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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Telegraphendraht, das heißt: der elektrische Strom findet in einem Baume den nämlichen Widerstand, den er beim Durchlaufen eines Telegraphendrahts von circa 26,000 bis 52,000 Meilen Länge zu überwinden hätte. Der Widerstand im Stamme überschreitet in einen Höhe von 7 bis 8 Metern, wenn der Erdboden als Zwischenmittel benutzt wird, bei stärkeren Bäumen nicht 7000 Kilometer und variirt bei Einschaltung kleiner metallischer Elektroden zwischen 2000 und 7000 Kilometer. Man hat hiernach keine Ursache, sich zu sehr vor der Berührung der Blätter der Bäume mit den Drähten der Telegraphen zu fürchten, denn die aus diesen Linien angewendeten Isolatoren besitzen, sobald sie vom Rauche geschwärzt sind, ebenfalls keine größere Widerstandsfähigkeit. Der Leitungswiderstand gewöhnlicher Häuser ist sechszehn- bis zwanzigmal größer, als jener der Bäume.“

Ich muß es Fachmännern überlassen, zu entscheiden, ob hieraus Schlüsse aus unseren Fall gezogen werden können, und welche.

Nächst dem Hause, in welchem der Reichskanzler geboren worden, in dem er von 1845 an bis 1851 meist lebte und auch in den Jahren von da an bis 1867 wiederholt für längere Zeit seinen Aufenthalt nahm, nächst diesem Hause und den alten Bäumen im Parke und Garten, welche Zeugen seiner ersten Kinderspiele, dann seines gährenden und überschäumenden Jugendhumors, endlich seines Heranreifens zum Politiker waren, müssen wir auch der Kirche einen kurzen Besuch abstatten, in der er getauft worden ist. Denn der Fürst ist – man lasse sich durch seinen Kampf mit den Schwarzen vom geraden und krummen Horne nicht beirren! – ein streng religiöser Mann, und die alte romanische Kirche von Schönhausen ist in der That sehenswerth. Nicht viele Dörfer Norddeutschlands werden ein so altes Gotteshaus aufzuweisen haben, das so wohl erhalten ist, und das sich namentlich seinem Aeußeren nach so stattlich präsentirt.

Die Kirche liegt auf derselben Bodenerhebung wie das Herrenhaus, doch ein wenig höher, und stammt aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts (1202), also aus einer Zeit, wo das Heidenthum dieser Gegend noch nicht lange vor dem Christenthume gewichen war. Von Ziegeln erbaut, mit zwei Reihen kleiner Rundbogenfenster versehen, macht sie mit ihren dicken Wänden und ihrem breitschulterigen Thurme den Eindruck, als ob sie dem umwohnenden Landvolke in alter Zeit bei feindlichen Einfällen zugleich als Burg und Zuflucht hätte dienen sollen. Der Form nach ist sie eine Basilika mit drei Schiffen in welche Emporkirchen hineingebaut sind. Das Innere gehört nach seiner Ausschmückung verschiedenen Stilen an. Noch von mittelalterlicher Kunst geschaffen ist ein großes weiß übertünchtes Crucifix, das rechter Hand vom Eingange an der Wand befestigt ist. Gleichfalls sehr alt scheinen einige der Gruftplatten von Sandstein zu sein, welche, mit jetzt großenteils abgetretenen Bildern und Inschriften versehen, den Fußboden bedecken. Schon aus der Periode der Renaissance ist der Grabstein des Ritters Jobst von Bismarck, der unter einem emporkirchenartigen Betstuhle neben der Kanzel in die Wand eingefügt ist und die Jahreszahl 1589 trägt. Die Kanzel, der Altar, den Fahnen schmücken, der herrschaftliche Chorstuhl, welcher, von braunem Eichenholze gezimmert und mit hübschen Ornamenten verziert, der Kanzel gegenüber auf der dort sich hinziehenden Emporkirche hervortritt, gehören ihrem Stile nach in die zweite Hälfte des 17. und in die erste des vorigen Jahrhunderts, aus welcher Zeit auch die an der Kanzelseite befindlichen Gedächtnißtafeln stammen. Eine derselben stellt den Landrath August von Bismarck vor, dessen Namen wir auf dem Wappen über der Hauptthür des von ihm wieder hergestellten Herrenhauses begegneten. Ein anderes, sehr groß und reich geschmückt, zeigt die ovalen Oelbilder der Eltern desselben, des kurbrandenburgischen Obersten August von Bismarck und seiner Gemahlin Friederike Sophie, geborenen von Möllendorf, von denen Ersterer im Jahre 1670 gestorben ist. Nicht weit davon erinnert eine einfache Gedächtnißtafel an die Mutter des Reichskanzlers, und ihr schräg gegenüber hängt ein Oelgemälde, welches einen der letzten Pfarrer der Kirche darstellt. An der schmalen Westseite der letzteren, dem Altare gegenüber, befindet sich eine stattliche Orgel, die vor Kurzem durch freiwillige Beiträge der Ortsangehörigen – es kamen gegen tausend Thaler zusammen – reparirt worden ist. An der Brüstung vor ihr liest man auf Tafeln die Namen der in den letzten Kriegen Preußens für das Vaterland gefallenen Schönhausener, unter denen wir auch einen Oheim des Fürsten finden, der als Husarenmajor in der Schlacht bei Leipzig tödtlich verwundet wurde. Unten in der Ecke rechts vom Eingange zu der Treppe, die in den Thurm hinaufführt, liegt, durch eine Thür mit großem Schlosse abgesperrt, die Familiengruft der Bismarcks. Herr Kohnert erzählte mir hier: „Die Bauern von Schönhausen sahen sich genöthigt, auf einen neuen Kirchhof Bedacht zu nehmen, und wählten dazu einen Platz, der die hohe Wurth heißt. Man fragte den Fürsten, ob er dort auch ein Erbbegräbniß haben wolle. Er antwortete freundlich und mit schönem Danke für die Anfrage, die Stelle hätte ohne Zweifel ihre Vorzüge, sie wäre ihm aber zu windig’.“ –

