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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


umschrieben wird. Auch Maximilian schien diese Bemerkung gemacht zu haben, denn Maria lächelte, als er, auf Adelheid deutend, ihr einige leise Worte zuflüsterte.

„Sie ist neugierig von Natur,“ gab Maria zurück, „aber in diesem Falle hat sie Grund, es zu sein, wie wir Alle. Wer ist der graue Kriegsmann?“

„Einer der Hauptleute meines Geleites, die sich in Deinem Namen vorstellten. Geldern’sche Hülfstruppen gegen die Franzosen sind es.“

„Geldern’sche? Immer räthselhafter! Also deshalb verschwunden!“ sann Maria.

„Sie Alle reizen meine Neugier nicht, meine Liebe – sie sind nur Werkzeuge. Offenbar ist es der junge Cavalier, der hier gebietet. Wie heißt er?“

„Hugo von Huy.“

„Seine Macht erscheint so wunderbar, wie sein Wesen ungewöhnlich. Mir ist, als hätte ich diese Züge schon gesehen. Und doch wieder nicht – irgend eine Ähnlichkeit wird mich täuschen.“

„Er ist mein Ehrencavalier. Aber freilich, seit heute weiß ich nicht mehr, was ich von ihm halten soll, denn sicher steht er in Verbindung mit meinem geheimen Beschützer.“

„Huy?“ sann Maximilian. „Nein, nein, mir unbekannt! Und doch – dieser schöne Kopf ... Stelle ihn mir vor! Eben verläßt ihn der Hauptmann.“

„Ritter Huy,“ rief Maria, Hugo herbeiwinkend, und stellte ihn Maximilian vor.

„Ihr scheinet Zauberei zu üben, Ritter,“ redete dieser ihn verbindlich an.

„Im Gegentheil, gnädiger Herr, ich stehe selbst unter einem Zauber und diene ihm,“ gab der Cavalier mit leichter Neigung gegen Maria zurück.

„Fürwahr, Ihr verstehet das Wort im Munde zu drehen, wie mir“ – und geflissentlich erhob er die Stimme zu Adelheid – „das Fräulein dort bezeugen wird.“

„O, an ihr habe ich meinen Meister gefunden, Herr, und sie kennt kein Mitleid gegen mich,“ lächelte Hugo mit einem Blicke auf die Hinzutretende.

„Vielleicht, weil sie dessen zu viel gegen Andere empfindet?“ scherzte Maximilian.

„Wenn sie das Unglück haben, Glücklicheren gegenüber zu stehen, hoher Herr,“ verbesserte das Hoffräulein.

„Hört doch, Ritter! Erkennet Ihr den Doppelsinn?“

„O Herr, wer möchte da trauen!“ erwiderte der Angeredete. „Das ewige Fächerspiel verdirbt das Gemüth.“

„Saget selbst, Herr,“ schloß Adelheid das Gefecht, „erkennt Ihr nicht meine eigene Münze wieder, mit der er mich bezahlt?“

Maximilian erinnerte sich dessen, was er erlauscht hatte, und lachte. Maria, ohne den Schlüssel zu dem launigen Spiel zu haben, lachte mit. Aber die Lage war zu ernst, um auch der heitersten Unterbrechung länger als für Augenblicke Raum zu gestatten. Als Maria um sich blickte, und auf der einen Seite das finster vor sich hinstarrende Gesicht des Prinzen, auf der anderen das sorglich spähende Auge des alten Ritters wahrnahm, bahnte sich, was vor Allem ihre Seele beschäftigte, den Weg über ihre Lippen.

„Ihr allein, Ritter,“ wandte sie sich an Hugo, „könnt Auskunft darüber geben, wie sich alles dieses zugetragen und wohin es führen soll – werdet Ihr uns endlich das Räthsel erklären?“

„Ein Räthsel will erst gelöst sein, ehe denn man es erklärt, gnädiges Fräulein,“ erwiderte Hugo ehrerbietig. „Und es ist hohe Zeit, damit zu beginnen, denn noch steht das Schwierigste bevor. Erlaubt daher zuvörderst, daß ich in Eurem Auftrage zu diesem edlen Prinzen spreche.“ Und ohne die Bejahung abzuwarten, vielmehr die stumme Verwunderung der Herzogin als solche annehmend, redete er den Prinzen mit ernstem, aber theilnahmsvollem Tone an. „Prinz, der Pflichten gegen Euren Herrn Vater hat Euch das Geschick überhoben. Die Herzogin von Burgund ist aus unwürdiger Ueberwachung befreit; ihre Getreuen haben Eure Leute entwaffnet und führen sie eben auf eine Zeitlang an einen sicheren Ort. Sollte man, wie ich besorge, auch Euern Rapphengst mitgenommen haben, so bleibt Euch mein Schimmel, Euer wohlerworbenes Eigenthum. Diesen nehmet und jaget auf ihm den tausend Reitern nach, die Euer Herr Vater des Weges gen Brüssel geschickt hat! Denn Ihr werdet begreifen, daß Ihr in Gent nicht mehr an Eurem Platze seid, nachdem Ihr diesem hohen Ritter“ – er deutete auf Maximilian – „nicht nur versprochen, seinen Namen zu verschweigen, sondern auch Urfehde gelobt habt.“

„Gut,“ sprach finster der Prinz.

