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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

sich zusammen setzen, Hoffnungen affectiren, wenn auch complete Trostlosigkeit im Herzen wohnt, und so die Leute davor bewahren, daß sie nicht ganz versauern. Nach der Messe erschrickt man vor der Arbeit, die sich anhäufte.“ Endlich sagt er: „Sie haben Anlage zur Dichterin. Es würde nur auf einen Versuch ankommen, auch der Form zu genügen. Wollen Sie denselben nicht machen? Doch wozu? Die Poesie ist ein weiter Wiesenplan, auf dem tausend Blumen form- und regellos emporschießen, aber sie sind reich an Duft und Farbe und erfreuen und erheben Geist und Auge. Ordnet man sie nach Gattung und Farbe, bindet sie an den Stab der Form und schneidet jeden frisch hinaustreibenden Schößling ab, um der Pflanze die schmächtige Gestalt modernen Geschmackes zu geben, so vernichtet man den schönsten Reiz. Senden Sie also zuweilen ein rein der Natur entkeimtes Blümchen mit einem grünen Hoffnungsblättchen Ihrem dankbaren Freunde Blum.“

Auf die rasche herzliche Antwort der Freundin erwidert er nach seiner Dresdener Reise, wie schwer es ihm werde, seine Empfindung in Worte zu fassen: „Mögen Sie den Vergleich arrogant finden, ich kann nicht anders, als mich mit einer Blume vergleichen, die dasteht auf dem ausgedörrten weichen Boden der Zeit und des Lebens, versengt ist von brennenden Strahlen schwerer Schicksalsschläge und welk geweht von den Stürmen unserer Verhältnisse. Geben Sie ihr den belebenden Thau, das erquickende Wasser, sie wird die Wollust des neuen Lebens fühlen bis in die äußersten Fasern ihrer Form. Aber sie bedarf Zeit, um die welken Blätter wieder aufzurichten und Ihnen ihren Dank zu bringen in der freudigen Entfaltung ihres neuerweckten Organismus. ... Ob das Werk es verdient, ob es Ihnen lohnen wird? – wer weiß das vorher bei unserem Thun; wenn die Handlung an und für sich keinen Reiz hätte, so würde wenig Gutes geschehen auf dieser elenden Welt.“ Der Rest des Briefes gilt der Dresdener Reise.

Unsere Leserinnen mindestens, wahrscheinlich aber auch unsere Leser, werden ahnen, was nun folgt, nachdem schon der Anfang dieses Briefes einer unterdrückten Liebeserklärung so ähnlich gesehen. Eugenie schlug dem Freunde vor, nach Amerika zu ziehen, wenn ihm Europa unerträglich geworden. Darauf antwortete er am 14. Juni: „Nein, liebe Jenny, nach Amerika gehen wir nicht, wenigstens nicht, so lange noch ein Fünkchen Hoffnung vorhanden ist, für die Freiheit und einen besseren Zustand des Vaterlandes wirken zu können. Ja, wenn hinten weit in der Türkei die Völker nicht auf einander schlagen, wenn Louis Philipp seine ganze Nichtswürdigkeit durchsetzt; wenn Ernst August[1] triumphirt und, wie sich von selbst versteht, einige Dutzend Nachahmer findet – dann wollen wir wieder davon reden, das heißt, wenn wir dann noch können und nicht füsilirt sind. Das Wirken für die Freiheit, nur die Aussicht, die entfernte Hoffnung dazu, ist äußerst reizend und wohl eines trübseligen Harrens werth. Aber ich glaube nicht, daß das Streben nach dieser einen, allerdings heiligsten Pflicht es ausschließt, daß wir uns das einmal unvermeidliche Harren so angenehm wie möglich machen; ja insofern eine das Herz und den Geist gleichmäßig befriedigende Existenz dazu dient, uns zu veredeln und unsere Kräfte zu stärken und zu entwickeln, so dürfte es nicht bloßer Egoismus sein, wenn wir trachten, uns eine solche Existenz zu begründen. Eine solche fehlt mir, und mein Herz sehnt sich darnach mit aller Inbrunst, sehnt sich hinaus aus dem öden farb- und reizlosen Allein. – Können und wollen Sie’s versuchen, mir einen stillen, freundlichen Tempel der glücklichen, anspruchslosen Häuslichkeit zu bauen und das traulichste Plätzchen darin nach eigener Wahl für sich zu behalten? ihn ganz und gar mit mir theilen, bis uns eine höhere Pflicht hinausruft in das rauhe Leben, oder in das unerforschte Jenseits? – Sehen Sie, wie ich anfing, stand ein langer Brief vor meiner Seele, mit dieser einen gewichtigen Frage aber bin ich erschöpft; ich lege sie Ihnen trocken vor, ohne Schmuck, ohne Commentar. Sie kennen die Verhältnisse, Sie glauben den Menschen zu kennen. ... Nun harre ich Ihrer Entscheidung entgegen; sagen Sie nein, so thun Sie das kurz, ohne Gründe, ohne Bedenken. Sie wissen, ich habe eine derbe Schule durchgemacht und kann etwas vertragen. Denken Sie dann, ich habe Ihnen einen neckischen Traum erzählt, Sie haben darüber gelächelt und ihn vergessen. Aber darum bitte ich dringendst, stehen Sie mir deshalb in der Folge nicht ferner als bisher! Lassen Sie, liebe Jenny, nicht zu lange zwischen Hoffnung und Furcht schweben Ihren Robert.“

„Und ich sollte nein sagen?“ beginnt Eugenie am 15. Juni ihre Antwort und schließt sie mit „Ewig Deine Eugenie“.

