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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


wichtiger ist als dieser. Nach allen bereits hinreichend erfolgten Aufklärungen über das Attentat wird Niemand mehr bezweifeln können, daß es in seiner ganzen Schnödigkeit als Ausfluß und Symptom eines tiefen sittlichen Schadens zu bezeichnen ist, der seit lange schon unseren Gesellschaftsorganismus durchwühlt, unsere Volksseele in der allerbedenklichsten Weise angefressen und vergiftet hat. Warnende Stimmen dagegen sind allerdings in beträchtlicher Anzahl laut geworden, aber sie waren nicht im Stande, im deutschen Bürgerthum eine Regung wirklicher Thatkraft zu erzeugen. Mehr oder weniger gleichgültig und in träger Schläfrigkeit hat es vielmehr dem stürmischen Umsichgreifen einer neuen Bewegung zugesehen, die nicht blos alle Grundlagen seiner materiellen Existenz bedroht und schon erheblich geschädigt, sondern auch den Bestand unserer idealen Güter, das hohe Erbe der Väter, die Liebe zu fortschreitender Gesittung, die Achtung vor der Bildung und das Streben nach derselben durch systematische Untergrabung sehr wesentlich geschwächt und verringert hat.

Alle Zukunftshoffnungen der Völker sind auf das Fortschreiten der Culturmacht, auf die allmähliche und immer mehr sich erweiternde geistige und sittliche Hebung der noch ungebildeten Classen gerichtet. Wird der Weg zu diesem Ziele absichtlich verlegt und verschüttet, die Welt der Bildung an jedem erziehenden Einfluß auf die unter ihr liegenden Sphären gehindert, so muß ein Ueberwuchern der Rohheit, ein Versinken in Barbarei und Bestialität die Folge sein. Nicht um eine gewaltsame Unterdrückung von Ansichten und Ueberzeugungen handelt es sich, und nicht um die Niedertretung von Bestrebungen, durch welche die Arbeiter ihr oft hartes Loos zu verbessern hoffen, sondern um plan- und professionsmäßig betriebene Verhetzungen und Verführungen der großen unreifen Massen, in denen fort und fort die schlimmsten und wildesten Leidenschaften des Hasses und Neides, der Wuth und Rache bis zu einem Grade entzündet und entfesselt werden, daß ihnen zuletzt das Laster als ihr gutes Recht, das Verbrechen als ihre Pflicht erscheint.

Wie weit dieses Treiben bereits in unserer Mitte und unter unseren Augen gediehen ist, das wissen wir Alle. Das deutsche Bürgerthum ist in allen seinen Schichten stark durch seine Zahl und durch die überwiegenden Mächte seiner Intelligenz, sobald es einig ist. Wird es den unzureichenden und täppischen Gewaltmitteln einer ihm feindlichen Reaction überlassen, was es selber durch eine einmüthige und energische Gegenarbeit viel gründlicher zu vollführen vermag? Das ist die große vaterländische Lebensfrage, welche für uns mit dringendster Gewalt aus dem Attentat sich ergiebt. An der Lösung derselben wird fortan auch die „Gartenlaube“, von ihrem Standpunkte aus, sich zu betheiligen bestrebt sein.



Ein Königsdank aus dem Herzen. Im Jahrgang 1874 der „Gartenlaube“ führte K. Chop uns in „die Zeiten der schweren Noth“ zurück, indem er uns einen Theil der Flucht des Königs Friedrich Wilhelm des Dritten nach den Schlachten von Jena und Auerstädt schilderte, namentlich so weit an den Folgen jenes Unglücks das Fürstenthum Schwarzburg-Sondershausen mit zu leiden hatte.

Diese Erinnerungen weckten auch die einer hochbetagten Frau in Hadmersleben auf, welche durch die einfache Erzählung dessen, was sie aus dem Munde ihres längst gestorbenen Gatten, eines preußischen Gensd’armen, erfahren, einen weiteren Blick auf jene Flucht und zugleich in des Königs Herz eröffnet.

