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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

kommen, so liegt doch keine Berechtigung vor, solche Dinge absichtlich und künstlich hervorzurufen, wie man ja auch niemals eine Epidemie absichtlich hervorrufen oder fördern wird, um diese Krankheit zu studiren. Vollends diejenigen aber, welche glauben, daß bei solchen Spielereien wirklich Geister, Seelen von Verstorbenen im Spiele seien, handeln frivol, wenn sie die Erscheinungen künstlich zu Experimenten hervorrufen, die weiter keinen Nutzen bringen, als daß sie die Neugierde reizen und Zeitvertreib gewähren. Man will die Thiere vor willkürlicher Verwendung zu nutzlosem Experimentiren im vermeintlichen Interesse der Wissenschaft schützen, und lebende Menschen sind ganz davor bewahrt. Sollen gerade die Todten einer rein frivolen Neugierde preisgegeben sein und gerade durch Leute, die an Unsterblichkeit der Seele glauben und sich dessen besonders rühmen? Sokrates, Paulus, Christus selbst etc. sind doch wahrlich nicht dazu da und haben nicht dadurch Bedeutung für die Menschheit zu erlangen, daß sie spiritistische Mediums von Stadt zu Stadt begleiten und zu deren Lebensunterhalt für einige Groschen klopfen oder tüchtige Sätze schreiben und dergleichen. Und selbst auch die übrigen Abgeschiedenen, wer sie auch gewesen, sollten davon verschont bleiben, wie Raritäten auf Jahrmärkten zur müßigen Unterhaltung verwendet zu werden – verwendet wenigstens der Behauptung oder der angeblichen oder wirklichen Willensmeinung dieser Mediums nach und im Glauben des wundersüchtigen Haufens, der niemals vergeblich zu solchen pikanten Schaustücken eingeladen wird.[1]

