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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


lichtblauen Augen gingen mit einem Gemisch von Freude, Staunen und Interesse an Allem, was da war und vorging, durch den Saal, und das Wunderbarste bei dem Allen schien ihr zu sein, daß sie der Mittelpunkt all dieses entfalteten Glanzes war. Die Gestalt der Prinzessin ist von jener Höhe, die sie auch im Aeußeren in ein harmonisches Verhältniß zu ihrem Gatten bringt. Vom Vater hat sie die schönen hellen Augen und das blonde Haar, von der Mutter den Schnitt des Gesichtes und die anmuthige Gestalt, vom Hause Hohenzollern die frischen Farben und den kräftigen Gliederbau. Fast schien sie, wie sie als Braut durch die Säle des Schlosses dahin schritt, gedrückt von der silbergestickten Robe und Schleppe, von der diamantenen Krone, die auf dem Hinterhaupte ruhte, von all dem Glanz und Pomp, der auf sie zurückstrahlte.

Prinzessin Charlotte ist keine Erscheinung für den fürstlichen Hofmantel. Man denkt zu ihrer schlanken, jungfräulichen Figur unwillkürlich ein helles leichtes Kleid, ein buntes Band um die Taille, einen Kranz von frischen Blumen in dem Haar und in der Hand einen Band Geibel’scher Gedichte. Sie ist eine Figur für die Idylle. So ist auch das Heim, das man ihr und ihrem Gemahl bereitet hat, jene Villa links vom Wege, der vom grünen Gitter an der Friedenskirche am Marlygarten vorbei durch eine prächtige Lindenallee nach Sanssouci führt, ein zweistöckiges Haus im italienischen Villenstil, etwa acht Fenster in der Front, mit einem pavillonartigen Ausbau, daran ein Garten, den man erweitert und gelichtet hat, das Innere von vornehmer moderner Eleganz, die ihren höchsten Ausdruck in der Einfachheit findet – Alles bequem, wohnlich, heiter, angenehm, aber nirgendwo Luxus. Vielleicht hätte es mancher reiche Mann im deutschen Reiche seiner Tochter noch prächtiger geben können, als es der Kronprinz und die Kronprinzessin des deutschen Reiches gethan, aber gerade diese Herrschaften können sich ihren Kindern gegenüber den Luxus der Einfachheit erlauben. Das Haus gehörte einst dem Kämmerer und Vertrauten Friedrich Wilhelm’s des Dritten, Timm, von dem ältere mit den damaligen Hofverhältnissen vertraute Berliner tausend Geschichten zu erzählen wissen. Dann wurde es für die zweite Gemahlin Friedrich Wilhelm’s des Dritten, die Fürstin von Liegnitz, gekauft, erweitert und eingerichtet. Sie bewohnte es im Jahr zwei Monate. Seit ihrem Tode stand die Villa leer. Nun wird im Sommer das junge Paar sie beziehen, um dort hinter den dichten Mousselinvorhängen unter grünen Baimwipfeln und diftenden Blüthen den Traum vom Glücke des Lebens zu träumen.

In dem Trousseau (der Ausstattung), der nach Berliner Hofsitte, die eben nur wieder ein alter deutscher Hausbrauch ist, dem Publicum zur Schau ausgestellt war, befanden sich zwei Courroben mit Schleppen, die eine, von himmelblauem Sammt mit breiten weißen Spitzen und mit Rosen garnirt, war für die Prinzessin Charlotte bestimmt, die andere, von purpurfarbenem Sammt mit Gold gestickt, für die zweite Braut, Prinzessin Elisabeth. In diesen äußeren Hüllen mag die Individualität der beiden Prinzessinnen markant sein. Prinzessin Elisabeth ist von hoher, schlanker Figur, die sich in bewußter Haltung giebt. Von ihren beiden Schwestern hat sie die meiste Aehnlichkeit mit ihrer Mutter, der schönen Anhaltinerin, die sich heute noch auf Reisen als Schwester ihrer Tochter in das Fremdenbuch schreiben könnte. Die Natur hat aus den jugendschönen Zügen der Mutter für die Tochter einige weggenommen, dazu einen charakter- und energievollen Zug des Vaters gefügt, und so sind daraus die Züge der Prinzessin Elisabeth geworden. Ob sie schöne Augen hat, weiß man nicht; sie sind in stillem Ernste immer wie nach innen gekehrt, und die Verschleierung derselben ist reizvoller, anziehender, als vielleicht der strahlende Glanz. Die Töchter des Prinzen Friedrich Karl hatten eine vortreffliche Erzieherin in der Person der Gräfin Schlieffen. Nach dem Willen des Vaters sollten in ihnen nicht Prinzessinnen nach der alten Schablone, sondern einfache, natürliche, liebenswürdige Mädchengestalten erzogen werden. Das ist denn auch vollauf erreicht worden.