Fürst Günther Friedrich Karl der Erste von Schwarzburg-Sondershausen hatte dem König die sechs feurigsten Renner seines Marstalls vor den Wagen spannen lassen und dadurch die Fahrt bis Halberstadt gesichert. Daß kein Augenblick zu versäumen gewesen war, zeigte sich bei der Rückkehr des fürstlichen Leibkutschers nach Sondershausen, das er nun voll Franzosen fand. Der König hatte in Halberstadt den fürstlichen Wagen verlassen und wartete auf weitere Hülfe zur Flucht. Aber so groß war bereits die Furcht vor dem Feinde, daß man dem bedrängten Fürsten die Mittel zur Weiterfahrt versagte: man verließ ihn in der höchsten Noth! –

Da kam ein Bürger mit einem zweispännigen Leiterwagen des Wegs daher; an ihn wandte sich der König mit der Frage, ob er ihn mit seinem Geschirre nach Magdeburg fahren wolle. Der Mann war sofort dazu bereit. Er rückte seinem Könige ein Bund Stroh zum Sitze zurecht, fuhr mit ihm in Galopp zum Breitenthore hinaus und brachte ihn glücklich nach Magdeburg.

Es kamen nun schwere und dann große Zeiten über Preußen und sein Königshaus: der schicksalreiche Monarch mochte manches Schlimme der Vergangenheit vergessen haben, – aber seine Verlassenheit in Halberstadt schien er nicht vergessen zu können, denn er betrat die Stadt nicht wieder und auch die übrigen Mitglieder des Hauses sollen sie gemieden haben, bis endlich auch hier der Tag der Versöhnung kam, und zwar nach fast fünfundzwanzig Jahren.

Es war um das Jahr 1831, als der König seine Tochter Louise, die Gemahlin des Prinzen Friedrich der Niederlande, auf ihrer Rückreise von Berlin nach dem Haag bis Magdeburg begleitete. Zu den Empfangsfestlichkeiten hatten auch der Landrath und der Oberbürgermeister von Halberstadt sich eingefunden, und Beide benutzten die gute Stimmung, in welcher der König sich seinen Magdeburgern zeigte, zu dem kühnen Unternehmen, die Gnade desselben auch ihrer Stadt wieder zuzuwenden und um die Ehre eines Besuchs zu bitten. – Freilich erschraken die Herren über die Folgen ihrer Kühnheit nicht wenig, als der König sofort erwiderte: „Das kann gleich morgen geschehen; ich werde meine Tochter bis Halberstadt begleiten.“

Wir, in den Tagen der Eisenbahnen, wissen nicht mehr, was es damals hieß: noch Nachts von Magdeburg nach Halberstadt zu fahren, um dort die gesammte Bürgerschaft mit der Freudenpost zu erschrecken, daß die Stadt sich zum Empfang des Königs zu rüsten habe: – Es erscheint uns jetzt fast unglaublich, was in der „guten patriarchalischen Zeit“ eine Bürgerschaft zu leisten vermochte, wenn es der Vorbereitung einer solchen Feierlichkeit galt. Denn da gab es nicht blos Fahnen zu nähen und Kränze und Guirlanden zu winden, es mußten auch holperige Pflasterstrecken und halsbrecherische Rinnsteine ausgebessert werden, – und dennoch konnte der König am folgenden Mittag den Einzug in eine Stadt halten, deren äußerer Schmuck mit dem Jubel der Bevölkerung auf das Schönste harmonirte.

Das Festmahl war schon ziemlich weit gediehen und der König, wie ausdrücklich betont wird, durch die seltene Unterhaltungsgabe des Oberdompredigers Augustin in die heiterste Stimmung erhoben, als er plötzlich selbst der Angst und Gefahr gedachte, die er in seinem tiefsten Unglück in Halberstadt auszustehen gehabt, und nach dem Manne fragte, der damals sein Retter gewesen. Die Gelehrten und Beamten der Tafel kannten zwar Tag und Stunde jenes Ereignisses genau, aber nur der als Ordonnanz des Königs dienende Gensd’arm Michaelis (der Gatte unserer Gewährsmännin) wußte, daß der Mann noch lebe und wo er wohne.

Sofort regten sich hundert Füße, um den also Geehrten herbeizuholen, aber der König winkte schweigend ab, erhob sich vom Tische, bat um einen Wagen, reichte seiner Tochter den Arm und befahl dem Gensd’armen, ihm den Weg nach dem Hause des Mannes zu zeigen. Michaelis und ein Gensd’armerie-Wachtmeister ritten dem Wagen vor, der durch die ganze Unterstadt fuhr, bis Michaelis vor einem Hause der Gröpertstraße vom Pferde sprang, um dem Bürger den Besuch des Königs zu melden. Wohl fuhr dem Manne die Ueberraschung durch alle Glieder, – aber ebenso rasch besonnen, sprang er vor die Thür, als der Wagen wirklich vor seinem Hause hielt.

