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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Ihrer Liebe gewiß nicht unwürdig. Aber wissen Sie nicht, daß sie einem Anderen gehört?“

Jay Robinson sah mich fragend an.

„Sie ist verlobt, in Deutschland,“ sagte ich. „Sie geht nach New-York, um dort für einige Jahre Gouvernante zu werden. Das arme Kind ist so einsam und so unerfahren, daß sie Ihnen, vielleicht ohne es zu wissen, mehr Liebeszeichen bietet, als sie bieten will und kann. Vertrauen Sie den kleinen Unterpfändern ihrer Zuneigung nicht ohne Weiteres Ihre ganzen Zukunftsträume und Hoffnungen an! Unterrichten Sie sich genau über ihr Herz, lieber Robinson, ganz genau!“

Er dankte für meinen guten Rath und bat mich, ihn einige Zeit allein zu lassen, da er dafür sorgen müsse, daß die Segel umgesetzt werden. Als ich nach einer halben Stunde auf dem Hinterdecke stand, kam Charlie aus der Kajüte.

„Ah, sind Sie da? Ihre Lady wird sehr glücklich sein, Sie zu sehen. Sie ist unten in ihrer Cabine. Sie sagte mir, ich solle Sie rufen; sie würde Ihnen sehr verpflichtet sein für Ihren Besuch.“

Als ich zu dem schönen Mädchen in die Cabine trat, ging sie, ein Taschentuch in den beiden Händen, das sie langsam und heftig weinend zerknitterte, in dem Gemache auf und ab. Ich trat ihr näher und sie blieb stehen und weinte.

„Liebes Fräulein,“ sagte ich leise, „Jay Robinson liebt Sie.“

„Er hat soeben Charlie zu mir geschickt.“

„Mit welchem Auftrag?“

„Ich sollte heute Abend auf das Verdeck kommen, er habe mit mir zu reden.“

„Heute Abend. – Werden Sie gehen?“

„Nein.“

„Sie wollen Jay Robinson keine vergeblichen Hoffnungen machen?“

„Ich weiß nicht, was ich will.“

„Weshalb gehen Sie denn nicht?“

„Ich weiß es nicht. Ich habe ihm eine getrocknete Blume aus meinem ‚Schiller‘ geschickt; er bat mich so darum.“

„Wie kennt er die Blume?“

„Ich habe ihm neulich aus dem ‚Schiller‘ vorgelesen.“

„Dem zweiten Steuermann?“

„Er versteht kein Wort Deutsch, aber er war entzückt von unserer schönen Sprache. Und nicht nur meinetwegen, denn er rühmte auch Ihre geschmackvolle Redeweise und sagte, im Munde eines gebildeten Deutschen klänge auch das Englisch am schönsten. Er wundere sich aber nicht darüber, denn er habe gehört, daß wir das musikalischste Volk der Welt seien.“

„Lieben Sie Jay Robinson?“

„Nein.“

„Aber er liebt Sie…“

Sie schwieg.

„Und warum erzählen Sir mir dies Alles?“ fragte ich.

Sie blickte zu Boden und weinte. Dann sah sie mir mit thränengefüllten Augen ruhig in’s Gesicht. „Weil ich Sie liebe,“ sagte sie. – –

Als der Tag graute, fand ich mich unruhig auf meinem Lager, umhergeworfen von den heftigen Bewegungen des Schiffes. Wir waren durch Wind und Wellen aus unserm Cours getrieben worden. Die See ging hoch. Der Nebel hatte sich leidlich zerstreut und es erschienen Schiffe in der Ferne, allein ein jedes derselben war zu sehr mit dem eigenen Kampfe gegen das Element beschäftigt. Ich ging auf das Deck, auf dem ein schwerer Stand für jede Landratte war.

Traurig kam mir Jay Robinson entgegen. „Wir werden vielleicht alle nicht mehr lange zu leben haben,“ sagte er. „Wir bekommen Sturm, und – wer weiß –“ und er ließ schlaff die Arme gegen seine Schenkel fallen.

„Und das macht Sie traurig?“ setzte ich mit unsicherem Lächeln hinzu.

„Es macht mich Vieles traurig. Heute früh habe ich die Ueberzeugung gewonnen, daß sie mich nicht liebt.“

„So. Und wie das?“

„Ich schickte Charlie zu ihr, und gab ihm ein Andenken, eine Haarlocke meiner guten Mutter mit. Sie hat sie zurückgeschickt, und als Charlie – wie ihm aufgetragen – sie für mich um einen ihrer goldenen blonden Ringe, nur ein kleines lockiges Ende ihres geliebten Haares bat, ist sie heftig geworden und hat Charlie gebeten, nie wieder in meinem Auftrag zu ihr zu kommen.“

Ich wußte nur zu gut, welche Verwandlung plötzlich mit ihr vorgeganen war. Noch brannten meine Lippen von ihren Küssen. Ich sprach Jay zu, er solle sie vergessen. Wenn wir glücklich nach Amerika gelangten, so würden wir uns doch nicht minder trennen müssen, als wenn uns der Tod ewig von einander risse. Mit schmerzlich zuckenden Lippen antwortete er nur: er habe das Schiff verlassen, das liebe Mädchen heirathen und ein ordentlicher Mensch werden wollen, wie andere Bürger auch. „Ich dachte, ich würde es auch einmal gut haben,“ seufzte er.

