Seite:Die Gartenlaube (1877) 776.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Cotta’schen „Morgenblattes“, eine Belohnung für seine bisherigen Thaten. Im Februar desselben Jahres (1827) führte er das längst geliebte Bäschen – seine Braut führte denselben Familiennamen wie er – mit dem er in scherzendem Uebermuth noch einen wirklichen Liebesroman gespielt, als sein Weib heim. Die Musen und das Glück schienen ihn zu ihrem Günstling erkoren zu haben. Als ihm dann noch eine Tochter geboren wurde, athmete er in trunkener Lust auch diese neue Lebensfreude ein. Die Seele hob sich in mächtigeren Schwingen; das Auge leuchtete mit berechtigtem Selbstbewußtsein und im Vollgefühl selbstständiger Kraft zu höheren Zielen der dichterischen Laufbahn empor. Die Freiheit, deren Jünger und Sänger ja auch er war, sandte ihm vom griechischen Meere Grüße, die ihn in Begeisterung versetzten – die Seeschlacht bei Navarin hatte die türkische Flotte vernichtet. Alles ging bei ihm dann in Fieberkämpfe über. „Laßt mich!“ rief er, „ich muß hin; ich muß es Müller sagen“ – dem Sänger der zündenden Lieder für die griechische Freiheit, der ihm als Freund ein paar Wochen zuvor durch jähen Tod entrissen worden. In diesem Nervenfieber endete dann sanft sein junges Leben.

Groß und allgemein war die Trauer um seinen Verlust. An seinem Grabe, von zahlreichen Freunden schmerzvoll umstanden, ehrten ihn die Nachrufe eines Uhland, eines Schwab, eines Karl Grüneisen. Seine Büste vom Bildhauer Wagner, Daunecker’s Schüler, erhob sich darnach über der Gruft; Epheu umrankte sie; treue Liebe und Erinnerung der Freunde, dankbare Empfindungen nachfolgender Geschlechter hielten oft davor eine stille Messe für den todten Dichter. Verwittert ist schon das Steinbild, aber lebendig in großer Kraft ist noch das Andenken im Volke an Wilhelm Hauff, und nur eines Wortes bedürfte es, daß Tausende freudig ihr Scherflein beitrügen, um die Liebe der Nachwelt für ihn durch ein neues sichtbares Denkmal zu bezeugen.




Erinnerungen aus dem Kriege mit Frankreich.
Von Moritz Busch.
Nachdruck verboten.
3. Ein improvisirtes Bureau. – Der Bundeskanzler in Rezonville. – Eine Schlacht und eine Wahlstatt.

Auch von unserer Fahrt von Pont à Mousson nach Commercy, von hier nach Bar le Duc und von da nach Clermont en Argonne und unserm Aufenthalt an diesen Orten wäre mancherlei zu berichten, was des Erzählens werth sein möchte und mittheilbar sein würde. Indeß eile ich an dem hier Gesehenen und Gehörten vorüber und erwähne nur, daß wir Commercy am 23. August erreichten, und daß der Kanzler hier im Hause des Grafen Macore de Gaucourt wohnte, ferner, daß er und wir mit ihm in Bar le Duc, einer schön gelegenen Mittelstadt, in der das große Hauptquartier am 24. eintraf, der Bank gegenüber bei einem Herrn Pernay einquartiert waren, und daß hier ein großer Theil der beiden baierischen Armeecorps vor dem König vorbeidefilirte, endlich, daß wir am 26. gegen Abend in Clermont anlangten, wo wir mit Ausnahme von Keudell und Hatzfeldt in der auf der linken Seite der Hauptstraße gelegenen Knabenschule Unterkunft fanden.

Clermont liegt malerisch in einer Senkung der hier nicht hohen, mit Laubwald bedeckten Hügelkette der Argonnen neben und auf einem kegelförmigen Berge mit einer Capelle. Die lange Grande Rue ist voll Bagagewagen und Kutschen, dicker gelber Koth auf dem Pflaster; denn es hat kurz vorher einige tüchtige Regenschauer gegeben. Hier und da sächsische Jäger. Bei sinkender Sonne gehe ich auf steinernen Stufen mit Abeken am Abhang hinter dem Hause nach der alten gothischen Kirche hinauf, die, von hohen Bäumen umgeben, auf der halben Höhe des Berges steht. Sie ist offen, und wir treten hinein in die Dämmerung, in der man Kanzel und Altar nur in Umrissen sieht. Die ewige Lampe wirft ihren rothen Schein auf die Bilder an den Wänden, und durch gemalte Fenster fällt ein Restchen Abendlicht auf den Fußboden. Wir sind allein. Alles ist tief still wie eine Gruft. Nur gedämpft dringt von unten her das Stimmengewirr und Rädergerassel der Menschenmenge, die den Ort durchfluthet, das Tramp-Tramp durchmarschirender Truppen und das Hurrahrufen derselben vor dem Hause des Königs zu uns herauf.