Begeben wir uns nun von Schönhausen über Stendal und Wittenberge nach einer vom Fürsten neuerdings erworbenen Besitzung, dem mächtigen Complex von Waldgrundstücken im Lauenburgischen, welcher in den Oertchen Friedrichsruhe seinen Mittelpunkt hat. Er besteht in dem sogenannten Sachsenwalde, der sich, etwa zwei Meilen südlich von Hamburg beginnend und an einigen Stellen bis zur Elbe hinabreichend, zu beiden Seiten der Hamburg-Berliner Eisenbahn hinzieht. Dieser Besitz war ursprünglich Domäne und wurde dem Reichskanzler 1871 vom Kaiser als Herzog von Lauenburg zum Zeichen der Anerkennung seiner Verdienste überwiesen. Feldbesitz von Bedeutung war ursprüglich nicht damit verbunden. Auch befand sich hier kein Schloß oder Herrenhaus. Neuerdings hat der Fürst die Güter Silk und Schönau dazu gekauft, in welchem letztere ein großer Wirthschaftshof ist, von dessen geräumiger und elegant eingerichteter Inspectorwohnung man einen Theil der Gutsfelder und des Sachsenwaldes übersieht. Der Viehstand ist hier erheblich kleiner als in Schönhausen; wenn ich mich recht erinnere, sprach die freundliche Frau Inspectorin, die meine Führer und mich in Abwesenheit ihres Mannes durch Haus und Stall begleitete, von fünfzig Stück Rindvieh. Auch der Boden ist nicht so gut, wie der zum Stammhause des Kanzlers gehörige. Herrlich dagegen ist der Wald, in dessen Mitte im tiefsten Thale der Aue das Oertchen Friedrichsruhe liegt.

Letzteres ist neueren Ursprungs und besteht aus einem Stationsgebäude der Eisenbahn, einem kleinen Posthause, der netten Wohnung des Oberförsters, in welcher der Fürst bisher abstieg, wenn er sich hier einige Tage aufhielt, einer Mühle, einem Gasthause, vier oder fünf hübsch im Grünen gelegenen Villen, in welchen wohlhabende Hamburger ihre Sommerfrische abhalten, und einem ziemlich großen Logirhause mit einem Anflug von Schweizerstil, welches vor Kurzem vom Reichskanzler angekauft worden ist und jetzt für ihn umgebaut wird. Da die Verhältnisse hier einfach lagen und keine Erinnerungen von Bedeutung aufzusuchen waren, auch die Zeit drängte – sonst hätte ich gern noch mehr von dem schönen Walde gesehen – so war mein Besuch hier nur ein kurzer. Er genügte indeß, mich über den Charakter des Ganzen zu orientiren und mich in Oberförster Lange, an den ich empfohlen war, einen liebenswürdigen, wohlunterrichteten Mann kennen lernen zu lassen. Ich besah mit ihm zunächst das Haus, das gegenwärtig für den Fürsten eingerichtet wird und in welchem er, da es für unwillkommenen Besuch allerdings nicht so schwer erreichbar als das ferne Varzin, für willkommene aber leichter zu erreichen ist, später vermuthlich länger seinen Aufenthalt für Urlaubszeiten nehmen wird. Dasselbe ist ein schon auf der Bahnstation ziemlich in die Augen fallendes Gebäude, das in seinen drei Stockwerken reichlich Raum für einen vornehmen Haushalt, aber weder hohe noch geräumige Säle noch andere Einrichtungen hat, die den Eindruck besonderer Eleganz machen. Mehr scheint der Fürst auf die Umgebung verwenden zu wollen. Hinter der Terrasse neben dem Hause, die bei meiner Anwesenheit in der Vollendung begriffen war, bahnte man durch die dort stehende herrlichen Gruppen hochstämmiger Buchen und Fichten Schlangenwege nach verschiedenen Punkten, die eine anmuthige Aussicht auf den Lauf der vielgewundenen Aue bieten. Andere Arbeiter waren mit Schaufel und Schubkarren beschäftigt, diesen Wasserlauf malerischer zu gestalten und den Teich bei der Mühle, in dem sich der Bach sammelt, zu schlämmen. Alle Neubauten wurden mit schönen rothen Backsteinen aufgeführt, welche man selbst erzeugte.

Später zeigte mir der Oberförster, indem er Pächter Peters

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_261.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)