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welchem sie übergeben werde, wieder an Württemberg zurückzustellen sei. Auf diese Weise gewann der Feind den festen Platz und begann am 17. October, trotz aller Gegenvorstellungen, die Schleifung desselben. Allein die Compagnie französischer Mineurs vermochte die gewaltigen Bauten allein nicht zu sprengen, und so wurden denn monatelang drei- bis fünfhundert Mann aus der Umgegend herbeigezogen, mit Hülfe deren bis zum 31. März 1801 die Festung in jenen wüsten Zustand versetzt wurde, in welchem wir sie noch heute sehen.“

„Und Bilfinger und Wolf?“ fragte der Rath.


Die Veste Hohentwiel bis zum 17. October 1800.
Nach einem alten Kupferstich.


„Sie wurden auf den Hohenasperg gefangen gesetzt, während die übrigen Officiere, außer Reizenstein, infam cassirt wurden.“

Bei diesen letzten Worten hatten wir eine kleine Schwenkung nach links gemacht und befanden uns nun vor dem ersten überwölbten Eingange der ehemaligen Festung; als wir den langen Gang dröhnend durchschritten hatten, traten wir auf eine Bastion hinaus, die eine entzückende Aussicht gewährt. Zu unseren Füßen in weiter Runde wogende Saatfelder, von dem Silberbande der Ach durchzogen, da und dort im Grün Dörfer und Städtchen, weiter hinten im blauen Duft der Bodensee mit Constanz und dem stolzen Münster, und über Allem der goldige lachende Sonnenschein. Voll Bewunderung schauten wir sprachlos in die prächtige Weite, unser Cicerone aber zog die Stirn in Falten.

„’s ischt nix,“ sagte er verdrießlich, „i han’s glei denkt, mir häbet ebe koi Aussicht.“

„Wie?“ riefen wir Alle aus einem Munde.

„’s ischt ebe z’dunschtig; die vielen Regen der letschte Zeit! Kaum den Landzipfel im Untersee sieht man, wo der Scheffel bei Radolfzell sei Villa hat. Wenn’s klar ischt, sieht man von hier aus die ganze Alpenkette, links die Tyroler Berge, den Säntis, dann die Glarner Alpen, den Tödi, hierauf den Rigi, den Pilatus, das Finsteraarhorn, den Eiger, den Mönch, die Jungfrau, und endlich ganz rechts den Montblanc.“

Da es uns nicht vergönnt war, diese Perlen der Alpennatur zu sehen, so grämten wir uns darüber nicht weiter, sondern erfreuten uns an dem, was sich uns bot, und wahrlich, das war Herrliches die Hülle und Fülle. Lange konnten wir uns von diesen entzückenden Bildern nicht trennen, bis unser ungeduldiger Führer zum Weitergehen drängte. Wir schritten daher durch ein halbverfallenes Thor und betraten damit ein Trümmerfeld von kolossalem Umfange. Gewaltige Giebelwände rechts und links[WS 1], da geborstene Thürme mit sieben bis zehn Fuß dicken Mauern, dort

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: lings
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verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1877, Seite 539. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_539.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)