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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

darüber Folgendes: „Bei der Feier der fünfzigjährigen Dienstzeit des durch seine große Karte von Deutschland bekannten Hauptmann Reymann sprach sich in der Gesellschaft, welche das Jubelfest beging, der Wunsch aus, zum Andenken an diesen Tag einen Verein von Freunden der Erdkunde in Berlin zu stiften. Zum vorbereitenden Ordner eines solchen Vereins wurde Prof. Wohlers gewählt, und es erschienen zwei Tage darauf, am 20. April 1828, in der Behausung desselben Major v. Rau, Director Klöden, Major v. Etzel, Prof. Zeune, Prof. Berghaus und Hauptmann Baeyer. In dieser vorbereitenden Sitzung einigte man sich über folgende Punkte: Der Zweck der Gesellschaft ist Beförderung der Erdkunde im weitesten Sinne des Worts durch mündliche oder schriftliche Mittheilung. Diesen Zweck können befördern helfen alle Einwohner Berlins, von denen bekannt ist, daß sie die ganze Erdkunde oder einen Zweig derselben zu ihrem wissenschaftlichen Studium gemacht haben, Künstler, die durch ihre rühmlichst bekannte Geschicklichkeit das Studium der Erdkunde erleichtern und fördern, alle welche durch Mittheilung von Materialien der Gesellschaft nützlich werden können. Die Gesellschaft vereinigt sich monatlich einmal, und zwar am ersten Sonnabend des Monats, Abends um 7 Uhr.“ Die erste wirkliche Sitzung erfolgte am 7. Juni. In ihr waren außer den bereits Genannten noch zwanzig andere Professoren anwesend, darunter v. Dechen, v. Ledebur, Ritter, Adalbert v. Chamisso, v. Falkenstein und Mädler. Zum „Director“ wurde Karl Ritter gewählt (sein Stellvertreter war v. Etzel), zu Secretären Prof. Stein und Director Klöden; Hauptmann Reymann wurde Ehrenmitglied der Gesellschaft.

Gerade zu jener Zeit hatte Alexander von Humboldt seine berühmten beiden Cyclen von öffentlichen Vorträgen in Berlin beendigt und in ihnen das in fast erdrückender Menge herbeigeströmte Publicum zu hellem Enthusiasmus hingerissen. Die Wogen der Begeisterung gingen damals so hoch, daß wir die Begründung der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin gradezu als ihren Ausfluß betrachten dürfen. Deshalb wohnte dem jungen Vereine von vorn herein eine so eminente Lebensfähigkeit bei, daß er es sogar wagen durfte, am 25. September 1828 die ein Jahr vorher gegründete Versammlung deutscher Naturforscher zu einer außerordentlichen Sitzung bei sich zu empfangen. Von Jahr zu Jahr wuchs die Zahl der Mitglieder, und schon im Mai 1839 wurden der Gesellschaft durch Cabinetsordre die Rechte einer juristischen Person ertheilt. In demselben Maßstabe, wie dieses Wachsthum vor sich ging und die Bedeutung stieg, konnte sie es auch wagen, ihre Ehrenmitgliedschaft Männern wie Humboldt, Bessel, Leopold v. Buch, Richardson, Sabine, Murchison, Rawlinson u. A. m. anzubieten; sie darf heute noch mit Stolz einen Samuel Baker, Bancroft, Cameron, Charles Darwin, Desor, Hayes, M’Clintock, Przewalski, Renan, de la Roncière, de Noury, Tyndall u. A. von den auswärtigen Gelehrten dazu rechnen, ja während ihr als ordentliche Mitglieder auch eine Anzahl von fürstlichen Personen angehörten und angehören, darunter die Prinzen Waldemar und Adalbert von Preußen, der Erbprinz von Sachsen-Meiningen, der Prinz Heinrich zu Schönaich-Carolath, hatte sie auch die Freude, daß der um die Wissenschaft hochverdiente König der Belgier, Leopold II., der die internationale Association zur Erforschung von Afrika in’s Leben gerufen hatte, 1876 ihre Ehrenmitgliedschaft annahm, ebenso wie dies der Erzherzog Ludwig Salvator von Toscana 1874 gethan hatte.

Es konnte natürlich nicht fehlen, daß während der Entwickelung der Gesellschaft, zu der im Laufe der Jahrzehnte so ziemlich Alles, was auf wissenschaftliche Stellung in einer der Zweigwissenschaften der Geographie sowie auf hohen gesellschaftlichen Rang Ansprüche machen konnte, beitrat, die Oberleitung Männern in die Hände gelegt wurde, welche nicht nur selbst eine hervorragende Stelle als Gelehrte, Forscher oder Reisende einnahmen, sondern die auch nach jeder andern Richtung hin diesen großen Kreis würdig zu repräsentiren verstanden. So haben viele Jahre hindurch, Mancher längere, Mancher kürzere Zeit, je nachdem dazwischentretende Reisen oder die Bestimmungen der Statuten das Amt unterbrachen, diejenigen Männer, deren Abbildungen wir auf dem nebenstehenden Tableau bringen, die Direction der Gesellschaft gehabt: Karl Ritter, Dove, Ehrenberg, Lichtenstein, Barth, der Baron von Richthofen und endlich Bastian, der rastlose Reisende, der alle Continente mit eigenen Augen geschaut und mehr als ein anderer Gelehrter „vieler Sterblichen Städte gesehen und Sinnesart erkundet hat.“ Die beiden letztgenannten ausgezeichneten Gelehrten, welche einen Weltruf besitzen, stehen noch heute an der Spitze der Gesellschaft und zwar in diesem Jahre von Richthofen als erster und Bastian als zweiter „Director“; der greise Nestor unserer Meteorologie, Dove, ist, wie schon gesagt, Ehrenpräsident. Das achte Portrait ist dasjenige des ältesten Mitgliedes, des hochverdienten General Baeyer, der mit der Gesellschaft zusammen sein fünfzigjähriges Jubiläum feiert. Leider gestattet es der uns knapp zugemessene Raum nicht, hier näher auf die persönlichen Verdienste der Genannten einzugehen.

