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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Alleen, Wasserleitungen und Cascaden auch nur flüchtig zu skizziren – ich kann nur nochmals nachdrücklich hervorheben, daß die Rheinländer überall, wo der Landesherr erschien, alles aufboten, um dem siegreichen Einiger Deutschlands ihren vollen und herzlichen Dank für seine großen Verdienste um das Vaterland darzubringen. Während der ganzen Kaiserwoche hatte Düsseldorf sein schönstes Festkleid angelegt; was nur der menschliche Sinn erdenken konnte, war in den Hauptstraßen als Zierde angebracht worden; die Paläste sowohl wie die Hütten hatten sich mit Land und Guirlanden geschmückt, und die Kaiserbüsten, Bilder, Blumen- und Gewächsverzierungen, Fahnen und Flaggen und die mannigfaltigsten, prachtvollsten Illuminationen gaben der Park- und Teichstadt ein in hohem Grade fesselndes Gepräge.

Den Mittel- und Glanzpunkt der Kaisertage am Niederrhein bildeten die beiden Feste, die Düsseldorf seinem erlauchten Gaste darbot, nämlich das Fest der rheinischen Provinzialstände und das des Künstlervereins „Malkasten“. Am 5. September 4 Uhr 50 Minuten verkündete das Läuten sämmtlicher Glocken und Kanonendonner den Einzug des ersten deutschen Kaisers in Düsseldorf.

Das Benrather Schloß bei Düsseldorf.
Nach der Natur aufgenommen von Wilhelm Beckmann in Düsseldorf.

Ungeheuer war der Jubel der Menge, als der Kaiser an der Seite der Kaiserin in eleganter, mit sechs Rappen bespannter Equipage im Schritt durch die Reihen fuhr und von zahlreichen, festlich gekleideten jungen Mädchen mit Blumen wahrhaft überschüttet wurde. Vom Köln-Mindener Bahnhofe bis zum Bergisch-Märkischen, wo die Ehrenpforte errichtet war, hatten an dem durch reichbeflaggte Festons bezeichneten Wege zunächst weißgekleidete und Blumenbouquets tragende Schülerinnen der Stadt, dann weiter durch die Königsallee bis zur Tonhalle, wo das Ständefest stattfand, etwa 20,000 Mann von Krieger-, Landwehr-, Schützen-, Bürger-, Männergesang- und Turnvereinen im Festschmuck mit ihren Fahnen, Waffen etc. Aufstellung genommen. Den Anfang der Straße, durch welche sich der kaiserliche Zug bewegte, bezeichnete die gegenüber dem Bergisch-Märkischen Bahnhofe errichtete Ehrenpforte. Vier korinthische, auf hohen Basen ruhende Pilaster trugen eine Attika, welche das Kaiserwappen in Mitte einer Fahnentrophäe krönte. Die Capitäle der Pilaster waren in höchst origineller Weise aus frischen Blumen gebildet, welche mit der dunklen Stirnfarbe des würdevollen Baues auf das Reizvollste contrastirten. Ueber dem Einfahrtsbogen las man die Inschrift:

„Dem deutschen Kaiser Wilhelm I.

Auf der Pfeilerbasis stand links folgende Strophe:

“Willkommen, Kaiser, an des Stromes Strand,
Den Du beschirmst mit fester, starker Hand!
Mög’ Gott den vollsten Segen Dir verleih’n!
Dies wünscht Dir Düsseldorf am deutschen Rhein.“

Auf der rechten Seite las man:

„Wie Sturm und Blitz im Kriege,
Doch demuthsvoll im Siege,
Vor Gott ein Kind, im Feld ein Held –
Nun ist's mit Deutschland recht bestellt.“

Auf der der Stadt zugekehrten Seite standen an den Pfeilerbasen folgende Verse. Auf der rechten Seite:

„Gehämmert hat beim Kugelpfeifen
Das Schwert der Kaiserkrone Reifen,
Doch Milde und Gerechtigkeit
Den schönsten Kranz der Krone leiht.“

Auf der linken Seite war zu lesen:

„Der reichste Kranz von Ruhm und Ehr’
Den Herrscher ziert, doch ziert noch mehr
Gerechtigkeit und frommer Sinn
Den Sohn der Heldenkönigin.“

An dieser Ehrenpforte machte der kaiserliche Wagen Halt und hielt der Oberbürgermeister Becker eine kurze Ansprache an den Monarchen, während ein junges Mädchen dem Kaiser einen außerordentlich schönen Blumenstrauß mit Kaiserkrone und allerhöchsten Namenszügen, aus Kornblumen und weißen Rosen zusammengesetzt, überreichte, welchen der Kaiser seiner Gemahlin übergab, die nach allen Seiten, freundlich lächelnd, Grüße zuwinkte. Dem kaiserlichen Wagen folgte der Kronprinz nebst Gemahlin, dann die übrigen hohen Herrschaften in zehn bis zwölf Wagen. In der Tonhalle angekommen, begab sich der Kaiser mit seinem Gefolge in den zum Kaiserzimmer umgewandelten kleinen Saal. In dem Rittersaal hatten die sechshundert Gäste der rheinischen Provinzialstände die etiquettenmäßig vorgeschriebene Aufstellung genommen. Der Kaiser ließ sich die Militär- und Civilbehörden, die Geistlichkeit, die Vertreter des Provinziallandtages und des Kreises vorstellen und hatte fast für Jeden ein freundliches und treffendes Wort. Dann schritt man zur Tafel. Die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 658. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_658.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)