Seite:Die Gartenlaube (1878) 426.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

befindet sich Kudschuk-Hanem, die zwar nur die dritte, folglich die „kleine Gemahlin“ des Khedive ist, aber weit mehr über ihren Gatten vermag, als alle seine anderen Frauen, Odalisken und Sclavinnen insgesammt vermögen, obgleich sie nur wenig durch körperliche Reize ausgezeichnet ist. Sie hat aber Geist, viel Geist, eine bei den Orientalinnen höchst seltene Eigenschaft.

Diese Eigenschaft besitzt indeß auch Teufide-Hanem, die älteste Tochter des Khedive, welche sowohl durch Schönheit wie durch Klugheit sich einen Einfluß erworben hat, der sie zur merkwürdigsten Figur unter den Frauen der viceköniglichen Familie macht. Sie hat röthliches Haar, wie die Schönen Tizian’s, ist üppig und dennoch schlank, von hoher Gestalt; Gang und Haltung königlich. Ihr Teint ist so zart und weiß, daß unsere nordischen Damen sie darum beneiden möchten; ihre Züge sind regelmäßig und von merkwürdiger Schönheit. Unter den kühn gewölbten Brauen ihrer hohen, weißen Stirn leuchten zwei große Augen, deren Farbe unbeschreiblich ist, weil sie mit der sehr wechselvollen Stimmung ihrer Eigenthümerin von dem schönsten Blau in’s Graue und Grünliche übergehen. Schöne Augen sind’s, wenn sie milde Blicke ausstrahlen, furchtbare, wenn sie wetterleuchten. Im Freien trägt Teufide-Hanem entweder Brillen oder einen Zwicker. Daran ist sie, wenn sie in ihrem eleganten Coupé mit den riesigen Eunuchen und den grünen, goldgestickten Vorläufern durch die Straßen Kairos saust, leicht zu erkennen. Diese Brillen sind der alten Königin-Mutter ein Gräuel. Kurzsichtigkeit sei Einbildung, sagt sie, und wenn es auch wirklich Augen gäbe, die nicht viel sähen, so sei das noch immer kein Grund, solche abscheuliche Gläser zu gebrauchen. Alle mohammedanischen Frauen hätten bisher ohne Brillen gelebt und wären glücklich gewesen, und so könne auch Teufide-Hanem ein Gleiches thun. Eine gute Muslimin brauche überdies gar nichts von dem zu sehen, was auf der Straße vorgeht. Diese Meinung scheint nun die ägyptische Königstochter nicht zu theilen. Sie lehnt sich während der Spazierfahrt nie in die Polster ihrer Equipage zurück, sitzt immer ganz aufrecht und mustert die Vorübergehenden mit hohem Interesse. Es sind dies ja auch ihre Unterthanen, deren Geschicke sie, so wunderbar dies auch klingen mag, nicht selten leitet. Ihrer besonderen Aufmerksamkeit erfreut sich ihr Gemahl, über dessen Lebensweise sie bis in die geringfügigste Einzelheit sich unterrichten läßt.

Diese Eifersucht soll ganz ungerechtfertigt sein, denn der dicke Pascha, welcher das Glück hatte, die ägyptische Khedivetochter zu ehelichen, habe, so sagen kundige Leute, gar nicht die Schwäche, sich anderen Frauen zuzuwenden, eine Schwäche, welche zu haben ihm als Gemahl einer fürstlichen Frau auch gar nicht gestattet wäre.

Teufide-Hanem wurde mit Manßur-Pascha, dem Sohne eines Neffen Mohammed-Ali’s, im Jahre 1868 vermählt, als sie selbst achtzehn Jahre zählte. Sie schenkte ihrem Gatten in diesem ersten Jahrzehnt ihrer Ehe drei Kinder, von denen die beiden ersten zwei ungemein reizende Geschöpfe sind. Wer diesen lieblichen Kindern begegnet, wenn sie in ihrer prächtigen offenen Equipage mit ihren Miniaturlakaien spazieren fahren, bleibt unwillkürlich stehen, um die blonden zierlichen Geschöpfe zu bewundern.

Der Luxus Teufide-Hanem’s, oder Madame Manßur-Paschas, wie sich die ägyptische Königstochter sehr gern nennen läßt, grenzt an’s Fabelhafte, an’s Haarsträubende. Wie alle orientalischen Frauen ist Teufide-Hanem ungemein launisch. Bildet sie sich ein, es sei in den Gemächern ihres Gatten weit kühler, als in den ihrigen: flugs müssen dann die zahllosen Möbel ihrer zahllosen Gemächer von dem ersten Stocke in das Erdgeschoß hinunter- und die Ausstattung desselben hinaufgeschafft werden, und zwar in einem Tage. Hört sie von irgend einem in Paris aufgetauchten Stoffe, dessen Nuance oder Gewebe neu ist, so müssen sofort Möbel herbeigeschafft werden, die aus dem neumodischen Stoffe verfertigt sind. Und was für Möbel! Ebenso geht es mit den Toiletten, den Tischgeräthschaften, den Wagen, dem Geschirre der Pferde, kurz mit Allem im Hause und in den Stallungen. Die sogenannten alten Möbel und Geräthe werden in die Daira geschafft, wo alle verpönten Einrichtungen der viceköniglichen Paläste aufgestellt werden. Aus dieser „Rumpelkammer“, in welcher lauter Möbel stehen, wie sich der prachtliebendste Fürst des Abendlandes keine schöneren wünschen könnte, erhalten die Ministerien, die Wohnungen der männlichen und weiblichen Günstlinge des ägyptischen Hofes die glänzendsten Ausstattungen. Nicht mit Unrecht sagt man, die Hareme verzehrten das Mark Aegyptens.