Es war im November vorigen Jahres; der Wald war noch grün und die Luft lau wie im September. Es war Rendezvous zur Parforcejagd am Jagdschloß Stern bei Potsdam. Die Meute fing an laut zu werden und wurde nur durch die Peitschen der Piqueare im Zaume gehalten. Die Jäger, Officiere der Berliner und Potsdamer Garnison, waren von den Pferden abgestiegen, – außerdem war viel Volks versammelt – in offenen vierspännigen Wagen waren die jungen Prinzessinnen aus Glienicke gekommen. In dem ersten saß Prinzessin Elisabeth mit ihrer älteren Schwester, der Prinzessin Marie. Auf dem Schlage des Wagens lehnte mit übereinandergeschlagenen Armen ein junger Mann von etwa vierundzwanzig Jahren. Die schlanke, elastische Gestalt war mit dem rothen Jagdfrack bekleidet; an die weißledernen anliegenden Unterkleider schlossen sich die überschlagenen Stulpstiefeln an; das längliche vornehm geschnittene Gesicht mit etwas bräunlichem Teint und einem braunen Bärtchen auf der Oberlippe war von einem modernen Cylinderhut überschattet, und die braunen lebhaften Augen gingen ganz und voll auf die im Fond sitzende Prinzessin aus. In dieser Weise durfte aber nur ein Bruder oder Bräutigam mit den fürstlichen Damen verkehren. Es war kein Anderer als der Erbgroßherzog von Oldenburg. Das Brautpaar plauderte und lachte miteinander, hier, vor allen Zeugen so harmlos und unbefangen, als säße es daheim im Glienicker Parke, und das Glück des Beisammenseins leuchtete Beiden aus jedem Blicke. Gar oft im Sommer ließ der Erbgroßherzog, der in jenen Tagen bekanntlich bei den 1. Gardedragonern stand, noch des Abends nach dem Diner sein Pferd satteln, um den vier Meilen weiten Weg zur Braut nach Glienicke zu reiten und dann in später Abendstunde wieder nach Berlin zum Dienste am frühen Morgen zurückzukehren. Man erzählt sich in gesellschaftlichen Kreisen Berlins – und darum möchte es nicht gar zu indiscret sein, das Gesagte hier mitzutheilen – daß Prinz Friedrich Karl seiner Tochter Mittheilung von der Werbung des Erbgroßherzogs mit dem Bemerken gemacht habe, die Prinzessin habe zu einer Antwort acht Tage Bedenkzeit, worauf diese erwidert habe, daß letztere überhaupt gar nicht nöthig sei.

Da eine preußische Prinzessin nicht gut „Frau Rittmeister“ werden kann, so wird der Erbprinz seine dienstlichen Verhältnisse in der preußischen Armee verlassen und fortan mit seiner jungen Gemahlin in Oldenburg residiren. Die ersten Tage ihrer Ehe werden die beiden jungen Paare im Schlosse zu Berlin zubringen. So gebietet es ein altes Hausgesetz. Es wird volle Hochzeit mit königlichen und fürstlichen Gästen in großer Anzahl sein. Der Berliner Hof wird bei seiner imposanten Würde die höchste Prachtfülle entfalten. Einige Tage werden die jungen Paare an den Hochzeitsfeierlichkeiten Theil nehmen, dann aber jeder der jungen Ehemänner sein bestes und schönstes Theil entführen, der eine nach Süden an die Gestade des Comersees, der andere nach Norden. Schmerzlich wird Berlin „unsere Prinzessinnen“ scheiden sehen.

     Berlin, 12. Februar 1878.

G. H.



Blätter und Blüthen.

Ein Abend mit William Thackeray. (Aus den Lebenserinnerungen einer Matrone.) Wer mit vollem Behagen sich an dem köstlichen Romane „Vanity fair“, wohl dem Meisterwerke von Thackeray, erfreut, wird es kaum glaublich finden, daß der Autor sich lange mit dem Gedanken getragen: er sei vorzugsweise für die Malerei begabt und habe in der Ausübung dieser Kunst seinen eigentlichen Lebensberuf zu finden.

Es war im Jahre 1835, als Madame Firmin in Paris, die Wittwe eines Advocaten, an welche wir empfohlen waren, meine Eltern und mich zu einer kleinen Abendgesellschaft einlud und den Zusatz machte: „Sie werden bei mir einen jungen Engländer aus bester Familie finden, der sich bereits zwei Jahre hier aufhält, um Studien im Louvre zu machen. Es ist ein sehr geistvoller Mann, der sicherlich sich einen Namen als Maler machen wird.“

Ich war damals achtzehn Jahre alt, Thackeray vierundzwanzig, und als die beiden Jüngsten in der nur aus acht Personen bestehenden Gesellschaft näherten wir uns mit der Unbefangenheit der Jugend. In Thackeray’s Auftreten lag nichts von dem gewöhnlich etwas steifen, förmlichen Wesen der Engländer. Er war viel auf Reisen gewesen, hatte Menschen und Sitten kennen gelernt und gab sich mit der ruhigen Sicherheit eines fein gebildeten Gentleman der Unterhaltung hin. Seine Zurückhaltung war nicht größer, als die jedes geistig vornehmen Mannes, der sich vor zudringlicher Annäherung zu schützen sucht. Thackeray sprach zuerst – wohl aus Artigkeit einer Deutschen gegenüber – von seinem Aufenthalt in Weimar im Jahre 1831 und von Goethe, den er noch glücklicher Weise gesehen und gesprochen, und der wunderbar leuchtende Augen gehabt, die schönsten, in welche er jemals geblickt. Wir kamen dann

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_141.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)