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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)

Getränken auch Gegenstände für den häuslichen Gebrauch zum Verkauf ausgelegt, und diese stellten mit der Zeit jene sogar in den Hintergrund.

In neuerer Zeit haben im Allgemeinen die Jahrmärkte, gleich den Vogelschießen („Freischießen“), an Bedeutung verloren, weil nach und nach auch in größeren Dörfern sich Kaufleute aller Art niedergelassen haben und für die Hauptbedürfnisse des Landvolkes sorgen. Nichtsdestoweniger werden die Hennebergischen[1] Jahrmärkte in Städten und Flecken noch immer ziemlich stark besucht. Wenn nun auch diese dem Kleinhandel gewidmeten Vertriebsgelegenheiten so ziemlich überall dasselbe Gesicht zeigen, das einer ausführlicheren Schilderung derselben nur geringen Stoff von höherem Interesse bietet, so werden im vorliegenden Fall doch einige Notizen über die volksthümliche Außenseite dieser Henneberger Jahrmarktsleute einen bescheidenen Raum beanspruchen dürfen.

Einer der besuchtesten Jahrmärkte ist wohl der in der Residenzstadt Meiningen. Hier werden jährlich zehn Märkte abgehalten, zu welchen die Bewohner von mindestens fünfzig umliegenden Ortschaften kommen. Da sind die nachbarlichen Preußisch-Henneberger aus dem Hasel- und Schwarzagrunde (aus Rohr, Hühndorf, Dillstädt, Schwarza, Christes u. a) die Bewohner des ehemaligen Amtes Sand, die Werragründer, Grabfelder und die aus dem Herpfgrunde. Die Mehrzahl der Marktgänger kommt zu Fuß in die Stadt. Unter diesen sind insbesondere die Preußen und die aus dem Grunde der Herpf, deren Weg über den Berg führt. Wer’s kann, spannt einen Gaul an und fährt, doch nicht etwa in der Kutsche, sondern auf dem Leiterwagen, der mitunter „gesteckt voll“ geladen ist (im Volksmunde eine „Judenfuhre“); aber unser Bauer spricht: „Besser schlecht gefahren als stolz zu Fuß gegangen.“

Die Trachten der Marktleute sind sehr verschieden, und der aufmerksame Beobachter, der sich schon ein wenig auf diesem Gebiet umgesehen hat, weiß auf den ersten Blick, aus welcher der genannten Gegenden Der oder Jener stammt. Die Männer aus dem Preußisch-Hennebergischen, die sich durch ihre hohe, kräftige Gestalt, mehr aber noch durch ihre stramme Haltung bemerklich machen, welche sofort den Soldaten verräth, der auch Pulver gerochen hat, tragen gewöhnlich einen blauen, bis auf die Kniee herabreichenden Kittel aus „Beidermann“ (einem Gemenge aus Baumwolle und Leinen), lange Hose und Stiefel, oder statt deren auch Strümpfe und Schuhe, und eine baumwollene Zipfelmütze, doch auch nicht selten eine Schirmmütze (sogenannte „Russische Kappe“. Die Weiber und Mädchen aus dieser Gegend, die zwar ein frisches gesundes Ansehen haben, doch mehr von einer untersetzten Statur sind, tragen einen faltenreichen, wenig über die Kniee herabreichenden dunkelgrünen Tuchrock, mit doppeltem hellgrünem, seidenem oder auch baumwollenem Bande am unteren Ende, ein dunkles, weit ausgeschnittenes Leibchen, aus welchem das blau und weiße Hemd hervorschaut, weiße baumwollene Strümpfe oder auch, wenn der Weg trocken ist, Socken aus Tuchlappen. Auf dem Kopfe sitzt ein eigentümlich geformter Strohhut, der mit schwarzem Bande besetzt ist.

Der Marktgänger aus dem Amt Sand, der eine weniger kräftige Gestalt und eine nicht sehr lebhafte Gesichtsfarbe hat, ist bekleidet mit einem blauen Tuchrock oder auch einer dergleichen Jacke, einer leinenen oder bocksledernen Kniehose, Strümpfen und Schuhen, statt dieser auch Wadenstiefeln. Den Kopf bedeckt ein Cylinderhut, wohl auch eine Schildmütze; doch sieht man hin und wieder auch noch eine Pelzmütze, die Sommer und Winter getragen wird.

Die Mannspersonen aus dem Werra- und Herpfgrund und aus dem Grabfeld, die meist von schlanker Statur sind und sich schon mehr nach der Mode richten, tragen einen dunkelblauen Tuchrock, oder eine Jacke, lange Hosen aus Tuch oder aus Zeug und Stiefel. Ihre Kopfbedeckung besteht in einer Schildmütze, selten in einem Cylinderhut, der für Sonn- und Festtage aufbewahrt wird.

