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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

bringt ihn über langsames Feuer und kocht unter beständigem Rühren die Flüssigkeit, wodurch das Oel abgesondert und die Kerne und Fasern des Fleisches ausgeschieden werden, welche letztere man mit Schöpfern aus grobem Geflechte entfernt. Die nunmehr klare Flüssigkeit läßt man erkalten und füllt das Oel, nachdem das Wasser sich abgesetzt hat, in thönerne Kalebassen oder hohle Kürbisse, in welchen es zum Verkaufe gebracht wird. In solchem Zustande gebrauchen es auch die Eingeborenen und ebenso die Weißen dort als Nahrungsmittel. Die Neger bereiten alle Speisen mit dem Palmöle zu. Es hat frisch einen sehr angenehmen Geschmack, und jeder Europäer, der Palmölsuppe mit „Fufu“ (aus der Yamswurzel bereitete Klöße) oder Fische mit Palmölsauce in Afrika genossen, wird diese Gerichte sicher als Delicatessen würdigen gelernt haben.

Die ungeheuren Mengen des Palmöles, welche man gegenwärtig von Afrika ausführt, um sie hier zu Seifen und Maschinenschmiere zu verarbeiten, decken kaum den großen Bedarf. Vornehmlich wird das Oel von den Flußniederungen der Guineabucht exportirt, da das dort gewonnene an Qualität das vorzüglichste ist, weshalb auch die obenerwähnten Flüsse bei den Kaufleuten allgemein den Namen „Oelflüsse“ (oil-rivers) führen. Von diesen ist wieder der Neu-Kalabar der berühmteste.

Für die Tonne Palmöl werden in Afrika Waaren im Werthe bis zu zweihundert Mark bezahlt. Wenn man erwägt, daß dieselbe Menge in Europa sechshundert bis achthundert Mark kostet, daß außerdem die als Tauschartikel verwendetet Waaren im Verhältnisse zum Einkaufspreise sehr hoch berechnet sind, oft mehrere hundert Procent eintragen, so leuchtet ein, daß der Palmölhandel, trotz der damit verbundenen bedeutenden Unkosten, welche die Erhaltung der Stationen und die lange Seereise verursachen, sehr gewinnbringend ist. Vorzugsweise sind die Handelsunternehmungen in Westafrika in Händen englischer Kaufleute, doch trifft man die Schiffe aller Nationen an jenen Küsten. Auch Deutschland wird an verschiedenen Punkten vertreten, und in dieser Beziehung ist namentlich das große Hamburger Haus „C. Wörmann“ rühmlichst zu erwähnen, welches gegenwärtig über die ganze Küste, vom Senegal bis zum Cap Lopez, seine Factoreien und Stationen ausgedehnt hat und sogar an mehreren Stellen, am Camerun und Gabun, die Concurrenz anderer Nationen siegreich überwunden und den ersten Rang unter den dortigen Handeltreibenden errungen hat. Ein Agent dieses Hauses am Gabun, Herr C. Wölber, ist neuerdings zum Consul des deutschen Reiches für jene Gegenden ernannt worden.

Obwohl bei den friedlichen Verkehre, der aus der gegenwärtigen Art und Weise des Handelns hervorgeht, die Europäer Gewaltthätigkeiten der Neger in jenen Districten nicht mehr zu befürchten haben, ist doch die alte Gewohnheit, auf Schiffen zu wohnen und nicht am Lande Factoreien zu errichten, in den mehrfach erwähnten Flußniederungen wenigstens allgemein, beibehalten. Nur ausnahmsweise findet man Stationen am Lande, welche dann kleine Filiale der schwimmenden Hauptdepots sind. Einmal herrscht die Ansicht bei den Kaufleuten, daß das Wohnen auf dem Flusse, über dem Wasser, für den Weißen gesünder sei als am Lande, weil man mehr den günstigen Einfluß der frischen Seebrise genießt, welche mit großer Regelmäßigkeit alle Nachmittage in die Flußniederungen hineinweht, andererseits aber können am Lande Belästigungen der Schwarzen niemals gänzlich vermieden werden, weil die Besitzungen beständig den unvermeidlichen Diebereien derselben ausgesetzt sind, besonders aber durch die Streitigkeiten der Neger unter einander, welche nur zu häufig in offene Fehde ausarten, gefährdet werden.

Man unterscheidet zwei Arten der schwimmenden Depots. Theils werden hierzu noch seetüchtige Schiffe benutzt, welche man, wie früher von den Sclavenhändlern geschah, nur so lange an den gewählten Orten verankert, bis die genügende Menge Oel und Elfenbein gekauft worden ist und das Schiff seine volle Ladung erhalten hat, die es nun sogleich, abgelöst in der Regel durch ein neu ankommendes Schiff des betreffenden Kaufmannshauses, über den Ocean dem heimathlichen Handel und der Industrie zuführt. Während der Zeit des Stationirtseins nimmt man das Takelwerk von den Masten, um der Gewalt der häufigen, mit grausigem Toben heranbrausenden Tornados weniger ausgesetzt zu sein, und versieht das Deck, zum Schutze gegen die glühenden Sonnenstrahlen, mit einem leichten Mattendache. Häufiger aber benutzen die Kaufleute als Depots alte, zum Seegebrauch nicht mehr geeignnete, aber möglichst geräumige Schiffe, die man dauernd an ihrem Bestimmungsorte verankert oder, wie es von den Seeleuten genannt wird, vermauert. Ihre Takelage wird vollständig entfernt; die Masten werden abgeschnitten oder wenigstens gestutzt, sodaß nur der Schiffsrumpf übrig bleibt, daher diese Depots auch von den Engländern „hulks“ genannt werden. Das Deck versieht man hier in der Regel mit einem dauerhafteren Dache aus Zinkblech und richtet die Cajüte zu einer möglichst wohnlichen Behausung ein.

