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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Blätter und Blüthen.


Popp XXII. und der Herzog von Altenburg. Die jüngst mit so festlichem Pompe begangene „silberne Hochzeit“ des Herzogs Ernst von Sachsen-Altenburg ruft uns eine lustige Erinnerung wach, eine Scene aus fröhlicher Jugendzeit, welche vielleicht auch dem Unbetheiligten ein Lächeln entlockt. Die Scene spielt in Jena, und jugendlich übermüthige Musensöhne sind die Helden der Anekdote. Eine Eigenthümlichkeit des Jenaer Studentenlebens, die nur noch auf wenigen andern deutschen Universitäten besteht, sind die sogenannten Hoftage, wie sie von den Corpsstudenten auf den nahe gelegenen Dörfern abgehalten zu werden pflegen. Hier wird ein Stück Mittelalter zur Erscheinung gebracht, so ursprünglich drollig, wie es darzustellen außer lebenslustigen Künstlern nur noch dem Bruder Studio möglich ist. Der auf diesen Hoftagen regierende Student wird von dem Convente des Corps mit Sorgfalt und unter Berücksichtigung gewisser Eigenschaften gewählt, zu denen nicht sowohl die Kunst des vielen Trinkens als vielmehr die Gabe, eine größere Gesellschaft überschäumender Elemente in Ordnung und Zucht zu erhalten und beständig mit neuen launigen Einfällen zu beschäftigen sowie ganz besonders eine glückliche Rednergabe gehört. Der Gewählte führt den Titel eines regierenden Herzogs oder Grafen und erhält einen kurzen einsilbigen Namen, der innerhalb desselben Corps immer derselbe bleibt, während die einzelnen Regenten durch die fortlaufende Nummer unterschieden werden, wie dies bei regierenden Fürsten der Fall zu sein pflegt. Der Gewählte behält seine Stellung ein Jahr oder doch ein Semester lang, und seine Macht und Würde ist keine geringe.

Auf seiner Burg, die der Burgvoigt gewöhnlich am Sonnabend für den Fürsten und sein Gefolge bereit hält, steht ihm der erhabene Thron, zu dessen Seiten die glänzenden Tafeln sich ausdehnen; hier nehmen die Ritter, Knappen und das titellose Gesindel der Füchse in demuthsvoller Ehrfurcht Platz. An einer besonderen Tafel zur Linken des regierenden Herrn thront bei sogenannten geschärften Hoftagen der geistliche Vorsteher dieses wunderlichen Staates, Seine Eminenz der Herr Erz- und Weihbischof, dem es obliegt, bei feierlichen Gelegenheiten, bei Ernennung der Knappen zu Rittern, bei Ordensverleihungen und ähnlichen Gnadenbezeigungen die Gunst des Fürsten durch besondere feierliche Rede in’s rechte Licht zu setzen. Das gewaltige, breite Schwert, dessen der Fürst bei diesen Hoftagen sich bedient, flößt allgemeinen Respect ein: mit demselben schlägt er auf das vor ihm stehende Pult, um den Burgfrieden zu gebieten, der hier die Stelle des Silentium vertritt, mit demselben werden aber auch die Knappen zu Rittern geschlagen, während sie, vor dem Throne knieend, die drei Gelübde ablegen, welche die alten Ordensritter bei ihrer Aufnahme in den Orden ablegen mußten. Diese Ritterschläge pflegen so kräftig zu sein, daß die Erinnerung daran so bald nicht verschwindet. – Vor diesem Throne läßt sich aber auch das zarte Geschlecht erblicken, und wenn es nur das Burgfräulein, des Burgvoigts ehrsames Töchterlein, wäre, das seine Ernennung zur „Burgprinzessin“ und einen für sie speciell gegründeten Orden mit erröthenden Wangen aus den Händen des gnädigen Fürsten in Empfang nehmen sollte. –

Bei der Krönung des neugewählten Fürsten findet in der Regel ein feierlicher Auszug statt, dessen Glanz durch die Theilnahme der übrigen Corpsverbindungen, die dazu Einladungen erhalten, noch vermehrt wird. So feierte im Sommer des Jahres 1852 das Corps „Guestphalia“ zu Jena das Krönungsfest des neu ernannten Popp durch einen solchen.

