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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Baronin in ihrem Lehnstuhle blieb. Es war, als beruhige die äußere Gefahr, die Unruhe der Anderen ihr Inneres.

Der Haushofmeister, Lieutenant Bannhart, erschien im Zimmer. Das graue knorrige Gesicht des alten Husarenwachtmeisters verkündete nichts.

„Was bringst Du, Bannhart?“ rief ihm der Baron entgegen.

„Die Husaren, Bannhart?“ fragte Baron Kurt, der ihm entgegen gesprungen war. Aber der alte Bannhart antwortete weder dem Einen, noch dem Andern. Er war wieder Soldat, nur Soldat. Als solcher hatte er nur dem Rittmeister zu rapportiren, der das Obercommando im Schlosse führte.

„Herr Rittmeister,“ sagte er, „die Bauern sind im Anzuge.“

„Und die Husaren?“ rief der Baron Kurt.

Der Lieutenant ließ sich in seinem Rapport nicht unterbrechen.

„Herr Rittmeister, die Bauern rücken in drei Haufen heran. Einer auf das große Schloßthor zu; der zweite durch den Park, der dritte vom Walde her auf die Hintergebäude des Schlosses los.“

„Von wem hast Du die Meldungen?“ fragte der Rittmeister, der, wie sein Bruder, aus alter Gewohnheit den Lieutenant duzte.

„Von den Posten, die ich aufstellte. Sie machten mir gleichzeitig die Meldung; die Bauern waren pünktlich zu der gleichen Zeit am Schlosse eingetroffen.“

„Sie scheinen gut disciplinirt zu sein,“ bemerkte der Rittmeister.

„Ja wohl, Herr Rittmeister,“ sagte der alte Bannhart. „Daß jetzt jeder Mensch Soldat werden muß, hat seine guten, aber auch seine schlimmen Seiten. Ich habe es immer vorausgesagt, wenn das Gesindel disciplinirt wird –“

„Lassen wir das jetzt, Bannhart!“

„Zu Befehl, Herr Rittmeister!“

„Wie sind die Leute bewaffnet?“

„Auch das ist eine schlimme Sache, Herr Rittmeister! Da haben unsere Bauern von den Polen Anno Einunddreißig gelernt. Sie sind mit Sensen und Mistgabeln versehen; manche haben gar noch die Landsturmpiken von Anno Dreizehn; die großen Bauern tragen Jagdflinten, manche Büchsen, und drei Böller, in die sie Steine laden können, haben sie noch von den hohen Geburtstagen her. Endlich, Herr Rittmeister, führen sie auf Karren, wie auf Laffetten, große und schwere Hebebäume zum Aufsprengen von Thoren und Thüren mit sich.“

„Hm, Bannhart, wie viele sind dieser bewaffneten Bauern?“

„Jeder Haufen soll seine sechszig bis siebenzig Mann zählen.“

„Sind sie schon am Schlosse?“

„Sie waren noch etwa hundert Schritte entfernt, als meine Kundschafter zu mir eilten.“

„Und man hört noch nichts von ihnen?“

„Die Disciplin wieder, Herr Rittmeister. Sie waren von einander getrennt und werden wohl Zeichen zum gleichzeitigen Angriff verabredet haben. Auf diese warten sie vermuthlich noch.“

Die Mienen des Rittmeisters stimmten dem alten Wachtmeister bei. Er überlegte dann schweigend einen Augenblick.

„Wir sind Belagerte,“ sagte er. „Die Belagerer können in einer Minute überall auf dem Platze sein, in wenigen Minuten ihre Arbeiten beginnen. Die eisernen Gitter, die das Schloß umgeben, sind gegen starke Hebebäume ein schwacher Schutz; sie können in wenigen Minuten niedergeworfen werden, gleichviel ob an einer oder an mehreren Stellen. Die Gesammtheit der Belagerer kann sich dann in den Schloßhof ergießen. Dem bewaffneten, überlegenen Haufen können die wenigen und meist unbewaffneten Bewohner des Schlosses das Eindringen in den Hof nicht wehren, aber die starken Mauern des Schlosses sprengt kein Hebebaum, kein Böller. In spätestens einer Viertelstunde müssen meine Husaren hier sein, und durch sie werden die Belagerer zu Belagerten. Der Lieutenant von Steinmann führt meine Soldaten, er ist ein ebenso tapferer wie umsichtiger Officier und wird nicht vorrücken, ohne das Terrain recognoscirt zu haben. So wird er die Breschen des Gitters entdecken, sie besetzen lassen und den Eingedrungenen den Rückzug abschneiden.“

Ottokar von Waltershausen war ein unerschrockener Mann; er wollte auch den Muth seiner beiden Brüder kräftigen. Auch den seiner Schwägerin? Sie war muthig wie er – er wußte es. Er suchte ihre Blicke, während er sprach, aber sie hatte sich von ihm abgewandt, und das beunruhigte ihn. Er kannte seine Schwägerin, seit der letzten Stunde hatte er sie ganz kennen gelernt. Sie hatte zu ihrem Gatten gesagt: „Ich hatte Gründe, meinen Schwager vorher allein zu sehen: ich theile sie Dir mit.“ Er kannte ihren edlen und festen Willen und wußte, daß sie ihr Wort halten werde; er war überzeugt, daß sie dem Gatten die Wahrheit nicht verschweigen werde, weil sie als ehrliche Frau es nicht durfte. Und als ehrliche Frau hatte sie sich bekannt und bewiesen. Dies Alles beunruhigte ihn nicht blos, indem er es rasch überdachte: es erschreckte ihn.