Freilich waren es nur einfache Worte, die der Fürst und der Bürger nun wechselten, aber dennoch sind sie gleich bezeichnend für jeden derselben. Beide Hände freudig dem entgegenstreckend, der vor einem Vierteljahrhundert sein Helfer in der Noth gewesen, rief ihm der König zu:

„Lieber Mann, Sie haben mich damals aus großer Gefahr gerettet. Jetzt komme ich, Ihnen dafür herzlich zu danken.“

„Bitte, Majestät, das war ja meine Schuldigkeit,“ entgegnete der Bürger. „Die Gefahr war freilich groß, das bin ich erst inne geworden, als ich mit meinem Wagen zurück kam und es überall von Franzosen wimmelte.“

„Sagen Sie offen,“ fuhr der König fort, „ob ich Etwas für Sie thun kann, um meinen Dank auch zu betätigen.“

Der Bürger aber antwortete: „Danke, Majestät, danke! Die schwere Zeit ist überwunden, jetzt besitze ich so viel, wie ich bedarf, und noch etwas darüber. Mein schönster Lohn bleibt ja doch die Erinnerung daran, daß ich meinem König in der höchsten Noth habe helfen können.“

Da drückten der König und die Prinzessin dem Bürger noch einmal die Hand, und Auge leuchtete in Auge, als sie wie alte, gute Freunde schieden. Das war ein Königsdank aus dem Herzen.



Vom Fuße der Zugspitz und des Wettersteins. Wieder ist ein Winter vorübergegangen, wie ihn schneereicher und länger dauernd sich die ältesten Leute nicht erinnern. Die Kunkelstuben und der Heimgarten halfen freilich bei flackerndem Kienfeuer und hausbackener Unterhaltung die langen Abende kürzen, aber Gott sei Dank, genügt dieses primitive Hindämmern unserer jüngeren Generation nicht mehr zur Ausfüllung der Zeit von fünf bis neun Uhr Abends. Dank der nun bereits seit neun Jahren sich zu immer höheren künstlerischen Leistungen aufschwingenden Holzbildhauerschule, und Dank der reorganisirten und mit tüchtigen Lehrkräften besetzten Volks- und gewerblichen Fortbildungsschule, macht sich unter der Bevölkerung immer mehr das Bedürfniß nach guter Lectüre bemerkbar, sodaß meine nicht geringen Vorräthe an solcher bei weitem nicht hinreichen, dasselbe zu befriedigen. An alle Freunde wahrer Volksbildung und des baierischen Gebirgsvolkes, speciell an meine Freunde und Bekannte richte ich durch die „Gartenlaube“ die freundliche Bitte, mir entbehrliche Werke unterhaltenden und belehrenden Inhaltes umsonst zukommen zu lassen, um mir zu ermöglichen, auf diesem Wege für meine dreihundert Schüler und deren Angehörige in Partenkirchen, Garmisch, Mittenwald und Oberammergau Volksbibliotheken errichten zu können.

Michael Sachs,
Maler und Vorstand der Kunstschnitzschule in Partenkirchen
(baierisches Hochgebirg).



Nochmals bleifreie Kochgeschirre. Es sind uns neuerdings noch von einigen Firmen Kochgeschirre nachträglich mit der Bitte zugegangen, solche auf deren Bleifreiheit prüfen zu lassen und das Resultat in der „Gartenlaube“ bekannt zu geben. Wir haben demgemäß noch zwei Firmen zu nennen, deren Fabrikate kein mit Bleioxyd versetztes Email enthalten, und über welche wir mittheilen können, daß alle den eingesandten Stücken gleichartige Fabrikate als der Gesundheit unschädliche zu bezeichnen sind. Die beiden Firmen heißen: Philippi und Cetto, Eisenwerk zu Stromberg, und der Nieverner Bergwerk- und Hüttenverein Nievernerhütte zu Bad Ems. – Hiermit schließen wir das Register über die stattgehabten Untersuchungen, und bitten uns neues Material nicht mehr zugehen zu lassen.



Die kranke Lehrers-Gattin (Nr. 17 der „Gartenlaube“) erfreut sich bereits des gewünschten Fahrstuhls. Dank dem freundlichen Geber.

Die Red.



Kleiner Briefkasten.

P. C. in Berlin. Chiffrirte Mitteilungen, soweit sie Berichtigungen, Beschwerden oder Insinnationen irgend welcher Art enthalten, können wir in keiner Weise berücksichtigen. „Offenes Visir!“ muß auch hier die Parole sein. Dies als Antwort auf Ihre Zuschrift vom 13. vorigen Monats.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_370.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)