Der Zug wurde durch Vorreiter eröffnet, welchen ein eleganter sechsspänniger Wagen folgte, in dem Seine Erlaucht der regierende Graf Popp XXII. Platz genommen hatten. Der Fürst verfehlte nicht durch seine Erscheinung einen imponirenden Eindruck zu machen, denn sein Haupt zierte die prächtige Krone; der Hermelin umfloß seine breiten Schultern; auf seiner Brust glänzte der „große Sonnenorden“, dessen einziges Exemplar nur von dem regierenden Herrn getragen wurde, und das blanke Schwert in seiner Hand kündete die gewaltige Macht des erlauchten Herrschers. Zwei Edelknappen in festlichem Schmucke standen auf dem Rücktritt seines Wagens, bereit auf den leisesten Wink die Befehle ihres gnädigen Herrn zu vollführen. Diesem Wagen folgte ein zweiter Sechsspänner, in welchem Seine Eminenz der Herr Erz- und Weihbischof saßen. Auch das Bild, welches dieser geistliche Oberherr gewährte, war ein glänzendes. Der sternenbesäete weiße Ueberwurf, auf welchen ein gewaltiger Bart herabfloß, die Bischofsmütze und in der Hand der glänzende Krummstab, das Alles machte seine Erscheinung zu einer durchaus würdigen.

Auch auf dem Rücktritt seines Wagens standen die üblichen Edelknappen. Nun folgten die eingeladenen Gäste, voran Thuß, der regierende Herzog von Lichtenhain, der Vertreter des Corps „Thuringia“, sämmtlich in glänzenden vierspännigen Equipagen; hierauf eine lange Reihe Wagen, in welchen die Ritter mit Orden geschmückt und schließlich die Knappen und das titellose Gesindel saßen, während der Zug von einigen Einspännern geschlossen wurde, in denen die Hunde des Corps saßen, die ebenfalls nicht umhin konnten, an dem festlichen Tage eine gewisse Würde zur Schau zu tragen.

Als dieser lange Festzug vom Marktplatz zu Jena aus sich nach Winzerla, der damaligen Burg der Westfalen, in Bewegung gesetzt hatte und am Holzmarkt in Jena vorüberfuhr, erregten zwei dort haltende vierspännige Equipagen mit herzoglich altenburgischer Livrée die Aufmerksamkeit der vorüberfahrenden Studenten. Bald darauf, auf der Chaussee nach Winzerla, bemerkte man, daß diese beiden Equipagen dem Zuge nachgefahren kamen, und es wurde bekannt, daß in dem einen Wagen Seine Hoheit der regierende Herzog von Sachsen-Altenburg saß. Auf Veranlassung einiger Staatsangehörigen dieses Fürsten, die sich unter den Studenten befanden, traf der Anführer des Studentenzuges, der damals ein Sachse war, die nöthigen Anweisungen, um in Winzerla, bis wohin die nach Kahla fahrenden herzogliche Wagen dem Studentenzuge der außerordentlich schmalen Chaussee halber folgen mußten, dem Herzoge eine kleine Ovation zu bringen. In Winzerla an der festlich geschmückten Burg angekommen, vor der ein freier Platz sich befindet, ließ der regierende Popp die studentischen Wagen im Halbkreise auseinander fahren um ein Passiren für die herzoglichen Equiwagen zu ermöglichen. Als nun der Wagen mit dem regierenden Herzog von Altenburg an demjenigen des studentischen Oberhauptes vorüberfuhr, erhob sich dieses und sprach folgende weithin tönende Worte:

„Wir Popp XXII., regierender Graf von Henneberg, Wöllnitz, Winzerla, Herr aller Länder, So Uns gehören und nicht gehören, empfangen Unsern Vetter Liebden, Seine Hoheit den regierenden Herzog von Sachsen-Altenburg in Unsern Staaten mit einem dreimaligen Hurrah!“

Das Corps der Studenten ließ ein kräftiges Hurrah erschallen; die Musik fiel fröhlich ein; einige Böller öffneten ihren Mund, und die ganze Scene hatte eine gewisse Feierlichkeit trotz all des komischen studentischen Aufzugs. Der Herzog von Altenburg grüßte und dankte nach allen Seiten auf’s Freundlichste und schien von dem eigenthümlichen Empfange, trotz der neu entdeckten Vetterschaft, unter richtiger Würdigung der Umstände keineswegs unangenehm berührt.

Popp XXII. gehört längst zu den „Depossedirten“. Ob sein glücklicher „Vetter Liebden“ noch eine Erinnerung an den Scherz bewahren mag?