Die Colonien solcher schwimmenden Factoreien bestehen aus etwa zehn bis fünfzehn Schiffen, die ebenso viele Kaufmannshäuser repräsentiren und den verschiedensten Nationen angehören. Die Verkehrssprache bildet an diesen Orten, welche nicht Besitzungen einer bestimmten Nation sind, die englische, welche ja überhaupt auf der See die herrschende ist und ihrer Einfachheit und Leichtigkeit wegen vor anderen sich zur Weltsprache eignet. Auch mit den Eingeborenen verkehren die Kaufleute nicht in deren Sprache, sondern in der englischen. Die Neger lernen Sprachen außerordentlich schnell und sind sehr gewandt, mit einem oft höchst geringen Vocabelschatze sich verständlich zu machen, ja sogar fließend und anhaltend zu reden. Freilich läßt die Aussprache, worin sie ja nur dem Gehöre folgen, immer viel zu wünschen übrig. Ein Engländer, der nicht die betreffenden Erfahrungen gemacht hat, wird gewiß seine Muttersprache im Munde eines Schwarzen nicht wieder erkennen – natürlich sind die in den Missionsschulen erzogenen Neger hiervon auszunehmen – und auch in die eigenthümlichen Satzbildungen kann der Europäer sich anfänglich schwer hineinfinden, da die Schwarzen ihre eigene Ausdrucksweise nur in englische Worte übertragen.

Nächst dem Oele ist das Elfenbein der wichtigste Handelsartikel an jenen Küsten, wozu an einzelnen Orten noch Rothholz und Gummi-Elasticum tritt. Letzteres, ein sehr werthvolles und gewinnbringendes Product, ist das Erzeugniß einer großen Waldliane, der erhärtete Milchsaft der Landolphia florida sowie einiger Verwandten dieser Schlingpflanze. Die Elfenbeinausfuhr ist gegenwärtig noch sehr bedeutend. Trotz der Verfolgungen, welchen die Elephanten überall ausgesetzt sind, findet man sie vielfach, auch in der Nähe der Küste noch ungemein häufig, und daß viele ein sehr hohes Alter erreichen, bevor sie dem Erzfeinde der Thiere, dem Menschen, zum Opfer fallen, beweisen die großen schweren Zähne, welche in den Handel gelangen. Solche von fünfzig bis sechszig Kilogramm kommen nicht selten vor; man erhält sie sogar von siebenzig bis achtzig Kilo Gewicht. Ein Elephant, der ein Paar solcher gewaltigen Hauer in seinen Kiefern tragen kann, muß ein mächtiger Bursche sein, dessen Alter man auf weit über hundert Jahre anzunehmen hat.

Auf unserem Holzschnitte, einer Originalskizze des Malers Klingelhöfer, der mehrere Jahre die Westküste Afrikas bereiste, um landschaftliche Studien zu machen, sieht man einige Elfenbeinhändler, welche soeben nach langem Marsche aus dem Innern angekommen sind, um einen großen Elephantenzahn zu verhandeln. Wie der Neger zu allen Dingen sehr viel Zeit gebraucht, so währt auch der Elfenbeinhandel oft stundenlang, um schließlich doch zu keinem Ergebnisse zu führen. Der Zahn wird häufig wiederholentlich von verschiedenen Leuten dem Kaufmanne präsentirt, indem die Neger, welche beim Handel mit großer Raffinerie verfahren, den letzteren zu täuschen meinen und bei dem mehrfachen Anerbieten derselben Waare doch einmal einen höheren Preis zu erzielen hoffen.

Wenngleich es eine verlockende Aussicht ist, innerhalb acht bis zwölf Jahren ein nicht unbedeutendes Vermögen sich zu erwerben, was die in Afrika thätigen Kaufleute mit Sicherheit erwarten dürfen, so ist doch das Loos der Europäer, die, angezogen von dem ihnen winkenden Gewinne, nach jenen dem Weißen feindlichen Ländern ziehen, ein nicht beneidenswerthes. Wenn auch ein Stationsvorsteher, umgeben von möglichstem Comfort, wie ein Fürst in seiner Factorei, auf seinem Schiffe lebt und gebietet, wenn er auch eine große Zahl als Diener fungirender Neger zur Verfügung hat, die stets seines Winkes gewärtig stehen, Bedienungen, wie sie in Europa gar nicht möglich sind und welche von den nach langjähriger Abwesenheit Zurückkehrenden hier häufig sehr vermißt werden, wenn er auch frei und unabhängig, nur auf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_064.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)