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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


um den Weg nach der Steinburg zu erfragen Der Bauer humpelt schlaftrunken heraus, noch im Begriffe, seine Stiefeln wieder anzuziehen. Als er des Fremdlings Frage vernommen, fragt er verwundert, ob Jener denn nicht wisse, daß Graf Steinburg todt sei und heute zur Mitternachtsstunde begraben werden solle?

Steif wie eine Pappel bohrt sich Guido, der zugleich das Verschwinden des Fräuleins erfährt, beide Hände in die Augen, beschließt dann dem Begräbniß beizuwohnen, und verlangt einen Führer. Der Bauer ruft den Geisbuab'n, der schläfrig heraustrollt, sich die Augen reibt und dem Ritter spöttisch zuruft. „Hast jo an Sabel, was brauchst mi'?“

Verwandlung: Kirchhof mit hochragendem Crucifix in der Mitte. Es ist Nacht, der Eindruck dieser Scenerie ein wirklich mystischer.

vom Bahnhof aus gesehen.
Nach der Natur aufgenommen von R. Püttner.)


Siegmund Steinburg, der Kreuzritter, tritt auf, in voller Stahlrüstung, mit rothem Mantel und einer kerzengeraden aufwärts ragenden Helmfeder. Er berichtet uns, dsß er im Begriffe ist, nach der väterlichen Burg heimzukehren, und freut sich, Vater und Schwester zu überraschen. Plötzlich tönt hinter der Scene ein Trauermarsch. Erst jetzt bemerkt der Ritter, daß er einen Friedhof betreten hat; ihm wird unheimlich zu Muthe, doch beschließt er abzuwarten, was die näher kommenden Klänge zu bedeuten haben.

„O, hier ist es schauerlich!“

In der That verwandelt sich auch des Zuschauers heitere Stimmung in beklommene Spannung, denn ganz unerwartet theilen sich die bisher als Decoration betrachteten Flügelthüren zur Linken der Bühne, und aus dem Proscenium schreitet ein von düsteren Klängen begleiteter Trauerzug hervor. Auf eine Reihe dunkel gekleideter Knaben, deren jeder einen Kranz trägt, folgen sechs verhüllte, mit faltigen Trauermänteln bekleidete Gestalten, auf deren Schultern der geschmückte Sarg ruht. Ritter und Knappen schließen sich in langem Zuge an, Alle in schwarzen Hüllen, aus welchen Rüstungen und Schwerter hervorblitzen.

Dieser Zug bewegt sich nach dem Tacte des Trauermarsches in gemessenen Schritten an der Bühne vorüber, von welcher aus Siegmund Steinburg ihm entgegenschaut, und wir können uns eines unheimlichen Eindrucks nicht erwehren, als er langsam unter der Prosceniumsthür zur Rechten verschwindet, um dann seitwärts auf der Scene selbst zu erscheinen, welche sich ganz mit den dunklen Gestalten füllt.

Nachdem sich alle Leidtragenden um den Sarg gruppirt haben, welcher am Fuße des Crucifixes niedergestellt worden ist, tritt aus ihrer Reihe Guido hervor und fordert, als Freund des Todten, der Deckel des Sarges solle gelüftet werden. Es geschieht, und der junge Held schwört, im Angesicht des Verblichenen, ihn zu rächen. Da ertönt ein wilder Schrei! Siegmund, der Sohn, hat seinen Vater erkannt! Im nächsten Augenblick erkennt er auch im Schwörenden seinen Waffenbruder und ruft: „Guido!“ Beide tauschen Rede und Gegenrede. Als Siegmund erfährt, daß Graf Eilenburg seines Vaters Tod verschuldet, die Steinburg zerstört und Hedwig geraubt habe, wird er zum Berserker, stampft mit den Füßen, daß der Boden zittert, und schwört nun seinerseits mit fürchterlicher Stimme: weder zu essen noch zu schlafen, bis sein Vater gerächt und seine Schwester befreit sei.

„Rache!“ tönt es einstimmig aus allen Kehlen. Die Leidtragenden treten in wirkungsvoller Gruppirung zusammen und kreuzen ihre Schwerter über dem Sarge. Bengalische Flammen tauchen die gestaltenreiche, malerische Gruppe in Purpurgluth. Dies ist der Höhepunkt des Stückes. Der Vorhang fällt.

Im dritten Acte „Wiederfinden im Schauerthurm“ schreitet die Handlung rasch vorwärts. Rädinger von Ebersberg hat aus mancherlei Anzeichen Besorgniß geschöpft, daß bei Anlaß der bevorstehenden Ankunft des Markgrafen Böses gegen den Kanzler im Werke sei. Er warnt Eilenburg und räth ihm, der drohenden Anklage damit die Spitze abzubrechen, daß er Hedwig im Guten berede, sofort seine Gemahlin zu werden.

„Sie hat ja doch kein Stachelherz, sie wird sich erweichen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 507. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_507.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)