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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

hätte er doch an dem gazellenartig zierlichen Bau und den anmuthigen, weichen Wellenlinien ihres schlanken feinen Körpers unmöglich etwas aussetzen können.

Nach vollendetem Tanze zeigte ich den liebenswürdigen Ballerinas von Thaba-Nchu vor meinem Wagen allerhand Curiositäten und Seltenheiten, namentlich aber meine Sammlung von afrikanischen Photographien. Vorher ließ ich sie mein eigenes Bild beschauen, das von den umstehenden schwarzen Gazellen sofort erkannt wurde, wie mir die nächststehende und kühnste deutlich dadurch zu verstehen gab, daß sie mich mit schelmischem Lächeln an meinem langen Schnurrbarte zupfte und dabei auf das Bild wies. Nun brachte ich mein einen Fuß im Durchmesser großes Vergrößerungsglas heraus, welches die Photographien vollständig bis zur Lebensgröße darstellt. Wie soll ich aber den immensen Jubel beschreiben, welcher unter meinen schönen Zuschauerinnen entstand, als ich einige Dutzend von Photographien von Negermädchen eine nach der anderen hinter das Glas hielt! Es war ein solches reines und kindliches Entzücken ohne Ende, daß ich gewünscht hätte, meine Bildersammlung möchte nie ein Ende nehmen.

Dann kam das Brennglas an die Reihe, womit ich einigen mitanwesenden schwarzen Jungen ein wenig die Haut versengte – zu ihrem panischen Schrecken, aber zur großen Genugthuung der übrigen Gesellschaft – dann meine Uhr, meine Kleider, mein Zelt, mein Bett, mein Spiegel — alles wurde befühlt und betupft und bewundert, am meisten aber das Innere meines Wagens, welcher in seiner wirklich eleganten Ausschmückung den Eindruck eines fahrenden Königspalastes zu machen schien.

Nachdem meine liebenswürdigen Gäste sich an allen diesen fremdartigen Herrlichkeiten recht satt gesehen hatten, sagte ich ihnen gute Nacht und zog mich in meinen Wagen zurück, von dessen Fenstern aus ich noch lange die fröhlichen Gesänge der in langer Procession heimkehrenden ‚Rosen von Südafrika‘ zu mir herüberhallen hörte.

Am nächsten Morgen hatte ich wieder eine drollige Ueberraschung. Als ich meinen Kopf zum Fenster hinaushielt, sah ich meinen Wagen umgeben von ungefähr einem Dutzend junger Mädchen, die mich ehrfurchtsvoll und mit bittenden Geberden ansahen. Mein Hottentott Isaak, den ich befragte, was sie denn von mir wollten, antwortete mir, sie wünschten – man erschrecke nicht! – daß ich ihnen den Dung meiner Ochsen überlassen möchte, und zwar habe eine jede von ihnen die specielle Bitte, ihr allein, mit Ausschluß der andern, diese ehrenvolle Vergünstigung – jedenfalls ein sehr eigenthümliches Monopol – zu gewähren.

Das einzige Brennmaterial im Lande ist nämlich getrockneter Rinderdung, und solchen zu sammeln ist bei einer so dicht zusammengedrängten Bevölkerung von 25000 Schwarzen keine leichte Sache, denn alle Frauen und Mädchen der ganzen mit dem gemeinsamen Namen Thaba-Nchu belegten Ansammlung von Negerdörfern sind von früh bis in die Nacht auf der Jagd nach diesem kostbarsten aller Stoffe.

Ich war nun freilich bei der mir zugemutheten Entscheidung und Wahl zwischen so liebenswürdigen Bewerberinnen fast in einer ähnlich üblen Lage wie einst Paris mit dem verfänglichen Apfel, und ich gab zuletzt den mir am weisesten scheinenden Richterspruch, daß der Dung immer derjenigen gehören solle, die am ersten an der Stelle sei, um ihn wegzunehmen.

Der frische Dung wird von den Negerinnen zunächst in ihren Gärten an der Sonne getrocknet und dann in dicke harte Scheiben geformt und gepreßt. Den Rest, den sie nicht für sich selbst brauchen, pflegen sie an solche zu verkaufen, die nicht persönlich mit auf die Düngerjagd ausziehen, also an die vornehmeren Einwohner der Stadt und an die wenigen hier wohnenden Weißen. Welchen hohen Werth der getrocknete Dung hier hat, ist daraus zu ersehen, daß ich für meinen spärlichen Küchengebrauch jeden Tag für zwei bis dreieinhalb Mark kaufen mußte, nur um das nothwendigste Küchenfeuer dreimal täglich zu unterhalten.

Es war für mich ein großes Vergnügen, Morgenspaziergänge innerhalb dieses interessanten Chaos von Bienenkörben und Heuschobern zu machen, den man Thaba-Nchu nennt. An einen regelmäßigen Stadtplan ist natürlich nicht zu denken; die Hütten sind ohne alle Ordnung durch einander gewürfelt, und zahlreiche schmale Fußwege krümmen sich in allen Richtungen durch dieses bunte Labyrinth.

