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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Feldspathe, den Albit und den Orthoclas, vor Kurzem künstlich aus einer feuerflüssigen Mineralmischung hergestellt hat.

Die Edelsteine, welche sich auf ähnlichem Wege gebildet haben, würden nun sehr einförmig, meist wasserhell, ausgefallen sein, wenn nicht in der Höllengluth der Urwelt die feuerbeständigen Metalle jene Aufgabe übernommen hätten, die in der modernen Prachtfärberei die Anilinverbindungen erfüllen. Lange ehe es Pflanzen- und Thierfarben gab, spielten die Metalle die Rolle der Pigmente in der Natur und brachten so feurige Nüancen in den Gesteinen hervor, wie sie nur irgend die lebende Natur kennt. Rubin und Smaragd sind wahrscheinlich beide mit Chrom gefärbt, der Sapphir mit Kobalt, der Lapislazuli durch eine Eisenverbindung, andere Edelsteine mit Kupfer-, Nickel-, Manganverbindungen etc. Aber ich brauche den Leser nur auf die prächtigen Glasfenster der gothischen Dome zu verweisen, auf denen alle diese glühenden Farben durch Metallverbindungen im Feuer erzeugt sind, und bei denen das edle Gold den prachtvollen Goldpurpur des Rubinglases erzeugte, um darauf hinzudeuten, daß man wohl nicht mit Unrecht eine nähere Beziehung zwischen Metallen und metallfreien Farbstoffen gesucht hat, die in der Regel in compacter Masse (z. B. die Anilinfarben) lebhaften Metallschimmer zeigen. Die unechten Edelsteine, welche man besonders in Paris von großer Schönheit aus einem sehr stark das Licht brechenden, viel Blei enthaltenden und schweren Glasflusse (Straß) herstellt, sind oft mit denselben Metalloxyden und jedenfalls ebenso „echt“ gefärbt, wie die entsprechenden Edelsteine.

Der erste Edelstein, den man nicht blos dem Aussehen, sondern seiner wirklichen Natur und Zusammensetzung nach künstlich hergestellt hat und heute in großen Massen fabricirt, ist der Lasurstein oder Lapislazuli, der Sapphir der classischen Völker, nicht zu verwechseln mit obengedachtem Sapphir der modernen Juweliere. Dieser undurchsichtige, herrlich kornblumenblaue Stein stand bei den alten Indern, Assyrern Persern, Juden, Aegyptern, Griechen etc. wohl von allen Edelsteinen am höchsten in der Gunst und widerlegt dadurch schlagend die von einigen Sprachforschern auf Mißverständnissen ihrer eigenen Wissenschaft begründete Ansicht, daß die alten Völker kein Blau hätten unterscheiden können. Zerrieben giebt dieser Stein das herrliche Lasur- oder Ultramarinblau, mit welchem die Maler des Mittelalters den Mantel oder das Gewand der Madonna zu malen liebten, obwohl sie diesen Färbestoff mit Gold aufwiegen mußten, es aber auch den Bestellern eines Kirchenbildes stets besonders in Rechnung stellten. Vor etwa fünfzig bis sechzig Jahren entdeckte der deutsche Chemiker Gmelin, daß diese schönste aller blauen Farben durch Erhitzen von Thonerde mit Soda, Schwefel und Kohle künstlich erhalten werden kann, und jetzt, nachdem der Franzose Guimet das Verfahren in die Praxis eingeführt hat, stellt man in Europa jährlich ungefähr hundertfünfzigtausend Centner von diesem Edelsteinpulver dar, und zwar die größte Masse in Deutschland.

Schon sehr früh richteten die Chemiker ihre Augen auf eine künstliche Herstellung des Rubin und Sapphir, die ja, wie gesagt, aus bloßer krystallisirter und durch Metallspuren gefärbter Thonerde bestehen. Schon vor mehreren Jahrzehnten gelang es dem Chemiker Gaudin, reine Thonerde, die er aus Alaunlösung niederschlug und mit einer Auflösung von chromsaurem Kali durchfeuchtete, im Knallgasgebläse zu einem rothen Rubinkügelchen zu schmelzen, dessen Farbe je nach dem größeren oder geringeren Chromgehalt, wie in der Natur, aus dem Rosen- in’s Purpurrothe überging. Diese Kügelchen waren so hart, daß sie Glas, Granat und Topas mit Leichtigkeit ritzten, allein es waren keine Krystalle, und ihre Durchsichtigkeit ließ stets zu wünschen übrig. Aehnliche Versuche sind auch von den Chemikern Debray, St. Claire-Deville, Caron, Senarmont, Edelmann und Anderen angestellt worden. Man sah längst ein, daß man eine Krystallisation der Thon- oder Beryllerde anstreben müßte, und zu diesem Zwecke galt es, dieselben mit den erforderlichen Mengen färbender Metallverbindungen in einem feurigen Flusse aufzulösen, um sie daraus langsam auskrystallisiren zu lassen. Als Flußmittel empfahl sich zunächst die Borsäure, weil dieselbe die Eigenschaft besitzt, in der Hitze langsam zu verdampfen, wie sie denn in vulcanischen Gegenden als Dampf aus der Erde hervortritt; sie wird z. B. im Toscanischen gewonnen. Man konnte um so mehr denken, daß dieses feurige Lösungsmittel auch in der Natur bei der Edelsteinfabrikation seine Rolle gespielt habe, und brachte es in einem gewissen Ueberschusse mit Thon- oder Beryllerde in offene Platintiegel, die man in Porcellanöfen einer lange anhaltenden Gluth aussetzte. In der That scheiden sich, sobald der größte Theil der Borsäure verdampft ist, aus diesen im feurigen Flusse erhaltenen Gemengen kleine Rubine, Sapphire oder Smaragde ab, wovon man sich schon vor zwanzig Jahren überzeugte, aber die Krystalle waren zu klein, um die Mühe zu lohnen.