Dr. B… R…




Unsere Bilder. Der Leser findet heute der „Gartenlaube“, wenn er jetzt zurückblättert, ein Idyll und ein Stück Natur-Epos in Bildern beigegeben. Wir führen ihn zunächst mit dem Kindchen, dessen Puppe den Kopf verloren hat, „Vor die rechte Schmiede“ – (S. 319) und dann ohne Zwischenvorhang sogleich zu unsern „Schmugglern in Nöthen“. Mit der ärztlichen Praxis, welche das Kind dem freundlichen Schmiedemeister zumuthet, findet jeder Kinderfreund sich selbst ab. Ob der Puppe der lose Kopf festgenagelt oder angeleimt werden soll, ist noch nicht ermittelt. Wir müssen das lediglich der Betheiligten überlassen. – Die schöne Harmlosigkeit verläßt uns plötzlich, blicken wir auf die „Schmuggler in Nöthen“ (Abbildung S. 311). Wir stehen da vor einem Alpenbilde, für dessen schaurige Erscheinung die Natur des Hochgebirges noch Stoff liefert, wenn der Bewohner der Ebene schon lange unter blühenden Bäumen sich von der Frühlingssonne bescheinen läßt. Die Österreichischen Zollgrenzen bieten sowohl nach der Schweizerseite, wie nach Italien hin dem Maler oft genug die halsbrechendsten Gelegenheiten zur Beobachtung solcher Scenen, wo der Mensch mit gleichem Trotze gegen Gesetz und Natur kämpft. Wir haben früher einmal erzählt, mit welcher Beharrlichkeit im Wagniß die Tiroler das Salz, das Oesterreich, wohl vertragsmäßig den benachbarten Schweizercantonen zu einem billigeren Preis, als im eigenen Lande lieferte, in langen Pascherzügen wieder nach Tirol zurücktrugen; an den italienischen Grenzen ist besonders die Seide eine einträgliche Schwärzerwaare, und einem solchen Zuge begegnen wir in dem Bilde Albert Richter’s. Durch die scheinbare Holzbelastung der Saumthiere dürfen wir uns nicht täuschen lassen. Eine leichte Arbeit hat der Schmuggler im Gebirge nicht. Wenn die Bora schneetrunken über den schmalen Saumpfad zu rasen beginnt, wie sie den Schmuggelzug unseres Bildes überfallen hat, dann ist es gewöhnlich zu spät sein Testament zu machen!



Billige Futterstoffe. In Schottland wird der Mehlkörper des Hafers vielfach zum Backen verwendet, und es bleiben beim Mahlen des Korns große Mengen der Hülsen zurück, die jetzt nach Deutschland als Mehl importirt werden, um hier als Zusatz zum Viehfutter Verwendung zu finden. Was nun den Nährwerth dieser Hülsen betrifft, so ist er demjenigen der Sägespähne gleich zu erachten, denn die Proteinkörper darin betragen noch nicht einhalb Procent. Dieser Futterstoff ist überhaupt der Holzsubstanz sehr ähnlich; er enthält vorwiegend inkrustirende Materie und Zellstoff. Obgleich nun selbst von den Holzspähnen ein gewisser Procentsatz beim Durchgang durch den tierischen Organismus verdaut wird, so liegt es doch außer allem Zweifel, daß es sich beim Zusatz derartiger geringwertiger Substanzen zu einem guten, nahrhaften Futtermehl nur um eine Uebervortheilung der Abnehmer handeln kann. Ebenso sollen jetzt die Reishülsen in gemahlenem Zustande als Beimischung zu Viehfuttermehlsorten Verwendung finden, und stehen diese den Haferhülsen in ihrem Unwerth als Nahrungsmittel in keiner Weise nach; ja sie übertreffen dieselben vielleicht noch.

Man sieht, daß unsere Hausthiere in Bezug auf die Verfälschung ihrer Lebensmittel das gleiche Schicksal mit den Menschen theilen.

E.




Kleiner Briefkasten.

Emmy L. in L. Wir bedauern, Ihnen einen Rath nicht erteilen zu können, da wir den Werth der Bilder aus der Entfernung nicht zu beurtheilen vermögen. Probiren Sie es mit einer Annouce in der Kölnischen oder Augsburger Allgemeinen Zeitung!

C. D. vom Rhein. Die kürzlich in Leipzig unter dem Namen „Symposion“ gegründete Schriftstellergesellschaft hat vorläufig nur den rein gesellschaftlichen Zweck gegenseitiger Annäherung ihrer Mitglieder unter einander. Ihre Anfrage, mit Bezug auf die Pariser Versammlung erledigt sich somit einfach genug – natürlich: nein!

L. T. Gedichte! – H. M. in Berlin. Desgleichen. Wer so fragt, braucht nicht zu fürchten, daß er ein Dichter wird.

G. G. in Hannover. Zuschrift unverständlich, da Adressat von der ganzen Angelegenheit und besonders von einer angeblichen Behandlung derselben in der „Gartenlaube“ nichts weiß.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_322.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)