Sie darf Adalbert nicht sprechen. Ich könnte ihm nicht wieder unter die Augen treten. Ich wäre geächtet, vernichtet.

Aber wie sollte er sie zurückhalten? Sollte er sie darum bitten? Welch’ anderes Mittel stand ihm zu Gebote? Er suchte einen Blick von ihr zu erhaschen, nur einen einzigen. Er erfuhr durch ihn ihren Entschluß. Sie hatte sich von ihm gewandt, sie mied ihn geflissentlich und wollte in ihrem Entschlusse nicht wankend werden. Angst befiel ihn, und doch mußte er Muth haben und ihn zeigen. Den Muth, in den Tod zu gehen. In den Tod? Ja, gegen den Todten hatte sie keine Anklage mehr.

Geräusch, Getöse wurde laut, es erhob sich hinten an dem Gitter an den Wirthschaftsgebäuden des Schlosses und fast in demselben Moment vorn an dem Gitterthore, das in den großen Schloßhof führte. Mit Hebebäumen wurde dort gegen die starken Eisenstäbe gerannt, und Hebebäume sollten hier die nicht minder starken Stäbe niederwerfen. Ein wildes Hurrah begleitete jeden Stoß, und Schüsse halfen den Schreck der Schloßbewohner vermehren.

(Fortsetzung folgt.)



Blätter und Blüthen.

Nordamerikanische Artilleriepferde. (Mit Abbildung Seite 71) Parade- und Excercirplatz und Manöverterrain bilden für die Soldaten die drei Stufen des Waffenlebens, hinter welchen es keine andere Stufe mehr giebt, als den Krieg. Nur wer selbst Soldat war, nicht aber der wenn auch noch so verwandtschaftlich interessirte Zuschauer, weiß, was jede der drei Stufen für ihn zu bedeuten hat, und er wird bei keiner derselben in späteren Jahren selbst Zuschauer sein, ohne das alte Soldatenblut in sich aufsteigen zu fühlen. Von allen Waffengattungen imponirt am meisten die der Artillerie, je höher unsere drei Stufen steigen. Bei der großen Parade mögen die Infanteriewaffen die Blicke auf sich ziehen und mag der Prachtanblick der blinkenden Reitergeschwader Alt und Jung begeistern, während die langgedehnten Artillerieaufzüge vielleicht sogar langweilen. Schon auf dem Excercirplatz ändert sich das Bild. Wenn aber das Manöver das volle Kriegsbild aufrollt, dann macht nur noch der Kürassier dem Kanonier den Eindruck des Furchtbaren streitig, aber nicht lange. Denn donnert auch der Boden, wenn ein Regiment der geharnischten Reiter daherstürmt, so verschwindet dies Alles doch vor dem Anprall der wie die Windsbraut daher tobenden Batterien, die kein Hinderniß des Terrains kennen, soweit ein Pferdepaar noch Boden fassen kann, und die, Erz, Pferd und Mensch, wie zusammengegossen ihr festgelegtes Ziel verfolgen. Da staunen wir die Menschenstärke an; da stehen wir erschrocken vor dem, was ein Mann leisten und ertragen kann. Deshalb wenden wir unwillkürlich unsere Aufmerksamkeit auch Allem zu, was zu dieser erprobtesten Siegeswaffe gehört, und ebendeshalb erregte auch das an sich so einfache Bild eines Artilleriepferdezugs gleich bei der ersten Aufstellung desselben in New-York allgemeines Wohlgefallen. Der Winter ist keine Excercirzeit für die Artillerie, aber die für die Waffe eingeschulten Pferde müssen erhalten werden. Und so zeigt denn unsere Illustration den winterlichen Spazierritt von Artilleriepferden einer Vereinigten-Staaten-Garnison, wie ihn der treffliche Pinsel Vogt’s in New-York in einem großen Bilde darstellt, das sich die Gunst der Pferde-, wie der Kunstkenner ebenso gewonnen hat, wie die der Männer des ehernen Kriegsfaches.



Bitte für einen alten Vater. Seit dreieinhalb Jahren wird der Vergoldergehülfe Paul Klein, geboren 1850 zu Breslau, vermißt. Sein alter, verlassen dastehender und schwer leidender Vater bittet durch uns Alle, welche in der Lage sind, ihm Nachrichten über seinen einzigen Sohn zukommen zu lassen, um baldgefällige Mittheilung, für die er im Voraus herzlich dankt. –

Ueber verschiedene überseeische Vermißte, die neuerdings durch unsere Zeitschrift gesucht wurden, sind folgende Mittheilungen aus Amerika eingegangen:

Ernst Platzmann, Bildhauer und Zeichner, gebürtig aus Westfalen, ist am 3. December vorigen Jahres in New-York begraben worden.

M. Robert Reinsburg, Conditor aus Leipzig, wohnt augenblicklich in Mexia, Texas.

Gustav Voigt aus Querfurt ging 1873 von New-York nach Süd-Amerika und ist, glaubwürdigen Nachrichten zufolge, dort gestorben. Näheres dürfte durch dessen Bruder, C. A. Voigt in Boston, Columbus-Platz 9, zu erfahren sein.

Die Redaction.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_074.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)