Die nächsthervorragende Persönlichkeit ist Frau Said-Pascha, die Wittwe des früheren Vicekönigs, des Oheims Ismail-Paschas. Sie war zu Lebzeiten ihres Gatten ebenso einflußreich wie schön; jetzt sind Einfluß und Schönheit bis auf wenige Spuren verschwunden. Ihr Antlitz ist noch immer höchst interessant, und die Art, mit welcher der Khedive mit seiner Tante verkehrt, beweist, daß er in ihr die Gemahlin eines Fürsten ehrt. Ihre Wünsche sind ihm Befehle, und auch sonst widmet ihr Ismail-Pascha immer die zarteste Galanterie. So hat der Khedive z. B. bei dem Wohlthätigkeitsbazar, der zu Gunsten der im „Moskovi-Kriege“ verwundeten türkischen Soldaten unlängst in Kairo stattfand, ein geschlossenes Briefcouvert, welches die Worte „de la part de Madame Veuve Saïd-Pacha“ trug, um eine hohe Summe Geldes erstanden, indem er vor aller Welt erklärte, daß ein Geschenk seiner hohen Tante in keine andere Hand gelangen dürfe, als in die seine. Ismail-Pascha öffnete das Couvert vor Aller Augen. Es enthielt ein Päckchen Charpie, welche sinnig genug an die Verwendung der Summe, die für dasselbe ausgegeben worden, erinnerte.

Durch Liebenswürdigkeit und Anmuth zeichnen sich im viceköniglichen Hause die seit zwei Jahren verwittwete Gemahlin Tussum-Paschas, die goldhaarige Fatma-Hanem, eine jüngere Schwester Teufide-Hanem’s, und die schwarzäugige Faika-Hanem aus, die Schwiegertochter jenes unglücklichen ägyptischen Finanzministers, welcher auf dem Wege nach dem Sudan auf geheimnißvolle Weise aus dem Leben schied. Faika-Hanem wurde unmittelbar nach dem Sturze des Finanzministers von ihrem Gatten geschieden. Wenn sie aber auch die Gemahlin eines Mannes war, dessen Vater von dem Khedive geächtet wurde, so ist sie dennoch im viceköniglichen Palais ein allgemeiner Liebling, eine im Orient allerdings seltsame Thatsache, wo es ja bekanntlich Sitte ist, allen Verwandten eines beim Landesherrn in Ungnade Stehenden den Rücken zu kehren oder sie zu schmähen. „Fliehe eine Mauer, die einfällt, oder die im Begriffe steht, einzufallen!“ das heißt: „Fliehe Denjenigen, den Gefahr bedroht, oder dessen Macht im Sinken ist!“ Nach diesem Sprüchworte richten sich Araber und Aegypter. Die anmuthsvolle Faika hat dies nicht erfahren, weil sie das Adoptivkind der vielgeliebten dritten Gattin des Khedive ist, der selbst der Muttersegen versagt worden. Ismail-Pascha behandelt die von seiner Lieblingsgemahlin an Kindesstatt angenommene reizende Circassierin stets wie sein leibliches Kind, und diese Thatsache ist’s, welche Faika-Hanem von dem Abgrunde rettete, in den der unglückliche Finanzminister sammt seiner Familie stürzte. –

Das sind die hervorragendsten Gestalten des heutigen ägyptischen Königshauses – wie oft ruht das Geschick des so reichen und doch so unglücklichen Landes in ihren weißen, weichen, kleinen Händen! So manche seltsamen Wandelungen der ägyptischen Politik könnte nur Derjenige erklären, welchem die Geheimnisse des viceköniglichen Harems keine Geheimnisse sind.

C. Greiner.


Unser Bett.
Von Fr. Dornblüth.

Wenn wir unser Bett seiner Bestimmung angemessen einrichten wollen, so müssen wir es nicht nur als Ruhestätte, sondern auch als Kleid für die Nacht betrachten. Als Lager für den durch die Tagesarbeit Ermüdeten muß das Bett weich und elastisch genug sein, um nicht durch Druck zu ermüden oder gar zu schmerzen; es muß den Gliedern Raum bieten, sich ungezwungen der Lösung durch den Schlaf hinzugeben, also lang und weit genug sein, um auch Lagerveränderungen zu

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_426.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)