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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

sie mit Sperlingen kurzen Proceß machen, ihnen den Schädel einschlagen, das Gehirn herauspicken und sie dann mit großer Gewandtheit verzehren, woraus wohl mit Recht darauf geschlossen werden kann, daß sie in ihrer Heimath auch kleinen Vögeln und namentlich Nestlingen gefährlich werden.

Daß das prachtvolle Gefieder beim Erlegen der Thiere nicht mit Blut befleckt werden darf, ist selbstredend. Die Eingeborenen schießen sie deshalb mit starken Pfeilen, die in einem Knopfe endigen; die betäubten Vögel fallen zur Erde und werden hier leicht gefangen und getödtet. Sie erleichtern dem Jäger seine mörderische Thätigkeit selbst, denn in der Paarungszeit sind sie, wie das ja auch bei vielen anderen Thieren vorkommt, völlig blind gegen jede Gefahr. Schaaren bis zu zwanzig Männchen versammeln sich zu förmlichen erotischen Spielen, von den Eingeborenen Sacaleli, Tanzgesellschaften, genannt, auf einem weitästigen, dünnbeblätterten Baume, der ihnen Raum gewährt, ihre schönen Spiele auszuführen. Sie sehen nicht, daß der Jäger sich auf den Aesten des Baumes ein Laubdach gebaut hat, unter dem er Pfeil auf Pfeil hervorschießt, und nur die letzten werden endlich ängstlich und fliegen davon, „wie ein Meteor, dessen Feuerschweif einen Lichtstreifen bildet, wie ein Federbusch, der dem Haupthaar einer Huri entfloh und sich nun sanft in den Lüften wiegt“, wie Lesson den Flug begeistert schildert. Die tanzenden Vögel erheben die Flügel, strecken die Nacken aus, richten die Federbüsche in die Höhe und breiten sie so aus, daß sie zwei prächtige goldene Fächer bilden, von denen der ganze Vogel überschattet ist. Der geduckte Körper, der gelbe Kopf und die smaragdgrüne Kehle bilden nur die Unterlage zu dem goldenen Glorienscheine, der das Thier überwallt.

„Wenn man den Paradiesvogel in dieser Stellung sieht,“ sagt Wallace, „so verdient er wirklich seinen Namen und muß zu den schönsten und wundervollsten Lebeformen gerechnet werden.“ Jan van Linschoten hat Anno 1598 den Vogel nicht in dieser Stellung gesehen, ihn aber doch in richtigem Gefühl Avis paradiseus genannt, und wir haben deshalb hier den Namen des verdienstvollen Holländers selbst neben dem des großen Linné, der ja jene Benennung nur adoptirt hat, nicht verschweigen wollen, denn Ehre, dem Ehre gebührt!

W. L.




„Unsere Prinzessinnen.“


Unter obiger familiärer Bezeichnung versteht der Berliner die zwei Bräute, deren Hochzeit am 18. Februar in der Capelle des königlichen Schlosses zu Berlin in feierlicher Weise stattfinden wird. Die Prinzessin Charlotte von Preußen, die am 24. Juli 1860 geborene älteste Tochter des Kronprinzen des deutschen Reiches und von Preußen, wird den Erbprinzen von Sachsen-Meiningen heirathen; Prinzessin Elisabeth, zweite Tochter des Prinzen Friedrich Karl, geboren am 8. Februar 1857, wird die Gemahlin des Erbgroßherzogs von Oldenburg werden.