  1. Wir befinden uns in der Lage einen interessanten Beleg dafür zu geben daß die fragwürdige Rolle, welche im Spiritismus die Thiere spielen, bei den Spiritisten selbst nicht unbeachtet geblieben ist. Einer jener tiefsinnigen Popularphilosophen, wie sie an jeden mystischen Krimskrams sich anhängen, ein Herr J. Lohse in Hamburg, hat bereits im Jahre 1872 in seiner Broschüre „Jesus Christus und seine Offenbarungen über Zeitliches und Ewiges“ der Welt die Möglichkeit geboten, jene Thiererscheinungen aus einer richtigen spiritistischen Weltanschauung heraus zu begreifen. Nach dem Büchlein des Herrn Lohse, dessen Inhalt ihm direct von Christus übermittelt worden in der Absicht, die früheren durch die Bibel aufbewahrten mangelhaften Offenbarungen zu corrigiren, entwickelt sich die Welt in dreifachem Ausflusse aus Gott. Zuerst erscheint die Materie, später der Geist. Letzterer ist anfangs in der unorganischen Materie eingekörpert und gelangt nach einer Seelenwanderung durch das Pflanzen- und Thierreich schließlich vom arabischen Pferde direct zur Menschenexistenz. Die in unserem Artikel erwähnte Rothkehlchenseele dürfte damals soeben eine kleine Erholungspause zwischen zwei Einkörperungsstadien gemacht haben und heute bereits den Körper eines Vierfüßlers bewohnen, um dereinst zu einem menschlichen Dasein befördert zu werden.
    Vielleicht interessirt es unsere Leser, auch über die späteren Schicksale dieser ehemaligen Rothkehlchenseele etwas zu erfahren. Die menschliche Seele hat eine Reihe Geisterregionen vor sich, welche sie, zum Theil schon bei Lebzeiten, in allmählicher Vervollkommnung zu durchklettern vermag. In der ersten Region wird ihr ein Schutzgeist aus der zweiten zugesellt, welcher ihre Entwickelung bis zum Uebergange in diese zweite leitet. Beim Uebergange, sozusagen als Abgangszeugniß, bekommt sie den dritten Urausfluß aus Gott eingepflanzt: den göttlichen Keim oder Geist. Der Act der Einpflanzung ist die Wiedergeburt. Die Entfaltung dieses Keimes, welche die Seele höher und höher führt, überwacht der heilige Geist, später Christus, endlich Gott selber. Der heilige Geist hat sich seither erst bis zur sechsten, Christus bis zur dreißigsten Region emporgeschwungen.
    Der weitere Inhalt des wunderlichen Systems gehört nicht hierher. Wohl aber mögen einige Citate aus Vor- und Nachwort gestattet sein. Nachdem der Verfasser seine Verwunderung ausgesprochen, daß so wenige Menschen sich dem Spiritimus zuwenden, von dessen Wahrheit sich jeder leicht überzeugen könne, und die Frage, ob man Jedem anrathen solle, Umgang mit Geistern zu cultiviren, mit Nein beantwortet hat, bemerkt er: „Jeder Mensch, der noch nicht in der Erlösung steht ..., kann eben vermöge seines Standpunktes nur mit Geistern im All (auf der ersten Stufe) verkehren, die oft noch weniger wissen, als er, und sich selbst vielleicht ein Vergnügen daraus machen, ihn irre zu leiten; dagegen kann jeder Mensch, welcher erlöst ist oder der Erlösung nahe steht, mit Geistern auf den höheren Planeten und denen, die in der zweiten Region stehen, verkehren und durch diese viel erfahren, was ihm sehr nützlich sein kann. Wenn er aber hier in der zweiten Region steht, kann er auch mit Geistern in der dritten Region verkehren und wenn er sehr hoch in der dritten steht, was hier möglich ist, kann er mit Geistern noch höherer Regionen und sogar mit Christus selbst schreiben. Referent hat früher mit verschiedenen Geistern der zweiten Region geschrieben, mit Francke aus Dresden (?), mit Schleiermacher und besonders mit Baader; auch in der dritten Region mit Petrus, Paulus und Johannes. Gegenwärtig schreibt er seit einem halben Jahre mit Christus“ – was die Veranlassung zur Herausgabe der betreffenden Schrift ist. Am Schluß dann folgendes Gespräch zwischen Herrn J. Lohse, Moses, Paulus, Christus: „‚Moses, kennst Du meine Schrift mit Christus?‘ ‚Ja, die kenne ich.‘ ‚Bist Du damit zufrieden?‘ ‚Ja, sehr bin ich das.‘ ‚Hast Du jetzt schon gewußt, was ich schreibe?‘ ‚Nein, das habe ich nicht.‘ – ‚Paulus, kennst Du meine Schrift mit Christus?‘ ‚Ja, die kenne ich.‘ ‚Billigst Du, daß ich Manches anders darstelle, als Du es gethan?‘ ‚Ja, das billige ich sehr: thue es!‘ ‚Auch Johannes und Petrus?‘ ‚Ja, ebenso wie ich.‘ ‚Habt Ihr das jetzt alles schon gewußt, was ich schreibe?‘ ‚Nein.‘ ‚Können noch alle Geister bis zur dreißigsten Region daraus lernen?‘ ‚Ja, das können sie.‘ ‚Thun sie es auch?‘ ‚Ja, das thun sie.‘ – ‚Christus, soll ich das eben von Paulus Gesagte dem Schlußworte beifügen?‘ ‚Ja, das sollst Du, ganz so wie es gesagt ist.‘“ – – Und nun wage noch zu zweifeln, Welt!
    D. Red.


Blätter und Blüthen.


Farbenmusik. Seit jeher hat sich eine Vergleichung der Töne mit den Farben aufgedrängt; die Maler sprachen von Farbentönen wie die Musiker von Klangfarben und beide von Harmonien, Dissonanzen etc. der Farben und Töne. Als Newton das weiße Sonnenlicht durch das Prisma in eine Farbenscala zerlegt hatte, da stellte er, einzig der siebentönigen Tonleiter zu Liebe, sieben Hauptfarben auf; andere Forscher fanden, daß die Vocale ganz deutliche Farben besäßen, das; z. B. i gelb und u blau seien, ja Leonhard Hoffmann in seinem Buche über die Farbenharmonie (1786) verglich das reine Blau dem Tone der Violine, das Grün der Menschenstimme und fand die Klänge der Clarinette gelb, der Trompete hochroth, des Waldhorns purpurn, des Fagotts violet, des Violoncells indigoblau etc. Auf diese Vergleiche gestützt versuchte zuerst der Physiker Bertrand Cassel (1688 bis 1757) ein Farbenclavier zu construiren, in welchem das Erscheinen harmonischer und dissonirender Farben in bestimmter Folge den Eindruck einer Farbenmusik hervorbringen sollte. Diese Idee ist ihrer Zeit sehr viel besprochen worden, aber es scheint nicht, daß sie jemals mit einigem Erfolge ausgeführt worden wäre. Neuerdings hat der englische Physiker Sedley Taylor in Cambridge, von den Versuchen mit dem Telephon ausgehend, einen Apparat erdacht, der das Schauspiel einer Farbenmusik in prachtvollster Weise verwirklicht, und den er Phoneidoskop genannt hat. Das Instrument, welches von der Firma C. Tisley u. Comp. in London bezogen werden kann, besteht einfach aus einer metallenen Röhre von der Gestalt eines L, die auf einem kleinen Gestell befestigt ist. An das wagerechte Rohr ist ein Gummirohr mit Mundstück befestigt, um bequem den Klang der Stimme, einer Stimmgabel oder eines musikalischen Instrumentes in das Rohr einzuleiten. Auf die obere Oeffnung werden kleine Blechscheiben gelegt deren verschieden geformte Oeffnungen durch einen Kameelhaarpinsel und gutes Seifenwasser mit einer Seifenblasenhaut versehen werden. Sobald man nun mittelst des Mundstückes einen musikalischen Ton auf das farbespielende Häutchen leitet und dasselbe gleichsam zum schwingenden Telephonplättchen macht, bilden sich prachtvolle Farbenwirbel mit dazwischen stillstehenden Farbenstreifen ähnlich den Klangfiguren, die aber beständig Färbung, Form und Geschwindigkeit ändern, je nachdem das Häutchen dünner wird, der Ton wechselt oder seine Stärke verändert. Die in das Rohr gesungene Tonleiter bringt eine ganze Folge der herrlichsten kaleidoskopischen Farbenmuster, die sich in unerschöpflicher Fülle immer neu und anders gestalten, bis dazwischen schwarze Streifen und Punkte entstehen, worauf das Häutchen platzt.