Der Bauplan aller Hütten ist ganz genau derselbe: ein kreisförmiger Bau von mit Lehm beworfenem Rohr, gedeckt mit spitz auslaufendem Grasdach. Das Innere ist ein dunkler Raum ohne Fenster, so hoch, daß ein Mann darin bequem aufrecht stehen kann. Er ist in mehrere, durch thürartige Oeffnungen verbundene, kleinere Räume getheilt, von denen der eine als Schlafgemach, die anderen als Küche und Besuchszimmer dienen. Um die Hüttenwand herum geht eine Art enger verandaartiger Gallerie, welche noch von dem vorspringenden und rings herum auf schmalen Holzsäulchen gestützten Grasdach gedeckt wird und so bei Regenwetter trockene Unterkunft bietet.

Die Hütten und ihre sie umgebenden, von Lehmmauern oder Zäunen eingefaßten Höfe sind durchweg sehr sauber und reinlich gehalten, und es sind mir überhaupt diese Barolongs als eins der reinlichsten Kaffernvölker erschienen.

Bei schönem Wetter (welches dort immer das vorherrschende ist) finden alle häuslichen Arbeiten: Küche, Wäsche, Zerstoßen des Korns etc., im Hofe statt. Ein Spaziergang durch dieses Labyrinth von Hütten und Gärtchen (denn jede Hütte hat ihr Gemüse- und Fruchtgärtchen neben sich) ist deshalb so interessant, weil man in allen Höfen über die niedrige Lehmmauer hinweg das volle Familienleben und die ganze Hauswirthschaft in Thätigkeit sieht. Perlengeschmückte Frauen bereiten das stereotype Mittagessen zu: Brei aus Kaffernkorn; nackte Kinder spielen mit Hunden neben ihnen; der Mann liegt rauchend vor der Hütte oder ist in eifriger Unterhaltung mit Gästen begriffen. Ein tiefer Friede scheint überall zu herrschen; ich hörte nie einen Streit, ein Gezänk oder einen heftigen Wortwechsel. Es begegneten mir immer nur wenige Wanderer in den stillen und engen gewundenen Straßen; entweder war es ein junges Mädchen mit frischem und lachendem Gesicht und reizend elastischem, an das Hingleiten der Schlange erinnerndem Gange (das, was die Spanierinnen ‚Schwimmen‘ nennen, indem sie den Gang der Engländerinnen Marschiren, den der Französinnen Trippeln nennen, für sich aber das Schwimmen in Anspruch nehmen), oder es war ein altes Weib, bedeckt von einer langen, nach inwendig getragenen Karroß und auf dem Kopfe eine unförmige Pelzmütze von sehr altväterischer Form, oder einen zugespitzten Grashut à la chinoise, der mit seinen herabhängenden Seiten sehr an einen Champignon oder Steinpilz erinnert. Aus Gras wissen die Frauen hier alle möglichen Dinge zu flechten: Hüte, Schüsseln, Krüge, Töpfe, Teller etc.

Das Innere der Hütten ist im heißen Sommer sehr kühl, im kühlen Winter recht angenehm warm und daher ganz dem Klima des Landes angemessen. Ich sah öfter vor den Hütten ungeheuere Haufen von einer braunen Masse aufgethürmt. Als ich sie näher untersuchte, fand ich, daß es getrocknete und geröstete große Heuschrecken waren, deren Wohlgeschmack mir sehr gerühmt wurde, und die in solchen Feimen für lange Zeit aufbewahrt werden.

Alle Morgen um sechs Uhr hörte ich das Betglöckchen der wesleyanischen Mission die Gläubigen zusammenrufen und dann harmonischen Kirchengesang von daher ertönen. Ich machte dem Missionar, einem gewissen Herrn Daniels, meinen Besuch und fand in ihm einen sehr gebildeten und angenehmen Mann. Er sagte mir, daß König Maroka, wenn er auch selbst nicht persönlich das Christenthum angenommen habe, doch demselben im Ganzen sehr günstig gesinnt sei und der Mission keine Hindernisse in den Weg lege; auch sei seine erste Frau, die Königin, eine Christin.

Auf meine Bitte, mich dem Könige vorstellen zu wollen, ging Herr Daniels bereitwillig ein und ersuchte mich, am folgenden Morgen um zehn Uhr mit ihm den Besuch zu machen. Er holte mich zur bestimmten Zeit in einem Wagen ab, und nach zehn Minuten hielten wir vor dem königlichen Platze, einer weiten Umzäunung, in deren Mitte mehrere mit Gras gedeckte Hütten standen, die sich in der Bauart durchaus nicht von dem allgemeinen Typus dieser Negerhütten unterschieden, wohl aber im räumlichen Umfange, denn sie schienen mir wenigstens zehnmal größer zu sein.

Eine Art Empfangssalon unter sehr hohem Grasdache befand sich in der Mitte; derselbe hat für ein paar Hundert Personen Platz und dient für große Versammlungen und feierliche

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_245.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)