„So ist denn mein Loos gefallen, und ich habe den glücklichsten Wurf gethan,“ schreibt Blum am 16. zurück. „Mein Leben hat wieder ein Ziel, mein Streben einen erkannten Zweck, und die Mühen, die täglichen Begleiterinnen meines Lebens, werden süß und leicht in dem Hinblicke auf den Genuß ihrer Frucht. ... So haben wir denn, liebe Jenny, den Grundstein unserer Zukunft gelegt; laß uns vereint daran fortbauen und uns bestreben, unter den tausend unglücklichen Ehen eine glückliche zu bilden! Es scheint mir dies so leicht, da der innige Anschluß an ein anderes Herz dem Menschen unerläßliches Bedürfniß ist, und es nur in seinem Willen liegt, das Band, das die Natur gegeben, so fest wie möglich zu schlingen. Wir wollen mit unbegrenztem Vertrauen, begründet auf Wahrheit und Offenheit uns entgegenkommen. Sage mir ohne Rückhalt, was Dir an mir mißfällt. Gestatte mir dasselbe und sei dabei der zartesten Schonung gewiß! Du wirst allerdings bei diesem Contracte sehr im Vortheil stehen.“

Und dann folgt die schöne Stelle, in der er ihr einzureden versucht, mit dem Bunde der Herzen sei auch die Ehe schon geschlossen, und darum – „laß mir wenigstens die süße Pflicht für Dich zu sorgen! Betrachte Dich als mein und nimm von mir Deine Bedürfnisse! Du erleichterst dadurch zugleich Deinem – nein unserem Bruder seine Lasten, deren er viele zu tragen hat, wie Du selbst am besten weißt. Also keinen Widerspruch, Weib, ich bin der Herr der Schöpfung und ‚soll Dein Herr sein‘ (die alte Ausgabe mit ‚Narr‘ wird confiscirt). Gehorche!“

Nicht unmittelbar nach Empfang dieses Briefes, aber später, in ruhigen Stunden, ist der Braut das schmerzliche Bewußtsein ihrer Armuth aufgestiegen, und sie hat ihrem Robert mit Nachdruck vorgehalten, daß sie nichts, gar nichts an Aussteuer ihm zu bieten habe. Darauf legte er seinem Briefe vom 13. Juli 1839 das nachstehende Gedicht bei:

„Du hättest nichts dem Bräutigam zu bieten
An Werth und Schmuck? Das thut mir wahrlich leid;
Man zieht solch’ inhaltleere Menschen-Nieten
Nicht gern in unsrer materiellen Zeit.
Und bringst Du mir nicht Heirathsgut und Schätze
An Silber, Gold und Perlen reichlich ein,
So sag’ ich nach modernem Zeitgesetze:
Laß’ ab von mir, mein Kind, es kann nicht sein!

Ja, Silber will ich! Zwar nicht jenes weiße
Und glänzende Metall, das aus dem Schooß
Der Erde holt der Mensch in blut’gem Schweiße,
Damit zu feilschen und zu prunken blos; –
Ich will das Silber innig wahrer Liebe,
Die sich als haltbar, ächt und rein bewährt,
Die selbst der Schicksalswolken bange Trübe
Mit mildem Glanz erhellet und verklärt.

Und Gold will ich! Zwar nicht das vielverfluchte,
Das in der Berge tiefen Gründen ruht;
An das der Menschen Habgier, die verruchte,
Die Seele setzt und Ehre, Recht und Blut; –
Ich will das Gold der felsenfesten Treue,
Das jeder Probe, auch der schärfsten, steht;
Das Gold, das stets im Herzensschacht auf’s Neue –
Wie viel man auch davon verbraucht – ersteht.

Und Perlen will ich! Zwar nicht aus den Tiefen
Des Meers, wo von Dämonen sie bewacht
Den süßen Schlummer des Vergessens schliefen,
Eh’ sie die frevle Gier an’s Licht gebracht.
Ich will die Perlen heiliger Empfindung,
Des Mitgefühls bei Andrer Schmerz und Lust,
Das Sinnbild göttlich-menschlicher Verbindung,
Wie’s thront im Tiefen einer edlen Brust.

Und daß zum Reichthum Reichthum sich geselle,
Biet’ ich Dir – karg zwar – gleiche Mitgift dar;
Wir bergen für des Lebens Wechselfälle
Die Güter auf der Laren Hochaltar. –
Du hast und bringst mir reichlich diese Schätze!
Und wüßt’ ich nicht, Du brächtest sie mir ein,
Dann nach dem ewigen Vernunftgesetze
Sagt’ ich: laß ab, es kann, es darf nicht sein!“

  1. Der verfassungsbrüchige König von Hannover.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_416.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)