„He, meine Stute für den Prinzen von Cleve!“ rief Hugo der Lichtung zu.

Sofort tauchten zu beiden Seiten des Fußpfades graue Gestalten hervor und verschwanden hinter der Krümmung des Weges.

„Sie steht bereit, Prinz,“ meldete Hugo. „Hat Euer Gnaden sonst noch etwas zu befehlen?“

„Ihr glaubet meiner spotten zu können,“ grollte mit einem drohenden Blick seines sonst so treuherzigen Auges der Prinz, „aber hütet Euch! Ihr irret und sollt bald anders von mir denken – ich kenne Euch jetzt.“

„Längst hättet Ihr mich kennen sollen, Prinz,“ erwiderte Hugo, seine Worte nachdrücklich betonend, „denn Ihr wußtet, daß ich der Diener unseres Fräuleins von Burgund und nicht der Eures Herrn Vaters, noch der Eurige bin. Aber dennoch sage ich Euch: Ihr kennet mich nicht, Prinz.“

„Und Euch sage ich: Ihr werdet mich kennen lernen, Ritter,“ versetzte dieser, kehrte ihm den Rücken und richtete mit finsterer Miene das Wort an Maximilian und Maria:

„Euer Gnaden wünsche ich ehrlich Glück und Segen – und Euch dazu, gnädiges Fräulein, so arge Kriegslist Ihr auch gegen mich üben ließet. Daß ich Euer nicht würdig bin, dessen war ich mir bei Gott bewußt. Mein Herr Vater ist ein kluger Mann, aber seinen Sohn kannte er schlecht, als er ihn zu Euch erheben wollte. Ich gehe. Habt Ihr auch gegen mich das Spiel gewonnen, so doch nicht in Gent gegen die Staaten und meinen Herrn Vater. Mögen die Würfel rollen! Ihr werdet noch von mir hören.“

Nach dieser Rede stürzte er ohne Gruß über den Hofraum davon dem Fußpfade zu, auf den scheinbar absichtslos Adelheid hinausgetreten war.

Nicht ohne Theilnahme blickte ihm Maria nach.

„Der Aermste!“ sagte sie zu Maximilian. „Er ist tief gekränkt und hält mich für schuldig an seinem Unglück. ... Sei es drum! Einmal mußte es ja doch mit ihm zum Bruche kommen.“

„Das Unglück,“ tröstete die Aebtissin, „wird ihm eine Wohlthat sein, wie so Vielen. Es wird ihn erziehen. Sein Gemüth ist gut.“

„Aber seine letzten Worte klangen wie Drohung,“ fiel der alte Ritter ein, indem er Maximilian warnend anblickte.

„Soll ich ihm nach, Herr?“ rief der Junker, die Hand am Schwerte.

„Nein, nein!“ gebot kurz abweisend Maximilian. „Ich kann es und mag es nicht glauben. Lasset ihn, und berathen wir, was zu thun!“

Dann Maria und Herberstein auf die Seite nehmend, pflog er mit ihnen Rathes.

Der Prinz aber war schon bei Adelheid vorüber gestürzt gewesen, als er, sei es daß er einen leisen Ruf vernommen zu haben glaubte, sei es daß er es nicht über’s Herz bringen konnte, ohne Gruß von ihr zu gehen, sich noch einmal zu ihr umwandte.

„Lebt wohl, Fräulein!“ sagte er traurig, ihr die Hand bietend.

Mitleidsvoll blickte ihm Adelheid in’s Auge.

„Nun ist ja Euer Wunsch erfüllt, Prinz,“ sagte sie theilnehmend, „und Ihr seid des Sturmes überhoben, der Euch so zuwider war.“

„Ja, Gottlob!“ stieß er mit Galgenhumor heraus. „Die 'Weiberschanzen' habe ich kennen gelernt. – Aber noch ist nicht Alles zu Ende; noch habe ich nicht ausgespielt.“ Und dann, mit einer fast rührenden Naivetät, brach er ab: „Nur Eines wird mir schwer, Fräulein – von Euch zu scheiden, denn Ihr allein von Allen habt – mich niemals zum Besten gehalten.“

Noch ein kräftiger Händedruck, daß Adelheid zwischen den Tatzen fast aufgeschrieen hätte, und er riß sich gewaltsam von ihr los.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 702. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_702.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)