt es „Landsmannschaften“, wenn auch ohne äußere Abzeichen und im strengen Sinne des Wortes. Jeder neu auf die Universität kommende Student ist nämlich genöthigt, sich einem Vereine anzuschließen, der, aus allen aus der gleichen Provinz stammenden Studirenden bestehend, einen selbstgewählten ordentlichen Professor zum Präses und einen Docenten zum Curator hat. Diese Einrichtung hat den Vortheil, daß der „Fuchs“ sofort in neue Beziehungen zu seinen alten Schulcameraden tritt, die ihm mit Rath und That zur Seite stehen.

Während also unsere deutschen Verbindungen als „freiwillige“ erscheinen, sind die schwedischen obligatorische, auf der anderen Seite ist aber das Leben in den nordischen Vereinen selbst ein völlig freies. Kneip- und Paukzwang existiren nicht, während ja in unseren Verbindungen für jede einzelne mehr oder weniger obligatorische Vorschriften bestehen. Freilich finden sich in Schweden nur zwei, in Norwegen und Dänemark je eine Universität, sodaß das Provinzial- resp. Landsmannschaftssystem unschwer durchzuführen ist.

Die große Vorliebe der Schweden für den Quartettgesang ist bekannt. So hat auch jede einzelne Landsmannschaft ihren Gesangverein, und alle gesangstüchtigen Studenten zusammen bilden wieder den großen Gesangverein der Universität. Jede einzelne Abtheilung schult sich zum Gesang zunächst in sich, und nirgends hört man von frischen Studentenkehlen so musterhafte Soloquartette, wie in Upsala oder Lund. In dieser Beziehung giebt es für uns Deutsche auch noch etwas zu lernen, und zwar von einem Lande, bei dessen Nennung viele Leute ein kalter Schauer durchrieselt und von dem Mancher noch allen Ernstes glaubt, daß die Bären auf den Straßen der Städte wie Hunde umherlaufen.

Dr. Max Vogel.


Unser Strandbild. (Mit Abbildung S. 433.) Die drastische Situation, die der Künstler uns mit keckem Humor und munterer Grazie in unserem heutigen Bilde vorführt, wird in diesen warmen Sommertagen vielen unserer Leser, die städtemüde am lustigen Seegestade weilen, eine häufig erlebte geworden sein. Man möchte hinaussegeln auf die wogige, schaukelnde Salzfluth, den am Kiel zerspritzenden Wassern lustig entgegen; man möchte im süßen Nichtsthun sich schaukeln und so mit schweifendem Blicke den Seevögeln folgen, wenn sie pfeilschnell über der Tiefe hinschießen; man möchte – – ja, aber wie in’s Boot gelangen? Die böse Ebbe, die das Uferwasser so seicht macht, daß das Fahrzeug, wie in Quarantaine, weitab vom Lande Posto fassen muß! Da steht nun in den Wellen der wackere „Meermann“, mit dem biederen, von der Salzluft durchgerbten Seemannsgesicht, der alte Fischer Peter Podäus oder wie er sonst heißen mag; er ist bereit, Eines nach dem Andern durch die Brandung in’s Boot zu tragen, so Männlein wie Weiblein. Ob sie sich seinen kräftigen Cyklopenarmen anvertrauen wird, die schüchterne junge Frau von den Ufern der Spree oder der Isar?


