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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


in goldener Schrift den Namen der Verewigten trägt. Vor diesem Gedenksteine ruht auf einem blauen Atlaskissen eine aus künstlichen Orangenblüthen gefertigte Todtenkrone; der übrige Raum der Capelle ist vollständig ausgefüllt von all den Kränzen und Blumen, welche zur Beerdigung hier eintrafen, und die künstlichen Rosen tragen viel dazu bei, dem Ganzen ein ewig frisches Ansehen zu geben. Vor der Capelle breitet sich ein weiter Raum aus, welcher aber durch seine Einfassung mit dieser verbunden und für die Hinterbliebenen bestimmt ist. Hier werde auch ich ausruhen von allem Leid.“

Mit diesen rührenden Worten der Schwester schließen wir unsere anspruchslose Skizze ab, welche nichts sein sollte als ein bescheidener Kranz auf das Grab einer ebenso bedeutenden als liebenswürdigen Künstlerin.




Vom alten Wrangel.
Von Fedor von Köppen.

Ein Stück vom alten Preußenthum ist dahingegangen, einer der Letzten jener licht gewordenen Schaaren, jener greisen Krieger mit dem eisernen Kreuze von 1813 bis 1815 und der Devise: „Mit Gott für König und Vaterland!“ Wrangel gehörte zu den lebenden Ueberlieferungen aus der Ruhmeszeit der deutschen Freiheitskriege, an denen das Herz in der langen Zeit der Thatenarmuth und Thatenlosigkeit sich erquickte und erhob – eine kernige, preußische Soldatennatur; aus seinen Augen leuchtete allezeit ein fröhliches, gutes Gewissen und in seinem Herzen wohnten die echten Soldatentugenden: Gradheit, Wahrhaftigkeit, Treue, dazu ein fester und unverzagter Muth in allen Lebenslagen.

Wrangel’s Berühmtheit begann erst seit dem Lebensabschnitte, mit welchem so mancher Andere seine Laufbahn abschließt, mit seinem fünfzigjährigen Dienstjubiläum, welches er am 15. August 1846 als commandirender General des zweiten (pommerschen) Armeecorps im Alter von zweiundsechszig Jahren und vier Monaten in seiner Vaterstadt Stettin beging. Das Officiercorps des zweiten Corps überreichte ihm bei dieser Feier eine Vase, auf welcher zwei hervorragende Momente aus seinem früheren Kriegsleben dargestellt waren. Der eine war die Attaque des preußischen Dragonerregiments von Zieten auf zwei französische Kürassierregimenter in dem Treffen bei Heilsberg (10. Juni 1807), bei welcher Affaire der damals dreiundzwanzigjährige Lieutenant von Wrangel durch einen Pistolenschuß verwundet wurde und sich durch seine persönliche Tapferkeit so hervorthat, daß er auf den Vorschlag seines Commandeurs vom Könige den Orden pour le mérite erhielt. Das andere Bild vergegenwärtigte den bekannten und oft geschilderten Angriff der ostpreußischen Kürassiere unter dem Major von Wrangel auf die französische Gardecavallerie in dem Gefechte bei Etoges (14. Februar 1814), einen Moment, an den sich Wrangel stets besonders gern erinnerte.

In der Friedenszeit, als die gefeierten Führer aus den Freiheitskriegen, die Blücher, Gneisenau, York, Bülow und Andere, die vorher den Mittelpunkt der Kriegsgespräche gebildet hatten, längst vom Schauplatze abgetreten waren, erfreute man sich auch an der Nachlese solcher kleinen heldenhaften Züge, und die Augen der Armee richteten sich immer mehr auf den tapferen General, der außerdem bei verschiedenen Gelegenheiten – wie bei dem ultramontanen Putsch in Münster aus Anlaß der Verhaftung des Kölner Erzbischofs Droste zu Vischering (1837) – Zeugniß von seiner Energie abgelegt und sich auch im Frieden bei Leitung der großen Cavalleriemanöver, so namentlich im Jahre 1843 bei Anwesenheit des Kaisers Nicolaus von Rußland in Berlin, als umsichtiger und schneidiger Reiterführer bewährt hatte. So war es gewiß ein glücklicher Griff, als General von Wrangel im Jahre 1848 bei dem ersten Vorgehen gegen Dänemark zum Oberbefehlshaber der Bundestruppen ernannt und der schon damals in hoher Achtung stehende Hauptmann von Fransecky, der später seinen Ruhm bei Benatek begründete, ihm im Generalstabe zur Unterstützung beigegeben wurde. Der Feldzug wurde indessen bekanntlich mehr mit der Feder, als mit dem Schwerte geführt, und Wrangel hatte es für seinen Ruf nicht zu beklagen, daß der Waffenstillstand von Malmoe dem Scheinkriege ein Ende machte. Wie wenig er übrigens selbst den Krieg zum Scherze trieb, beweist das Schreiben, welches er von Kolding aus an den dänischen Admiral Sten Bille richtete, als dieser gedroht hatte, von den dänischen Kriegsschiffen die offenen Städte an der Ostsee bombardiren zu lassen, wenn die Bundestruppen nicht Jütland räumten. Es lautete:

„Wenn Euer Hochwohlgeboren aussprechen, daß die dänische Marine für das Bombardement von Middelfahrt an Häfen der Ostsee Rache nehmen werde, so lassen Sie es sich gesagt sein, daß für jedes Haus, das die dänische Marine an deutschen Küsten in Brand schießen sollte, ein Dorf in Jütland brennen wird. Mein Name bürgt Ihnen dafür, daß es geschehen würde.“

     Kolding, den 10. Mai 1848.

von Wrangel.“

Bei seiner Rückkehr von Schleswig zum Oberbefehlshaber in den Marken ernannt, hatte Wrangel die schwere Aufgabe, die Bevölkerung der Hauptstadt aus ihrer revolutionären Erregung in das gewohnte Alltagsgeleise zurückzuführen, und es ist bekannt, mit welchem sicheren Tacte – wir möchten sagen, in welcher gemüthlich-jovialen Weise, wenn nicht der Wink mit den „haarscharf geschliffenen Schwertern“ und den „Kugeln im Laufe“ doch verständlich genug gewesen wäre – er dieselbe löste. Der Berliner ließ lieber die Reaction mit Kanonen und Bajonnetten über sich ergehen, als diejenige mit revidirten Verfassungsparagraphen und Preßgesetzen.

Die Liebe zum Königshause, dessen Schicksale ja auch mit seinem eigenen Leben so eng verflochten waren, war bei dem alten Wrangel gewissermaßen zu einem Glaubensartikel geworden. Die Sorge für die Person des Königs ließ ihm auch in dieser unruhigen Zeit keinen Augenblick Ruhe. König Friedrich Wilhelm der Vierte liebte die einsamen, späten Abendspaziergänge im Parke zu Charlottenburg; es war daher vom Obercommando in den Marken Befehl zur strengen Ueberwachung des Parkes gegeben. Um sich zu überzeugen, ob derselbe auch in der That befolgt würde, ritt Wrangel in einer Winternacht selbst auf seinem alten Schimmel nach Charlottenburg und prüfte die Wachsamkeit der Posten im Parke. Da sah er vom Ende des Baumganges her, in seinem Militärpaletot, die weiße Garde du Corps-Mütze auf dem Haupte, einen einfachen Naturstock in der Hand, den König selber kommen. Eiligst suchte sich Wrangel seinem Blicke zu entziehen und setzte mit einigen Galoppsprüngen hinter das nächste Bosquet. Aber der König hatte bereits den weißen Reiter erkannt, und als er sich der Stelle genähert, wo das ehrliche, schnurrbärtige Reitergesicht zwischen den bereiften Zweigen hindurchlugte, rief er lachend: „Ei, Wrangel, wie kommen Sie da hinter den Strauch? Sie sollten doch wenigstens Nachts Ihrem Schimmel die Streue gönnen.“

Der General sprach eine Entschuldigung und verabschiedete sich von dem königlichen Herrn. Am folgenden Morgen stand vor seinem Hause auf dem Pariser Platze ein königlicher Reitknecht, der einen muthigen jungen Schimmel arabischen Geblüts an der Hand hielt. An einem Parterrefenster aber lehnte der General und sah verklärten Auges bald nach dem Schimmel draußen, bald in ein königliches Handschreiben, welches er in der Rechten hielt und welches etwa folgendermaßen lautete:

„Nachdem Ich erfahren habe, welche Anstrengungen Sie Ihrem Schimmel zumuthen und wie Sie ihn sogar zur Nachtzeit im Dienste Ihres Königs reiten, will Ich doch nicht die Schuld tragen, daß Sie Meinethalben noch das Pferd einbüßen sollten. Ich übersende Ihnen daher einen jüngeren Schimmel, den Ich aus Meinem Marstall eigens für Sie ausgewählt habe, mit dem Wunsche, daß Sie denselben noch recht lange in jugendlicher Frische und Rüstigkeit reiten möchten.

     Charlottenburg.

Ihr
wohlgeneigter König
Friedrich Wilhelm.“

Dieser Schimmel war es, den Wrangel seitdem lange Jahre hindurch mit besonderer Vorliebe ritt.

Seit dem Jahre 1848 hatte Wrangel seinen dauernden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 791. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_791.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)