Hand in Hand mit dem Wachsthume der „Gesellschaft für Erdkunde“ nach außen hin nahm auch ihr Besitzthum zu, welches in zwei Kategorien zerfiel, nämlich in baares Geld und in literarische Schätze. Die Vermehrung des klingenden Vermögens verdankt sie einer eigenthümlichen Einrichtung, dem gemeinschaftlichen Abendessen der Mitglieder nach jeder Sitzung. Durch den jährlichen Beitrag, welchen Jeder zahlt, wird gleichzeitig die Berechtigung zur Theilnahme an den üblichen Soupers erworben; für jedes am Essen nicht theilnehmende Mitglied aber zahlt die Gesellschaft den Betrag für das Couvert nicht an den Wirth, sondern sie wendet ihn ihrer Casse zu. Durch dieses „Abhungern und Abdarben“, wie sich Dove einmal scherzend ausgedrückt, hat sich die Gesellschaft nach und nach so viel Mittel erworben, daß sie nicht nur zu wiederholten Malen Reisende unterstützt, sondern auch in neuerer Zeit ihre durch Geschenke stark angewachsene Bibliothek so sehr completiren konnte, daß dieselbe gegenwärtig circa dreitausend Druckwerke und über zehntausend, meist aus älterer Zeit stammende Karten und Atlanten besitzt.

Seit fünfundzwanzig Jahren ist der treue Verwalter dieser Schätze Professor Koner, der bekannte Bibliothekar der Berliner Universitätsbibliothek. Derselbe gewissenhafte Beamte ist auch langjähriger Redacteur der „Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin“, welche gleichfalls in diesem Jahre und zwar am 1. Juli ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum feiern wird, da ihr erster Band im Jahre 1858 unter dem Titel „Zeitschrift für allgemeine Erdkunde“ in wesentlicher Erweiterung der bis dahin herausgegebenen Monatshefte erschien. Diese Zeitschrift bringt Jahr für Jahr eine tausende von Nummern umfassende Uebersicht über die auf dem Gebiete der Geographie neu erschienenen Werke, Aufsätze, Karten und Pläne, die gleichfalls von W. Koner, der auch Archivar der Gesellschaft ist, aufgestellt wird. Von anderen Mitgliedern des gegenwärtigen Vorstandes bleiben noch aufzuführen Professor Hartmann als zweiter stellvertretender Vorsitzender, von Boguslawski, Marthe und Kersten als Schriftführer und Bütow als Schatzmeister. Als wissenschaftlicher Beirath fungiren die Herren: Geheimer Bergrath Beyrich, Kammergerichtsrath Deegen, General von Etzel, der Director der Berliner Sternwarte, Professor Förster, der Afrikareisende G. Fritsch, Geheimerath Göring, der verdienstvolle und beliebte Ministerialdirector Greiff, der Director der Bergakademie und geologischen Landesanstalt Hauchecorne, Professor H. Kiepert, der allen Lesern der „Gartenlaube“ bekannte Vorstand der Plankammer des königlich preußischen statistischen Bureaus, Dr. Henry Lange, Geheimrath Professor Dr. Meitzen, der Präsident der Afrikanischen Gesellschaft Dr. Nachtigal, der Verlagsbuchhändler O. Reimer, der Führer der „Gazelle“ auf ihrer wissenschaftlichen Erdumsegelung, Capitain zur See Freiherr von Schleinitz, und der Präsident des Kammergerichts von Strampff. Seit fünf Jahren werden jetzt auch wieder die Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde herausgegeben und zeichnen dafür im Auftrage des Vorstandes von Boguslawski und der berühmte Reisende Dr. W. Reiß.

Die hohe Mitgliederzahl, welche die Gesellschaft gegenwärtig besitzt, ist dennoch zu zwei Drittheilen erst seit dem Beginn dieses Jahrzehnts eingetreten; ihr Procentsatz würde nicht so hoch sein, wenn nicht der Nekrolog fast allmonatlich die Nachricht von dem Dahinscheiden eines oder mehrerer der alten Mitglieder brächte. Noch halten sich indessen Viele von denen, die in den dreißiger bis fünfziger Jahren eingetreten sind, tapfer. Außer den bereits Genannten sind hier von Klöden, der 1838 eintrat, Professor Peters, der Director des Berliner zoologischen Museums, der seit 1843 Mitglied ist, dann Quincke, Herrig,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_296.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)