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Juristenfacultät zu Berlin vom 23. December 1823 über mit ununterbrochenem Fleiße gehörte Vorlesungen. – 2) Testimonium für den Studiosus juris Harry Heine d. d. Berlin 24. December 1823 vom Rector der Universität Hoffmann: daß derselbe am 4. April 1821 immatriculirt und sich während seines Aufenthaltes auf der Universität gesittet betragen. – 3) Testimonium morum, unterzeichnet Bonn, den 14. September 1820. Königl. Preuß. Rhein-Universität. Augusti h. t. Rector: daß des Heine sittliches Betragen vom Herbste 1819 an, wo er die Universität bezogen, stets untadelhaft gewesen sei. – 4) Ein Dekanats-Zeugniß von demselben Dato, der Juristenfaculität, über gehörte Vorlesungen. – 5) Zeugniß des Directors des Gymnasii zu Düsseldorf Kortüm vom 16. September 1819, daß Harry Heine, ältester Sohn des Kaufmanns Heine zu Düsseldorf, vom Jahre 1809 bis Michaelis 1814 auf dem Lyceum in Hinsicht seines Fleißes und seines Betragens zu den vorzüglichsten Schülern gehört habe. – 6) Zeugniß des Prorectors Tychsen zu Göttingen vom 9. Februar 1821: daß Heine vom 4. October 1820, der Zeit der Aufnahme unter die Bürger der Universität, an sich durchaus lobenswerth betragen habe, aber am 23. Januar 1821 wegen intendirten Pistolenduells mit dem Consilio abeundi auf ein halbes Jahr bestraft worden sei. – 7) bis 9) Drei Zeugnisse der Aufnahme unter die akademischen Bürger d. d. Bonn, 13. December 1819, d. d. Göttingen, 14. October 1820, renovirt 30. Januar 1824, d. d. Berlin a. d. IV. mens. Aprilis 1821.

In mehr als einer Beziehung fesseln unsere Theilnahme die für gewisse theologische Richtungen unserer Zeit nach Inhalt und Form sehr beachtenswerthen „Gegenstände der Unterredung mit dem Studiosus juris Heine von Göttingen den 28. Juni 1825.“ Wir theilen dieselben hier vollständig mit:

„1) In der christlichen Religion ist die Vorstellung von Gott als einem liebevollen Vater der Menschen vorherrschend. – Seine Liebe und Fürsorge erstreckt sich nicht nur auf ein Volk, sondern umfaßt das ganze Menschengeschlecht. Seine Gesetze sind nicht Vorschriften der Willkür, sondern nothwendige Forderungen eines heiligen Wesens.

2) Durch äußerliche Ehrenbezeigungen und Handlungen wird Gott nicht verehrt, sondern durch fromme Gesinnungen und Empfindungen und durch ein mit den Vorschriften des Sittengesetzes übereinstimmendes Verhalten.

3) Die vollkommenste Belehrung über Gott, über seine Eigenschaften und über seine Rathschläge hat Jesus Christus den Menschen ertheilt. Zu den durch Jesum uns bekannt gemachten Rathschlüssen Gottes gehört: a) daß Gott durch Jesum sich am vollkommensten habe offenbaren wollen, und eine noch vollkommenere Religion und Offenbarung nicht zu erwarten sei; b) daß Gott den Menschen um Jesu Christi willen die Sünden verzeihen wolle; c) daß Gott die Menschen zu einem ewigen Leben bestimmt habe.

4) Jesus Christus war ein Gesandter Gottes, beauftragt: a) die Menschen zu belehren, b) für die Menschen zu leiden und zu sterben, c) als vollendetes Muster der Tugend ihnen vorzuleuchten.

5) Der Tod Christi soll nach Gottes Absicht und Willen den Menschen eine Bestätigung sein, daß Gott die Sünden verzeihen wolle. Uns liegt ob, um Verzeihung zu erlangen, diese Bestätigung gläubig anzunehmen und gelten zu lassen und uns mit allem Ernste der Besserung zu befleißigen.

6) Jesus hat zwei religiöse Gebräuche angeordnet, die wir Sacramente oder verpflichtende Handlungen nennen: a. die Taufe, zur Aufnahme in die christliche Religionsgesellschaft und zur Uebernahme der damit verbundenen Rechte und Pflichten; b. das heilige Abendmahl, zur Erinnerung an Jesu Tod, und zum verpflichtenden Zeichen, daß wir ihm angehören.

7) In dem künftigen Leben wird der Zustand der Menschen, ihrer Würdigkeit und ihrem Verhalten auf Erden gemäß, entweder selig oder unselig sein.

