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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

in das entleerte Zelt schleuderten, um die durch den starken Thau feucht gewordenen Leinwandzelte ’ zu trocknen, so hatte vielleicht keine fünfzig Schritte davon entfernt einer der Köche eben eine schöne Palme gefällt, um sich des jüngsten Triebes, des sogenannten Palmits oder Palmkohles, zu culinarischen Zwecken zu bedienen.

Es ist überhaupt ein interessantes Stück Land, jener an der Grenze der Tropen gelegene Theil der großen transatlantischen Monarchie, wo sich hinter dem breiten Waldgürtel, welcher längs der Küste sich hinzieht und die Abhänge der Serra do Mar bedeckt, die herrlichen Prairien der Campos geraes entrollen, gleichsam als Vorspiel zu den unabsehbaren Pampas der argentinischen Republik. Während weiter nach Süden die Hügel niedriger und niedriger werden, um an den Ufern des eigentlichen La Plata in der trostlosesten Graswüste gänzlich zu verschwinden, erfreuen in jenen Breiten noch kühne Bergformen des Wanderers Auge, oft von mächtigen, wild ausgezackten, an ausgedehnte Burgtrümmer erinnernden Sandsteinnrissen gekrönt, und die Einförmigkeit des graugrünen Grasteppichs wird noch da und dort durch scharf abgegrenzte Waldinseln unterbrochen, die einen Umfang haben, der zwischen wenigen hundert Schritten und einigen Meilen schwankt.

Diese Waldinseln oder Capoes de Mato, wie die Brasilianer sie nennen, erheben sich meistens in den Thalmulden und kleineren Einsenkungen des Bodens, wo die zwischen dem darunterliegenden felsigen Gerüste und den oberen Erdschichten rinnenden Wasser auch während der trockenen Jahreszeit noch einen gewissen Grad von Feuchtigkeit zu unterhalten im Stande sind; seltener sieht man sie auf den eigentlichen Rücken der Hügel, wo sie den Winden zu sehr ausgesetzt sind.

Insel im Iguassú-Flusse (Brasilien).
Nach der Natur aufgenommen von F. Keller-Leuzinger.

Auf diesen wellenförmigen Plateaus scheinen die zum Gedeihen der Palmen und Nadelhölzer nothwendigen Bedingungen vollständig vorhanden zu sein, trotz der in den Monaten Juni, Juli und August öfters unter den Gefrierpunkt sinkenden Temperatur, denn unter dem breiten Schirmdache ausgedehnter Araucarienwälder schaukeln mehrere Arten von Palmen ihre stolzen Wipfel, und zu ihnen gesellen sich, besonders an den Ufern der Bäche, die zarten Fiederkronen der verschiedenartigsten Baumfarne, jener, nächst den Palmen, schönsten aller Pflanzenformen, deren mit bronzefarbenen Borsten und Schüppchen dicht bedeckte, wie das Ende eines Krummstabs spiralförmig aufgerollte Triebe im Centrum der breiten Wedel einen so seltsamen Anblick darbieten. Dazu üppig schwellende Moose, aus deren feuchtem Schooße fingerdicke Schachtelhalme hervorsprießen, dichtverwachsene Bambusarten und dergleichen: dies Alles vollendet ein Vegetationsbild, wie es eigenthümlicher, urwüchsiger nicht gedacht werden kann.

Diese Zusammenstellung von Pflanzenformen gewinnt jedoch ein noch höheres Interesse, wenn wir uns erinnern, daß die Reste jener üppigen Vegetationsdecke unseres Planeten, welche uns in den Steinkohlenflötzen erhalten sind, im Allgemeinen eine analoge Zusammensetzung zeigen. Der Anblick der vorgeschichtlichen Urwälder, wenn es je einem menschlichen Auge vergönnt gewesen wäre, sie zu schauen, muß im großen Ganzen ein ähnlicher gewesen sein, ehe sie entwurzelt und von gewaltigen Fluthen in den Buchten einer tausendfältig zerrissenen Inselwelt zusammengeflößt, schichtenweise von Sand und Schlamm überlagert wurden und unter der Einwirkung eines bedeutenden Druckes im Laufe der Jahrtausende jenen merkwürdigen Proceß durchmachten, durch

welchen uns der an denselben enthaltene Kohlenstoff in beinahe reiner Form erhalten wurde. – Sieht man doch an den Zuflüssen des Paraná sowohl wie an denen des Amazonas auch heute noch häufig genug dieselben Anhäufungen vegetabilischer Stoffe; dort weilt das Auge auf Hunderten riesiger Cederstämme, auf schlanken Palmen und vielknotigem Bambus, und der achtlos aus dem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_429.jpg&oldid=- (Version vom 9.8.2016)