Als ich in die Kajüte ging, saß Alwine, meine Alwine, in ihrer Cabine, und schrieb auf ihrer aufgeschlagenen Briefmappe einen langen Brief an ihren Bräutigam, in welchem sie das Verhältniß zu ihm löste. Er war ihr Vetter. Die Mutter hatte, offenbar unter dem Einfluß des jungen Mannes stehend, die Verlobung bei ihr durchgesetzt. Sie hatte ihn nur vierzehn Tage als Bräutigam gesprochen, dann war sie abgereist.

„O Du Liebster,“ sagte sie, als ich den Brief durchlas und sie sich an meine Seite schmiegte, „ich wußte bisher nicht, was Lieben heißt. Dein Kuß, Deine traute Stimme, Dein Händedruck, Deine Umarmung – nun hat mir all das erst die Fülle von Seligkeit erschlossen, die Liebe birgt und Liebe bietet.“ Und indem sie meine Hand mit langen Küssen bedeckte, lehnte sie rückwärts den lockigen Kopf an meine Brust, sah mir von unten in die Augen und sagte leise: „Dich will ich lieben; für Dich will ich leben; um Deinetwillen will ich sterben“. –

Da waren drei Menschen auf einem Schiffe, deren zwei einander glücklich und den dritten unglücklich gemacht hatten und die beiden ersten dachten nur an ihre Lust und der dritte nur an sein Elend – und „des Meeres und der Liebe Wellen“ warfen alle drei finster und drohend auf Neufundlands Felsenküste zu.

(Schluß folgt.)



Blätter und Blüthen.


Die sächsischen Landesfarben. Mehrfachen Anfragen aus unserem Leserkreise über den Ursprung des „Grün und Weiß“, der Haus- und Landesfarben des albertinischen und ernestinischen Sachsen, können wir mit folgender Antwort dienen. Einst waren die sächsischen Farben Schwarz und Gold, entnommen den beiden Grundfarben des Wappens. Als im Jahre 1697 die albertinische Fürstenlinie auf den Thron Polens gelangte, nahm dieselbe die polnischen Landesfarben Roth und Weiß nach Kursachsen herüber. Die Ernestiner blieben bei den alten Farben, und erst zu Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts finden wir auch in den drei Herzogthümern Hildburghausen, Coburg-Saalfeld und Meiningen das polnische Roth und Weiß, während Weimar und Gotha-Altenburg am Schwarz und Gold festhielten. Als nach der Erhebung des albertinischen Sachsen zum Königreich 1807 der Orden der Rautenkrone gestiftet wurde, trat mit dem Ordensbande zuerst die grüne Farbe in officielle Erscheinung, und dies wiederholte sich nach den Befreiungskriegen bei der Stiftung des Civilverdienstordens mit dem weiß-grünen Bande. Es geschah 1815. Jedenfalls griff Sachsen erst, nachdem es seine Beziehungen zu Polen aussichtslos gelöst sah, die polnischen Farben aufgebend, zu Grün und Weiß, den uralten, früher vereint nicht vorkommenden Farben des altsächsischen Herzogthums: Grün wegen der Kur und des Rautenkranzes, Weiß wegen des ursprünglichen Herzogthmus, also zu Farben zurück, die auch das Haus Anhalt aus gleicher Beziehung besitzt. Die ernestinischen Herzogthümer folgten dem Königreich auch in diesem Beispiele noch 1815 und 1816 nach, und nur Weimar hielt die alten Farben fest, fügte aber zu Schwarz und Gold das Grün, sodaß es alle drei Farben des sächsischen Wappens vereinigt; letzteres mag mit der Erneuerung des Hausordens der Wachsamkeit oder vom weißen Falken zusammenhängen und also ebenfalls in das Jahr 1815 fallen.



Noch einmal Kalthoff. Soeben empfangen wir die nachfolgende Zuschrift: „Geehrte Redaction! Ein Satz meines Kalthoff-Artikels in Nr. 19 der ‚Gartenlaube‘ hat zu Mißdeutungen Veranlassung gegeben, welche mich bestimmen, Sie um Wiederholung seines Anfangs in folgender Fassung zu bitten: ‚Erst im Amte, meinte also wohl der Herr Professor etc. Daß Herr Professor Treitschke nicht in Wirklichkeit geäußert hat, Hoßbach hätte erst nach der Wahlbestätigung mit Umgehung kirchlicher Vorschriften seine wahre Ueberzeugung verbreiten dürfen,‘ daß dies nur eine – und zwar völlig berechtigte – Consequenz ist, welche ich aus dessen Tadel der Antrittspredigt Hoßbach’s gezogen, erscheint mir fast so selbstverständlich, daß ich nur mit Kopfschütteln mich der Nothwendigkeit füge, dies ausdrücklich versichern zu müssen. Ihr ergebener R. Elcho.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_386.jpg&oldid=- (Version vom 5.8.2016)