Instinct oder Ueberlegung? Als hübschen Beitrag zu diesem Capitel theilen wir Nachstehendes mit. „In unserem elterlichen Hause in Magdeburg“ – so schreibt uns Herr Aug. Fischer aus Halle an der Saale – „befand sich ein geräumiger Gartensaal, welcher in der besseren Jahreszeit als beständiger Aufenthalt der Familie benutzt wurde. Auch die Mittags- und Abendmahlzeiten wurden in demselben eingenommen, wobei die Flügelthüren nach dem Garten beständig offen standen. Eines Tages nun erschien, während die Familie beim Mittagsbrod saß, ein Schwalbenpärchen im Saale, flatterte längere Zeit wie prüfend an der mit reicher Stuckarbeit versehenen Decke umher, verschwand, kam wieder und wählte endlich die eine Ecke des Saales zur großen Freude und zum großen Jubel von uns Kindern zum Nestbau aus. Die Schwalben ließen sich durch die lauten Aeußerungen unseres Entzückens nicht im Geringsten stören. Ja, die schnelle Herstellung einer leichten Bedachung über einer in derselben Ecke des Saales stehenden größeren Gypsfigur, um diese vor dem Beschmutztwerden zu schützen, irritirte die Schwalben durchaus nicht. Aber leider hatten die Thierchen Unglück beim Bau, denn was sie heute gebaut hatten, fiel am andern Tage wieder ab. So ging es etwa vierzehn Tage lang, und der Nestbau kam nicht von der Stelle.

Da erschienen mit einem Male während der Mittagszeit fünfzehn bis zwanzig Schwalben, flatterten schreiend und lärmend an der Decke des Saales umher, besahen die Unglücksstelle, flogen eine nach der anderen fort, kamen mit Baumaterial in den Schnäbeln zurück und begannen gemeinschaftlich den Bau des Nestes. Dasselbe hielt diesmal fest, war am dritten oder vierten Tage fertig und wurde die Heimathsstätte von fünf Schwälbchen.

Das unglückliche Schwalbenpaar muß doch seine Noth den Gefährten geklagt haben. Weshalb sollten diese sonst gekommen sein? Ob die zu Hülfe gerufenen Schwalben etwa ältere, erfahrene, unser Pärchen ein unerfahrenes, junges gewesen – ob jene ein anderes Material als dieses Pärchen zum Bau benutzt haben, oder ob die vermehrten Kräfte den Bau gesichert und gefördert: das sind Fragen, welche ich nicht zu beantworten vermag. Jedenfalls ist aber wohl die Annahme gerechtfertigt, daß die Schwalben in diesem Falle mit Ueberlegung gehandelt hatten.“


Für die Hinterlassenen der verunglückten Seeleute vom „Großen Kurfürsten“

gingen ein: Verlagsbuchhandlung der „Gartenlaube“ M. 200. – Dr. Ernst Ziel in Leipzig M. 20. – J. M. Gebhardt’s Verlag in Leipzig M. 50. – Alexander Wiede in Leipzig M. 50. – Knorr in Leipzig M. 5. – Gesangsgesellschaft „Frohsinn“ in Chaux de fonds 180 Franken = M. 145.95. – Richard Erhardt in Leipzig M. 5. – Aus Seesen am Harz M. 5. – Aus M.-Gladbach M. 5. – R. S. in Meuselwitz M. 1. – H. W. in Meuselwitz M. 2. – Hilmar Bleyl in Zwickau M. 3. – von S. in Güstrow M. 3. – Fritz Bergen in Leipzig M. 3. – C. F. M. in Mannheim M. 15. – Oberförster Grimmel in Stervold M. 3. – O. Weyhmann in Chemnitz M. 15. – Robert Scharlach in Chemnitz M. 50. – Fr. von W. und Frl. Lina T. zu Gr.-J. M. 30. – Richard Julius Müller in Leipzig M. 10. – F. W. G. in Berlin M. 10. – Karl Opitz in Basel M. 10.

Die Redaction.



Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das zweite Quartal. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das dritte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.


Mit dem nächsten Quartal beginnt die Erzählung

Eine bairische Bauerngeschichte von Herman von Schmid.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.

Die Verlagshandlung.

Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Wir bemerken hier, daß von demselben Autor demnächst eine Uebertragung ausgewählter Runeberg’scher Dichtungen in’s Deutsche (Leipzig, Joh. Ambr. Barth) erscheinen wird.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_436.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)