Officiell wird eine preußische Prinzessin erst von dem Momente ihrer kirchlichen Confirmation an. Vorher existirt sie nur für ihre Eltern und Familie, ihre Erzieherinnen und Lehrer, für den Hausminister, als Verwalter des königlichen Hausvermögens, welches die Erziehungs- und Unterhaltungskosten sämmtlicher Kinder des königlichen Hauses von Preußen auf seinen Etat nimmt, auch etwa noch für den gothaischen Hofkalender, aber nicht für das Publicum. Dieses sieht den Sprößling des königlichen Hauses bis dahin nur durch die Fenster des Hofwagens, wenn dieser seinen Weg die Linden entlang nach dem Thiergarten nimmt. Erfüllt von Interesse an dem regen Straßenleben schauen frische, rosige Kinder aus dem Innern des Wagens, in dem sie unter Aufsicht ihrer Gouvernanten sitzen; die Wache am Brandenburger Thore ruft: „’raus!“ und wenn ein Fremder, der weder Hofwagen noch die üblichen Honneurs kennt, den eingeborenen Berliner fragt: „Wer war das?“ dann lautet die Antwort: „Unsere Prinzeßchen“. Diese avanciren jedoch in der öffentlichen Meinung, wenn sie confirmirt oder, um mit dem Berliner zu sprechen, eingesegnet sind. Sie bekommen dann ihren Hofstaat, eine Apanage; bei festlichen Gelegenheiten werden sie von zwei Leibpagen bedient; sie erscheinen mit dem ihnen zukommenden Rang bei Hofe, dürfen sich als selbstständige Wesen fühlen, soweit das die Etikette erlaubt, und allenfalls eine Zeitung lesen; sie sind „unsere Prinzessinnen“ geworden. Das ist das Lebensstadium, wo das Interesse des Publicums für sie erwacht, wenn wir unter diesem nicht allein die Bevölkerung Berlins, sondern des ganzen preußischen Landes verstehen wollen, dessen ältere Provinzen von ihrem persönlichen, patriarchalischen Verhältnisse zu dem regierenden Königshause nichts eingebüßt haben, noch weniger der Berliner. Diese Anhänglichkeit ist eine der gemüthvollen Seiten des Volkscharakters der preußischen Hauptstadt. Der Berliner ist durch alle politischen Wandlungen hindurch loyal geblieben. Er weiß sehr wohl, daß nur diejenigen Hofwagen, deren Kutscher und Lakaien in der silbernen Borde der Hüte die preußischen Wappenzeichen, die schwarzen Adler, tragen, Mitglieder des königlichen Hauses bergen; er wird solchen Wagen stets seine Reverenz machen, und für „unsere Prinzessinnen“ legt er eine geradezu rührende Anhänglichkeit an den Tag. Wunsch und Gedanke einer „recht juten Heirath“ beschäftigten ihn für sie vielleicht mehr und eher, als die Prinzessinnen selbst. Er denkt sich in seiner Unbefangenheit, daß er Aussteuer und Mitgift, als steuerzahlender Staatsbürger, mittragen muß, obwohl die zweihunderttausend Thaler, die jede preußische Prinzessin als Heirathsgut bekommt, seit Friedrich Wilhelm dem Ersten nicht mehr vom Lande, sondern aus dem Hausvermögen der königlichen Familie bestritten werden, aber „des Allens schadet nischt, wenn sie man jute Männer kriegen“. Er nimmt daran Antheil, als gehörte er zur Familie.

Zuerst verlobte sich Prinzessin Charlotte, obwohl sie die Jüngere von den beiden Prinzessinnen ist. Sie wählte den Erbprinzen von Sachsen-Meiningen. Es war von beiden Seiten eine Wahl, in der persönliche Neigung und Familienwünsche sich begegneten. Die Mutter „des Meiningers“, wie er bereits im Volksmunde heißt, war die rechte Cousine des Vaters der Braut; der Kronprinz wurde mit Prinzessin Charlotte, der ältesten Tochter seines Oheims, des Prinzen Albrecht, confirmirt. Beide verband von Jugend an eine tiefe, religiös-idealen Gedanken entstammende Freundschaft, die bis zu dem Tode der Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen, ja über das Grab derselben hinaus währte. Der Kronprinz blieb den Kindern zugethan, wie einst der Mutter. Nach dem Kriege von 1870–71 wurde der Erbprinz nach Berlin in das Garde-Füsilierregiment versetzt und verkehrte von nun an wie ein Sohn in dem Kreise der kronprinzlichen Familie. Hier war er in dienstfreien Stunden am häufigsten zu sehen und weiter in wissenschaftlichen Versammlungen. Seine Gestalt ist nicht sehr groß, aber in richtigen Proportionen sich haltend; das blau-graue Auge beherrscht ein etwas schmächtiges Gesicht, dessen Züge den prägnanten Ausdruck geistiger Lebendigkeit tragen. Dieser theilt sich auch den Bewegungen der Gestalt mit.

In seinem Benehmen entfaltet der Erbprinz eine die feinsten Rücksichten beobachtende Haltung, welcher ein unverkennbarer Zug von Herzensfreundlichkeit innewohnt. Rechnet man bei dieser jugendlichen mit geistiger Reife gepaarten Lebendigkeit noch mit einer ideal-künstlerischen Richtung, welche das innere Wesen des jungen Mannes ausmacht, so wird man wohl begreifen, wie ein junges, durch die Erziehung stets auf natürliche und unbefangene Eindrücke hingeleitetes Mädchenherz sich von solchen Eigenschaften bestimmt fühlen mußte, und dieses Bestimmende ward ihm zum Schicksal. Wenn man auch von Seite der kronprinzlichen Eltern die eheliche Verbindung mit dem Erbprinzen wünschen mochte, so war doch die Wahl der Prinzessin ihres Herzens freier Entschluß. Der Wechsel zwischen Kinderstube, wo sie, sei es in Berlin im väterlichen Palais oder in Potsdam im Neuen Palais oder auch auf Reisen, nur unter den hütenden Augen der Eltern oder Erzieherinnen, im Kreise ihrer Geschwister gelebt hatte, und zwischen den glanzstrahlenden Sälen des Königsschlosses, wo tausend Blicke auf sie gerichtet waren, gestaltete sich etwas rasch und sollte die Prinzessin befangen erscheinen lassen. So bei dem großen Galadiner, das zu Ehren ihrer Verlobung stattfand. Fast mit kindlicher Schüchternheit saß sie an der Seite ihres Bräutigams zwischen den kaiserlichen Großeltern, und die großen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_140.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)