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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Demüthigung ihres bisherigen Herrn und Meisters – verhörte, sagten nicht zu Ungunsten eines Mannes aus, der am Ende im Sinne seines rohen Zeitalters sehr verdienstvoll gehandelt hatte. Viel Gewicht legte wohl auch der König nicht auf alle diese Anklagen; er benutzte sie zunächst nur, um den stolzen Grafen mürbe zu machen und ihm durch eine Verurtheilung seinen Standpunkt als jetzigem württembergischem Unterthan recht klar zu Gemüthe zu führen. So schlug er denn nach zwei Jahren die weitere Untersuchung „allergnädigst“ nieder, verurtheilte jedoch den Grafen in die Kosten des Verfahrens mit 391 Gulden 25 Kreuzer.

Der Graf sah damit die ihm angethane Schmach nicht als verringert an; er stand jetzt wie ein Begnadigter da. Nochmals machte er seine Vorstellung dagegen, berief sich darauf, daß er „Ruhm und Vermögen“ für die Sache der Gerechtigkeit geopfert, und endlich, nach einigen Jahren vergeblichen Verhandelns, ließ er sich sogar, um diesen Flecken von seiner Ehre abzuwaschen, zu einem directen Bittgesuche an den König herbei, ihm seine „Defension“ zu gestatten: „Sire, um die einzige, der Gerechtigkeit so nahe verwandte Gnade bittet Eure Majestät ein Greis, der in seine noch wenigen Lebensjahre keinen höhern Werth setzt, als nicht abgewürdigt bei den Nachkommen zu erscheinen.“ In der Sache half ihm aber auch dies nicht. Der „alte König“ starb, ohne ihm zu antworten, und Seine Excellenz, der ehemalige „Malefizschenk“, bezahlte endlich mit blutendem Herzen, der darin liegenden Verurtheilung wegen, die 391 Gulden 25 Kreuzer Commissionskosten am 8. August 1817. Er lebte noch bis in die 1820er Jahre auf seinen Gütern und hörte stets gern von den ferneren Schicksalen der Gauner, that Dem und Jenem vom sündigen Nachwuchse derselben auch noch immer manches Gute. Im Grunde waren es ja auch seine Gauner, und das Interesse für sie hatte in Wahrheit den Inhalt seines langen und so seltsamen Lebens gebildet.

Schmidt-Weißenfels.




Aus den jüngsten Tagen von Bukarest.


Der Czar wird, wie ich höre, am 25. Mai alten Stils, das ist am 6. Juni nach neuer Zeitrechnung, in Bukarest eintreffen. Bis zu dieser Zeit dürfte somit der Aufmarsch der Russen in Rumänien vollendet sein, und der Uebergang über die Donau wird dann in's Werk gesetzt werden. Derselbe wird gleichzeitig an vielen Stellen erfolgen. Die Bauunternehmer Pravatke und Lessel haben allein den Bau von drei Brücken übernommen. Das dazu nothwendige Material wird vollständig bereit gehalten. Die Stelle, an welcher der Brückenschlag ausgeführt werden soll, wird den Unternehmern erst im letzten Augenblicke genau bezeichnet werden.

Wenn übrigens sich das Wetter nicht bald ändert, so kann der Aufmarsch der Russen auch bis zum 6. Juni noch nicht bewerkstelligt sein. Seit beinahe einer Woche vergeht kein Tag, an welchem nicht wolkenbruchartige Regen fallen und die Colonnenstraßen in Moräste verwandeln, auf welchen Mann und Roß nur schwer und mit Anstrengung aller Kräfte vorwärts kommen. Die Geschütze und der Train werden zwar mit der rumänischen Eisenbahn bis gegen die Donau befördert, aber auch diese Straße wird durch die anomalen Witterungsverhältnisse beinahe jeden Tag irgendwo unterbrochen. Die Bahn, welche nur einen Schienenstrang hat, ist von dem gefallenen Eisenbahnkönig Strousberg nicht gerade solid erbaut worden, insbesondere aber läßt die Ueberbrückung der Flüsse viel zu wünschen übrig. Eine Folge davon ist, daß vor zwei Tagen die große Brücke zwischen Sascut und Racatschiuni von dem Hochwasser fortgerissen wurde, und obgleich gegen tausend russische Soldaten an ihrer Herstellung arbeiten, werden doch einige Tage vergehen, bis sie für schweres Geschütz wieder fahrbar wird. In der vergangenen Woche war aus demselben Grunde der Eisenbahnverkehr zwischen Bukarest und Verciorova (Turn-Severin) an mehreren Stellen unterbrochen. Die Bahn von der russischen Grenze nach Jassy stand zehn Tage lang ganz unter Wasser etc. Es ist daher sehr möglich, daß der Aufmarsch der russischen Armee und damit auch die Ankunft des Kaisers Alexander in Bukarest sich über den in Aussicht genommenen Termin hinaus verzögert.

