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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Fang. Zwei Watnetze, von je drei Fischern gehandhabt, liefern mit jedem Zuge etwa hundert Centner Karpfen. Die Fische werden in Kübeln zur Wiegstelle getragen und auf Platten ausgeschüttet. Sofort werden Hechte, Karauschen, Schleie etc. abgesondert, die kleinen Barsche aber, welche halbzerdrückt auf die Platte gelangen, können jetzt nichts Besseres thun, als mit Eleganz vom süßen Leben Abschied zu nehmen, um etwa Acker und Wiese zu düngen.

Von den Platten werfen vier geübte Hände die Karpfen in die Schale. Steigt der Centner bei einer gewissen Anzahl von Fischen, so wird mit äußerster Schnelligkeit der Inhalt der Schale einem Fasse anvertraut, welches auf einem Wagen steht; drei gefüllte Fässer geben eine Wagenladung.

Im schärfsten Trabe eilen nun die Pferde mit ihrer kostbaren Ladung dem Hammergraben zu, wo die Fische in „Dröbel“ umgeladen werden. Dröbel aber sind durchlöcherte, verdeckte Kähne, deren Oberfläche mit dem Wasserspiegel gleich ist; durchschnittlich fassen sie fünfundzwanzig Centner, und in ihnen werden die Karpfen in mühseliger Fahrt von wettergebräunten, abgehärteten Schiffern zum Schwielochsee geführt. Dort werden die Fische in größere Dröbel umgeladen, die je etwa hundert Centner fassen; im Schlepptau der Lastkähne erreichen diese nun in etwa einer Woche Berlin, in vier bis fünf Wochen aber erst Hamburg, Magdeburg etc. Während dieser ganzen Fahrt ist Aufmerksamkeit das oberste Gesetz der Dröbeltreiber und -begleiter. Nicht nur, daß die Fahrt namentlich nach und durch Berlin oft für die Treiber und Fische wegen zu vielen oder zu wenigen Wassers mit Gefahren und Opfern verbunden ist, es muß jeden Abend der ganze Karpfenbestand revidirt werden, jeder kranke oder todte Fisch aber ist zu entfernen; hin und wieder geschieht es auch, daß ein Dröbel zerschellt.

Wenn die erstaunlichen Resultate der natürlichen Fischzucht um so höher anzuschlagen sind, als sie den oft unbequemen Verhältnissen mühselig abgerungen werden müssen – betragen doch z. B. die Ausgaben des Peitzer Teichpächters etwa hunderttausend Mark – so weist doch die Lausitz noch ertragsfähigere Leistungen aus jenen Teichen auf, in welchen Goldfische gezüchtet werden. Besonders interessant aber sind die Resultate, welche der bekannte Züchter der großen Madnimaräne, Herr Rittergutsbesitzer Eckart in Lübbinchen, erzielt: in prächtig gewässerten Teichen, welche jetzt auch durch die in ihnen gefundenen Pfahlbauten bei Alterthumsforschern ihren guten Klang haben, spiegeln sich im Glanze der Sonne Goldfisch und Orfe, Forelle und Elritze, Lederkarpfen und Maräne, und wenn jetzt in Amerika die kostbarste aller Maränen, die Maräne des Madnisees, über welche in neuester Zeit die Regierung in Pommern Grenzsperre verhängt hat, gezüchtet werden kann, so ist es das Verdienst Eckart's, welcher zuerst angebrütete Maräneeier glücklich über den atlantischen Ocean gesandt hat. Wie dieser rühmlich bekannte Fischzüchter seine bewundernswerthen Resultate nur durch rastloses Probiren und Studiren erreicht hat, so werden wir, wollen wir Flüsse und Seen, Teiche und Aquarien reich und mannigfaltig beleben, rastlos zu arbeiten haben; denn die Bedingungen, unter welchen die verschiedenen Arten von Fischen gedeihen, sind zum größten Theil noch zu ergründen.

Der Staat aber wird auf die Fischzucht ein aufmerksameres Auge als bisher zu richten haben. Revision der Gesetze im Sinne des Praktischen und Nützlichen, Durchgreifen in der Handhabung dieser Gesetze in Bezug auf die wilde Fischerei, Beförderung der Zucht nicht nur des Edelfisches, Weisung an die Bahnen, möglichst billig und schnell zu expediren, vor Allem aber Errichtung von Probirstationen, womöglich in Verbindung mit den landwirthschaftlichen Akademien, endlich Heranbildung von erfahrenen Beamten und kenntnißreichen Berathern – das sind die Forderungen, welche wir im Interesse der Sache zu stellen haben.

Dr. Edm. Veckenstedt.