Viel günstiger sind nun die neuen Versuche Fremy’s ausgefallen, die von einem etwas anderen Grundsatze ausgingen, nämlich davon, die Thonerde aus ihrer gewöhnlichen Verbindung mit Kieselsäure, wie sie in der Natur überall vorkommt, durch Einwirkung eines Stoffes, der zu der letzteren eine größere Verwandtschaft besitzt, langsam zu verdrängen, wobei sich in der feuerflüssigen Mutterlauge kleine Thonerdekrystalle bilden, die durch fernere Ausscheidung langsam wachsen. In den Glasfabriken des Herrn Feil konnten mit Bequemlichkeit viertel und halbe Centner dieser Edelsteinmutterlauge zwei und drei Wochen lang in beständigem feurigem Flusse erhalten werden, und dem entsprechend erhielt man sehr günstige Resultate. Am vortheilhaftesten erwies es sich, die Trennung der Thonerde von der Kieselsäure durch Bleioxyd zu bewirken, und man brachte zu diesem Zwecke eine Mischung von gleichen Gewichtstheilen reiner Porcellanerde und Mennige in einen großen Tiegel aus feuerfestem Thon und setzte denselben einer mehrwöchentlichen lebhaften Rothgluth aus. In der Regel entzieht dabei das Blei auch den Tiegelwänden die darin enthaltene Kieselsäure und frißt durch dieselben; man muß daher, um Verluste zu vermeiden, den Edelsteintiegel noch in einen zweiten hineinsetzen.

Nach mehreren Wochen geduldigen Harrens, welches so recht an das erwartungsvolle Zuwarten der alten Alchemisten vor dem Tiegel erinnert, in welchem sich der Stein der Weisen bilden sollte, wird der Tiegel herausgenommen, und man läßt ihn erkalten. Man findet den Inhalt nach der Zertrümmerung des Tiegels in zwei Schichten gesondert, in eine obere glasige, welche vorzugsweise aus Bleisilicat besteht, und eine untere krystallinische, welche in rundlichen Ballen die schönsten Thonerdekrystalle enthält. Hatte man nichts als Thonerde und Mennige in den Tiegel gebracht, so sind diese Krystalle farblos wie Glas. Aber man kann sich bald überzeugen, daß sie Glas und Bergkrystall, ja sogar den sehr harten Topas ritzen, kurz, man hat den edlen Korund oder Diamantspath vor sich, so genannt, weil er nächst dem Diamanten (und dem Bor) der härteste aller Steine ist.

Rubine, Sapphire und orientalische Smaragde sind nun nichts Anderes als gefärbte Korunde, und die ersteren beiden ließen sich leicht durch Zusatz entsprechender Mengen der färbenden Metallverbindungen erhalten. Setzte man dem Gemische aus Thonerde und Mennige zwei bis drei Procent doppelt chromsaures Kali zu, so zeigten die Krystalle die schön rosenrothe Farbe der Rubine; nahm man nur eine Spur dieses Salzes und fügte zugleich eine kleine Menge Kobaltoxyd hinzu, so erhielt man Sapphire. Die so gewonnenen Edelsteine sind in der Regel mit einer festen Kruste von Bleisilicat bedeckt, welche man am besten auf chemischem Wege durch Schmelzen mit Bleioxyd oder Kali entfernt, oder mittelst Fluorwasserstoffsäure ablöst. Unter den mehreren Kilogrammen solcher Thonerdekrystalle, welche die Entdecker der Akademie vorlegten, befanden sich zahlreiche Stücke, die von natürlichen Rubinen und Sapphiren in keiner Weise zu unterscheiden waren. Sie besitzen ihre Krystallgestalt, ihre Schwere, Härte, Farbe und ihren Diamantglanz, obwohl der letztere noch ein wenig zu wünschen übrig ließ.

Wie vollkommen die Nachahmung der Natur geglückt ist, erhellt unter Anderem aus einer besonderen Eigenthümlichkeit, welche die künstlichen Rubine mit den natürlichen theilen: beide verlieren nämlich, wenn sie erhitzt werden, ihre rosenrothe Färbung und erlangen dieselbe erst nach dem Erkalten wieder. Die Steinschneider, denen man diese künstlichen Rubine zum Schleifen übergab, fanden sie nicht nur ebenso hart, wie die natürlichen, sondern sogar zum Theil härter; sie griffen sehr bald die besten Schleifsteine von gehärtetem Stahl an. Möglicher Weise würden sie sich also für die Uhrenfabrikation zu Zapfenlagern noch besser eignen, als die natürlichen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_229.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)