Fürst Karl möchte der rumänischen Gastfreundschaft Ehre machen und hat dem Kaiser Alexander, für die Zeit seines Verweilens in Bukarest, das in der Stadt – große Mogoschoi – gelegene fürstliche Palais zur Disposition gestellt. Das Sommer-Schloß Cotroceni, etwa eine viertel Meile von der Hauptstadt auf einem Plateau gelegen, hat der Fürst der Rumänen schon vor einer Woche dem Großfürsten Nicolaus zum Wohnsitz angeboten. Ueber mehr als diese zwei Schlösser verfügt Carol der Erste nicht. Wenn seine beiden Anerbieten angenommen werden, bleibt ihm weiter nichts übrig, als für sich selbst und die liebenswürdige Fürstin Elisabeth die Gastfreundschaft eines seiner Landeskinder in Anspruch zu nehmen. Der Minister des Auswärtigen, Michael Cogalnitschano, hat dem Fürsten-Paare bereits sein an der Chaussee Kisseleff mitten im Park gelegenes Landhaus zur Verfügung gestellt. Unsere holdselige Fürstin, die leider vor drei Jahren ihr einziges Kind, ein engelhaftes kleines Mädchen von vier Jahren, verloren hat, würde damit gerade keinen schlechten Tausch machen. Das in der Calea Mogoschoi gelegene fürstliche Palais ist ein steinerner Kasten von besonderer architektonischer Häßlichkeit, der nicht einmal den Vorzug hat, daß er groß und geräumig wäre. Unter den Palais der Wiener Ringstraße würde das Residenzschloß des Fürsten Karl sich wie ein Schandfleck ausnehmen, aber auch in Bukarest giebt es viele Bojaren-Häuser, welche größer, schöner und in edlerem Style gebaut sind. Freundlicher und harmonischer ist das in einem großen Garten gelegene Sommerschloß Cotroceni, aber es ist ein ehemaliges Kloster und obgleich es in den beiden letzten Jahrzehnten einige Veränderung erlitten hat, sieht man ihm seine frühere Bestimmung doch noch allzudeutlich an, als daß es eine würdige Residenz des Fürsten der Rumänen genannt werden könnte.

Hätte Carol der Erste statt des in großartigem Style angelegten Schlosses, welches er sich beim Kloster Sinai am Fuße der Karpathen mit ungeheuren Kosten erbauen läßt (der Bau ist übrigens seit dem vorigen Jahre sistirt), sich in der Nähe von Bukarest ein Schloß gebaut, so könnte er jetzt seinen hohen Gästen eine würdigere Wohnung anbieten und brauchte sich nicht selber bei seinem Minister zu Gaste zu laden. Uebrigens glaube ich nicht, daß der Fall wirklich eintritt. Wenn auch der Czar das fürstliche Palais in Bukarest als Wohnung acceptirt, so hat doch der Großfürst Nicolaus eigentlich keinen rechten Grund, sein wohleingerichtetes Hauptquartier von Plojescht zu verlassen, um nach Cotroceni überzusiedeln. Schon hat der russische Generalconsul, Baron Stuart, die Bemerkung fallen lassen, daß im Schlosse von Cotroceni zwar Raum für den Großfürsten, aber nicht für seine Pferde sei. Auf die Entgegnung, daß in dem rumänischen Sommerschlosse sich Raum für vierzig Pferde finde, antwortete Baron Stuart, daß der russische Oberfeldherr Raum für vierzehnhundert Pferde nöthig habe.

Während die Wohnungsfrage des rumänischen und des russischen Oberfeldherrn vielfach erörtert wird, bedürfen sie Beide im Grunde kaum etwas Anderes, als einer Schlafstelle, denn den ganzen Tag sind sie auf den Beinen, empfangen Rapport, inspiciren die Truppen und machen Recognoscirungen.

Großfürst Nicolaus ist von der überstandenen Krankheit noch etwas angegriffen und muß seine Gesundheit schonen. Fürst Karl aber ist seit dem Ausbruche des Krieges in seinem eigentlichen Elemente; das Hohenzollern'sche Blut verleugnet sich in ihm nicht. Der Fürst von Rumänien brennt vor Begierde, an der Spitze der Armee, die er aus von ihm vorgefundenen kleinen Anfängen kräftig herausgebildet hat, zu zeigen, daß er seiner todten Vorfahren und seiner lebenden Vettern würdig ist.

Was unsere junge Armee selbst betrifft, so ist sie in auswärtigen Blättern vielfach verleumdet und verketzert worden. Man thut nach meiner Ansicht Unrecht, dieselbe mit dem Auge eines preußischen oder russischen Garde-Officiers anzusehen oder sie nach dem Maßstabe der Leistungen alter österreichischer oder französischer Truppen zu beurtheilen. Alles in der Welt will gelernt und geübt sein. Uns fehlt der Stamm alter tüchtiger

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_387.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)