Freudiger Bericht und neue Bitte. „Sicherlich giebt es noch kinderlose Ehepaare genug, die ihr Herz nicht an einen Hund oder eine Ratte, an einen Canarienvogel oder einige Blumenstöcke verloren haben und die sich freuen, ein armes Kind und mit ihm sich selbst glücklich machen zu können“ – mit dieser Zuversicht sprach die „Gartenlaube“ im vorigen Jahrgange (S. 768) die Bitte für drei arme Schullehrerskinder aus, und schon auf S. 800 konnten wir melden, daß alle drei Waisen eine neue Heimath und neue Eltern gefunden haben. Der Segen jener Bitte ist aber noch größer geworden. Es hatten sich weit mehr Eltern angeboten, als Kinder da waren. Diesem Mangel sollte rasch abgeholfen werden. Wir dürfen nicht verschweigen, daß uns dazu der menschenfreundliche Eifer eines Schulmannes, den selbst ein Häuflein Kinder in die Sorgen und Freuden der Würde eines Vaters und Familienhauptes längst eingeweiht hat, in opferfroher Weise behülflich war. Dank seiner gewissenhaften Bemühung können wir heute berichten, daß auf jene Bitte hin im Ganzen zwölf Kinder, lauter arme Waise, welche öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten oder „Mindestfordernden“ zugefallen wären, liebe Eltern und das Glück der Familienerziehung gefunden haben. Zwei Mädchen und ein Knabe, die bisher unzertrennlich gewesen waren, blieben beisammen, einen einjährigen Knaben holte der neue Vater selbst zur Weihnacht ab und stellte ihn seiner Gattin unter den Christbaum. – Ja, es ist noch schön auf der Welt, wo die reine Menschenliebe so zu handeln vermag. Diese erhebende Erfahrung giebt uns den Muth zu der folgenden weiteren Bitte, die gewiß nicht unerhört bleiben wird.

Ein dreizehnjähriger Knabe von sehr gewinnender körperlicher und geistiger Bildung steht in Gefahr, am Unglück seiner Mutter mit zu Grunde zu gehen. Sie haben in jahrelanger Trübsal gelebt und – „das Elend nietet fester, als das Glück“. Der Knabe hat Niemanden auf der Welt, als seine Mutter; erliegt sie den Entbehrungen, was wird aus ihm? Sie, einst eine tüchtige, hochgebildete Lehrerin aus bester Familie, ist durch Krankheit in Noth gerathen und aus der Noth nicht wieder emporgekommen. Vielleicht erfreut das Herz kinderloser Eheleute der Gedanke, dem begabten Knaben den Lebenspfad zu ebnen, vielleicht auch findet für die Mutter sich eine Hand, welche ihr hilft, sich mit ihren reichen Kenntnissen als Lehrerin ihr Brod wieder zu erwerben. Wir dürfen für diese Unglücklichen nicht ohne höhere Erlaubniß sammeln, aber wir werden Denjenigen, welche sie direct unterstützen oder des jungen Menschen sich annehmen wollen, gern die nöthige Adresse mittheilen.

Fr. Hfm.

Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_338.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)