8) Die einzige Erkenntnißquelle der Lehre Jesu ist die heilige Schrift.“

Grimm hat zu verschiedenen Malen sich über dieses Examen geäußert und stets sehr anerkennend für Heine. „Die Antworten desselben,“ versichert er, „zeigten von eingehendem Nachdenken über den Inhalt und das Wesen der christlichen Religion, seine Fragen von scharfem Geiste; überhaupt nahm er die vorgetragene Lehre nicht einfach gläubig hin – er wollte überzeugt sein, und der Glaubenswechsel war ihm nicht ein bloßer Wechsel einer äußeren Form, erschien vielmehr als das Resultat einer aus dem Inneren dringenden Nothwendigkeit. Wir (Grimm und Bonitz) haben bei der Unterredung übereinstimmend die Ansicht gewonnen, daß Heine mit voller Ueberzeugung Christ geworden ist, und ich bin heute noch der festen Ansicht, daß sein späterer Skepticismus in Glaubenssachen nur auf der Oberfläche lag und er im innersten Herzen den Glauben an Gott nie verloren hat. Ich habe vor der Taufe tief in sein Innerstes geblickt, und er hat uns sein ganzes Denken und Fühlen bloß gelegt, ein Mensch aber, der so denkt und fühlt, wie Heine damals, kann meiner innersten Ueberzeugung nach den Glauben an Gott nie ganz verlieren.“ –

Auch die „Rede bei der Taufe des Proselyten Harry Heine, den 28. Juni 1825, Vormittags nach 10 Uhr“ ist noch erhalten. In derselben heißt es, nachdem Wesen und Vorzüge des Christenthums, ungefähr den Inhalt der soeben angegebenen „Gegenstände der Unterredung“ weiter ausführend, dargethan worden sind:

„Dies sind die unaussprechlich großen Segnungen, welche das Christenthum Ihnen darbietet, deren hoher Werth Ihr Gemüth ergreifen und mit dankbaren Empfindungen gegen Gott erfüllen muß, daß Sie zur Theilnahme an denselben gelangen sollen. Und obschon mit dem Bekenntnisse der Lehre Jesu in christlichen Staaten auch wichtige äußere Vortheile verknüpft sind, so sind es diese doch nicht und sollen es nicht sein, welche in dieser feierlichen Stunde Ihnen vorschweben. Durch höhere Güter müssen Sie sich angezogen fühlen. Ihrem Verlangen, an die Gemeine der Christen sich anzuschließen, muß die Ueberzeugung zum Grunde liegen, daß in dem Schoße derselben die reinste Gotteserkenntniß, die herrlichsten Belehrungen, die erquickendsten Tröstungen, die wirksamsten Antriebe zum Guten, die seligsten Hoffnungen der Menschheit zu finden sind.

Der Anspruch an diese Güter legt Ihnen aber auch die Verbindlichkeit auf, sich derselben würdig zu beweisen. Sie sollen gesinnt sein, wie Jesus Christus gesinnt war, und wandeln, wie er gewandelt hat. Sie sollen Ihren Glauben durch Reinheit der Sitten, durch Wohlwollen und Liebe, durch regen Eifer, Gutes zu wirken, durch gewissenhafte Pflichtachtung und Pflichterfüllung rechtfertigen. Das äußerliche Bekenntniß, die Annahme der Taufe, macht noch nicht zum Christen. Der Erlöser erklärt (Matth. 7, 21): Es werden nicht Alle, die zu mir 'Herr, Herr' sagen, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen thun meines Vaters im Himmel.

Bei der Taufe, die der Apostel Petrus (1. Petr. 3, 21) den Bund eines guten Gewissens mit Gott nennt, legen Sie das Gelübde vor Gott dem Allwissenden ab, ein gutes schuldloses Gewissen zu bewahren und den Namen eines Christen, den Sie erlangen, durch christliche Tugenden zu zieren. In erhabenen Ausdrücken schildert eben dieser Apostel die Vorzüge und die Würde der wahren echten Bekenner Christi, wenn er sagt (1. Petr. 2, 9): Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priesterthum, das heilige Volk, das Volk des Eigenthums, daß ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der Euch berufen hat von der Finsterniß zu seinem wunderbaren Licht.“ (Nach der Verlesung des Glaubensbekenntnisses erhob der Geistliche die Fragen:)

„Begehren Sie die Taufe und wollen Sie durch die Taufe zum Bekenntniß dieser Wahrheiten sich verpflichten? Und Sie (Dr. Bonitz), als erbetener Taufzeuge, halten Sie den Täufling für geeignet, die Taufe zu empfangen, und wollen Sie, daß die Taufe vollzogen werde? So verpflichten Sie sich zum treuen Bekenntniß der Wahrheiten des Christenthums und zur gewissenhaften Befolgung seiner Vorschriften durch einen Handschlag!

Zur Erinnerung an Ihre Aufnahme in die Gemeine Jesu Christi sollen Sie die Namen Christian Johann Heinrich empfangen.“ (Es erfolgte nun die Taufe und dann folgende Einsegnung:)

„Der barmherzige Gott, der Sie in das Reich und in die Gemeine Jesu Christi aufgenommen hat, der erhalte Sie in seiner Gnade und lasse Ihnen die Segnungen des Christenthums in reichem Maße zu Theil werden! Gott, Vater unseres Herrn Jesu Christi, du hast das Gelübde dessen gehört, der sich deinem Sohne und seiner Religion geweiht hat! du hast ihn in die Gemeine aufgenommen, die Jesus Christus sich erworben hat. Laß ihn auf immer sein Eigenthum sein, laß ihn in dem Lichte wandeln, das dein Sohn der Menschheit angezündet hat! Laß

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