Als wir hinunter kommen, ziehen gerade die „Maikäfer“ vorbei. Der Minister ist fort und hat hinterlassen, daß wir zu ihm ins „Hôtel des Voyageurs“ kommen und da mit ihm essen sollen. Unser Küchenwagen ist nämlich erst spät oder noch gar nicht eingetroffen. Wir gehen hin und finden im kegelschubartigen Hinterzimmer, wo Alles voll Lärm und Tabaksqualm, bei ihm noch Platz und Atzung. Ein Officier mit langem dunklem Barte und einer Johanniterbinde speist mit uns. Es ist Fürst Pleß. Er erzählt, daß die gefangenen französischen Officiere in Pont à Mousson sich unverschämt betragen und die ganze Nacht gezecht und gespielt haben. Ein General hat durchaus einen besondern Wagen für sich verlangt, was ihm natürlich nicht gewährt worden ist. Man spricht dann von den Franctireurs und ihrer uncommentmäßigen Kriegführung, und der Chef bestätigt, was wir schon Abeken berichtet, daß er denen, die wir diesen Nachmittag an der Straße als Gefangene trafen, sehr ernstlich die Levite gelesen. „Ich sagte ihnen: Vous serez tous pendus; vous n’êtes pas soldats; vous êtes des brigands, des assassins. Der Eine fing dann laut zu flennen an.“ Der Kanzler ist sonst nichts weniger als hart. In Bar le Duc erzählte er uns: „Vorige Nacht fragte ich die Schildwache draußen vor der Thür, wie es ihr ginge, und wie es mit dem Essen stünde; da erfuhr ich, daß der Mann seit vierundzwanzig Stunden nichts gegessen hatte. Ich ging hinein, suchte die Küche, schnitt ihm einen tüchtigen Knust Brod herunter und trug ihn ihm hinaus, was ihn sehr vergnügt zu stimmen schien.“

Der Minister ist im ersten Stock untergebracht worden; wir haben den Schlafraum im zweiten inne, wo es anfangs von Meublement nichts als zwei Bettstellen, jede mit Matratze, und zwei Stühle gab. Die Nacht ist bitterkalt, und ich habe nichts als meinen Regenmantel zur Decke, aber es geht ganz leidlich, und wie müssen die Soldaten thun, die unten neben der Landstraße im Schlamme der Aecker campiren!

Am Morgen wird unsere Schlafstube zugleich Bureau, Speisesaal und Theezimmer. Durch Theißen’s kunstreiche Hände ist uns aus einem Sägebocke, auf den ein Backtrog gestellt wurde, einer Tonne, auf die zur Erhöhung ein niedriger Kasten kam, und einer ausgehobenen Thür, die vom Künstler über Backtrog und Kasten gelegt wurde, ein stattlicher Tisch bescheert worden, an dem der Bundeskanzler mit uns frühstücken und diniren wird, während in der Zwischenzeit zwischen Frühstück, Mittagsbrod und Thee die Räthe und Secretäre die weltbewegenden Gedanken, die der Graf in der Stube unter uns denkt, an diesem Tisch in Depeschen, Instructionen, Telegramme und Zeitungsartikel verwandeln und säuberlich zu Papier bringen. Ein rissiges, gichtbrüchiges Waschbecken, welches Wilisch, als einstiger Seemann im Pesteln geschickt, mit Hülfe von Siegellack wieder dicht gemacht hat, und ein großer eiserner Topf aus der Küche, der die nothwendigen Zimmergeräthschaften vervollständigt, werden verschämt den Speisenden und Arbeitenden zusehen. Als Leuchter werden uns wie dem Minister leergetrunkene Weinbouteillen – die Champagnerflaschen eignen sich erfahrungsgemäß am besten dazu – geliefert, in deren Hälsen Stearinkerzen ganz ebenso hell brennen wie in den Tüllen silberner Kandelaber. Weniger gut als zu Geräth, Geschirr und Beleuchtung werden wir uns jetzt und später zu dem nöthigen Waschwasser verhelfen, da sogar Trinkwasser schwer zu haben ist, weil die Menschenmasse, die seit zwei Tagen die Brunnen des kleinen Clermont aussaugt, das vorhandene Naß für sich und die Pferde herausgepumpt hat. Nur Einer von uns jammert über diese und andere kleine Mißlichkeiten. Die Uebrigen scheinen sie mit mir guten Humors als das Salz unserer Expedition zu betrachten.

Wir bleiben mehrere Tage hier, und es wird fleißig gearbeitet auf der Tischplatte, was ihr, die eigentlich ihres Zeichens eine Stubenthür, gewiß noch nicht passirt ist und ihr vermuthlich lange im Gedächtnisse bleiben wird. Sehr wichtige Dinge, schon in Herny merklich, dann in Bar le Duc deutlicher erkennbar, sind in der Vorbereitung begriffen: wir werden uns, „wenn es Gottes

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 776. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_776.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)