Junker Paul.
Erzählung von Hans Warring.
(Fortsetzung.)
10.

„Nun, da sind Sie endlich,“ sagte Kayser. Reinhardt's Hand herzlich schüttelnd. „Sie haben sich nicht als ebenbürtiger, gleichgesinnter Bruder Ihrer glücklichen Schwester gezeigt. – Wir haben länger als eine halbe Stunde auf Sie warten müssen.“

„Pflicht geht über Vergnügen, wie Sie wissen. – Ich wollte den Schluß der Fabrik abwarten.“

„Es hat sich doch Nichts ereignet?“

„Durchaus Nichts! – Ich sehe, Sie haben meiner Schwester die Freude gemacht, Fräulein Kayser ihr zuzuführen.“

„Ja!“ sagte Marie heiter, „auch weiß ich bereits, daß ich nicht mehr vorstellen darf, da die Bekanntschaft schon ohne mich gemacht worden.“

Max verbeugte sich und reichte Hanna die Hand zum Gruße. Als er, vor ihr stehend, sein Auge auf ihr ruhen ließ, da wirkte ihre ganze Erscheinung, der Blick, mit dem sie zu ihm aufschaute, das Lächeln ihres Mundes und die leise, anmuthige Bewegung des zierlichen Kopfes, mit einer sympathischen Macht auf ihn, die ihm das Blut in heißen Wellen zum Herzen trieb. Er gab sich nicht Rechenschaft, worin dieser Zauber bestand. Das aber fühlte er, daß er nicht allein in der Schönheit des Mädchens lag, sondern daß Alles an ihr die höchsten Ansprüche seines Geschmackes befriedigte.

„Ich hätte gewünscht, Sie wären dabei gewesen, Reinhard, als diese beiden jungen Damen sich gegenseitig ein Bischen auf den Zahn fühlten,“ sagte Kayser lachend. „Sie haben sich Beide als gute Diplomaten gezeigt. Zuerst war es ein leises Sondiren, verbunden mit einem vorsichtigen Verschweigen der eigenen Meinung. Dann wurde man wärmer und rückte unverblümter mit seinen Ansichten heraus. Und zuletzt war es ein jubilirendes Zusammenstimmen – ich sage Ihnen, die reinste Harmonie, mein Junge – Alles stimmte, jedes Wort der Einen fand ein Echo im Busen der Anderen. Und ich habe aus der Unterhaltung auch Nutzen gezogen. Ich habe mich belehren lassen, daß Beethoven größer ist, als Alles was vor ihm und nach ihm gelebt hat, daß Heyse der Held des Tages ist für Alles, was Frau heißt, daß ein blasses Himmelsblau – –“

„Sie Spötter mögen noch hinzufügen,“ fiel Marie ihm schnell in's Wort, „daß wir Beide, Hanna und ich, auf Grund dieser Uebereinstimmung beschlossen haben, gute und treue Nachbarschaft zu halten und, ohne uns von Ihrem Spotte abschrecken zu lassen, gemeinsam das Studium unserer Lieblingsautoren und Componisten zu treiben. Zwar weiß ich,“ fügte sie mit einen leisen, boshaften Lächeln hinzu, „daß diese Beschäftigungen sehr gegen Ihre Ansichten von Frauenbestimmung verstoßen, aber ich hoffe, Sie werden uns nicht hindernd in den Weg treten, da es auf etwas mehr oder weniger unnützen Plunder in einem so verpfuschten und verfehlten Dasein, wie es das unsrige ist, kaum ankommen kann.“

„Sie haben ein verdammt gutes Gedächtniß, Fräulein Marie.“

„Ich hoffe Sie noch oft davon zu überzeugen, verehrter Herr. Ich habe mir eine kleine Blumenlese der liebenswürdigsten und anmuthigsten Ihrer Aussprüche gemacht, und es soll mir eine ganz besondere Freude sein, dieselben dem Dunkel der Vergessenheit zu entziehen. Sie sollen erfahren, welche pietätvolle Schülerin Sie an mir haben.“

„Sie sind heute sehr grausam, Fräulein Marie. Ich hätte nicht geglaubt, daß Sie ein so hartes Herz haben.“

„Ein englischer Chronometer, Herr Kayser, hat gar kein Herz, weder ein hartes noch ein weiches. In seinem Innern bewegt sich nur ein Pendel mit regelmäßigem Ticktack. – Aber da fällt mir ein, daß ich Gefahr laufe, den Ruhm meiner Pünktlichkeit zu verlieren, wenn ich jetzt länger mit dem Thee zögere. Ich habe draußen unter den Linden auftragen lassen – bitte, wollen wir gehen?“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 762. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_762.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2019)