Kleidsamer ist überall die Tracht der Weiber und Mädchen, besonders der letzteren. Dieselben haben einen den Preußisch-Hennebergerinnen ähnlichen Rock, nur ist er viel länger und ohne Bandbesatz, der durch Schnüre und Litzen in Kniehöhe ersetzt wird, ein enganliegendes dunkles Jäckchen aus Tuch oder Zeug, weiße baumwollene Strümpfe und Zeugschuhe. Ihr Hut ist größer und statt des schwarzen Bandes der Preußinnen mit hellgrünem, meist seidenem Bande besetzt, von welchem eine lange Schleife über den Rücken hinabfällt. Einen besonderen Schmuck erhält der Hut, der auch im Winter nicht fehlt, noch durch einen Strauß von künstlichen Blumen, den jedoch die Hüte der Frauen entbehren. Ueber Jacke und Rock wird dann noch, zumal im Winter, ein Mantel aus Kattun geworfen. Die Kleidung der Weibspersonen aus dem Amt Sand hält die Mitte zwischen derjenigen der Preußisch-Hennebergerinnen und der Letztgenannten.

Ebenso verschieden sind die Tragkörbe, hier Kötzen genannt, ohne welche selten Eine zu Markte geht. Hin und wieder sieht man auch einen Mann oder einen Burschen, der eine Kötze auf dem Rücken hat, doch das ist nur eine Ausnahme von der Regel. Die Kötzen der Preußisch-Henneberger, sowie die der Amt-Sander, die nicht eben viel zu fassen vermögen, haben die Form einer abgekürzten Pyramide, welche oben nach der Weitung hin in’s Rundliche übergehen. Die Grabfelder tragen Körbe aus Weidengeflecht in eirunder Form, die mehr als jene fassen können. Dieser Korb ist neuerdings auch bei den Werra- und Herpfgründern im Gebrauche; ehedem benutzten dieselben den Thüringer Beinkorb, so genannt wegen der beiden langen, an der Tragseite des Korbes angebrachten Hölzer, auf welche derselbe beim Ausruhen an Berglehnen aufgestützt wird. Die alte Meininger Kötze ist der sogenannte „Coburger Korb“, der die schönste Form von all diesen Körben hat und auch viel mehr als jene fassen kann.

Unter den mancherlei Gegenständen, die zu Markte gebracht werden, machen sich besonders bemerklich die Töpferwaaren der Wasunger und Ummerstädter Häfner, die Büttnerwaaren (Gelte, Butten, Eimer und Wasserkannen) vom Thüringer Walde (meist aus dem Bezirke Eisfeld), die Schuhmacherwaaren der Ostheimer (Eisenacher Oberland) und Wasunger, die erstaunliche Menge von Schnittwaaren der Juden aus der Umgegend von Meiningen, die Bäckerei- und Zuckerwaaren von Wasungen und Schmalkalden. Auch giebt es da Gemüse aller Art, das besonders von Gogsheim (Unterfranken) und Bamberg kommt. Hühner und Tauben, nebst Eiern und Butter, liefern die Grabfelder Höker in und auf ihren Kötzen, die Gänse kommen größtenteils aus dem Werragrund, wo sie zu Hunderten, ja wohl zu Tausenden gezüchtet werden.

Mit den Jahrmärkten sind in der Regel noch Schweinemärkte verbunden; so auch in Meiningen. Eine gewisse Berühmtheit hatten und haben noch die Schweinemärkte in Helmershausen (Eisenacher Oberland) erlangt. Am belebtesten aber unter allen Hennebergischen Märkten überhaupt sind doch der Kirschenmarkt (Anfangs Juli), der Burkhardsmarkt (Mitte October) und der Christ- oder Weihnachtsmarkt (etwa acht Tage vor Weihnachten); wahre Festtage für die Kinder.

Auf allen Jahrmärkten zu jeder Jahreszeit erreicht Mittags mit dem höchsten Stand der Sonne auch der Menschenstrom seinen Höhepunkt. So wie derselbe allmählich wächst, nimmt er auch wieder ab. Zuletzt Packen auch die Krämer ihre unverkauften Waaren ein, um ihr Glück an einem anderen Orte zu versuchen; denn gar mancher von ihnen, der mit großen Hoffnungen kam, hat schon manchmal kaum so viel gelöst, um das Standgeld (Marktgeld) bezahlen zu können.

B. Sp.
  1. Die ehemalige gefürstete Grafschaft Henneberg, benannt nach der in der Nähe der Stadt Meiningen in Trümmern liegenden Burg Henneberg, umfaßte 34 Quadratmeilen fränkisches Land nebst einigen thüringischen Gebietstheilen; das Fürstengeschlecht starb 1583 aus, das Land fiel an die sächsischen Häuser und ist gegenwärtig unter Preußen, Sachsen-Weimar, Sachsen-Coburg-Gotha und Sachsen-Meiningen, dessen Stammland größtentheils hennebergisch war, vertheilt. Hennebergische Residenzen waren Schleusingen und Römhild, hennebergische Schlösser u. A. der Straufhain bei Rodach und die Veste Coburg.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 504. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_504.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)