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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

und Sümpfen des Kuilu, an den Uferrändern das vom Wasser aus erreichbare Gras abweidend. Sehr scheu, umfangreich und eine Leibeslänge von vielleicht drei Meter erreichend, vermag es durch schnelle Flucht das Wasser bei geringer Tiefe in so heftige Bewegung zu versetzen, daß kleine, schwanke Canoes davon wohl umschlagen können. Auf flachen Sandhorsten sich sonnend, oder auf angetriebenen Baumstämmen und mühsam erstiegenen Uferbänken zwischen dem Gebüsche ruhend, finden sich mehrere Arten Krokodile in großer Anzahl. Leider sind dieselben so scheu und wachsam, daß sie sehr schwer zu beschleichen sind, meist schon in ziemlicher Entfernung mehr oder minder geräuschvoll in ihr eigentliches Element gleiten und, selbst tödtlich getroffen, spurlos versinken. Letzteres gilt auch für die Hippopotamus. Nicht immer gelangt ein selbst unter Feuer verendetes Thier – dies läßt sich mit den gewöhnlichen Jagdwaffen und den gebräuchlichen Ladungen nur erreichen, wenn die Kugel in’s Auge oder den inneren Augenwinkel geschossen wird – nach seinem innerhalb einiger Stunden erfolgenden Aufsteigen in den Besitz des glücklichen Schützen, welcher erwartungsvoll den Ort überwacht; die vielleicht einbrechende Dunkelheit, der Lauf des Wassers, entziehen ihm unbemerkt die Beute, welche dann nur zu oft von den vielen, in ihren Canoes zeitweise nomadisirenden Negern gefunden und geraubt wird.

Zahlreicher an Arten und Individuen als das Reich der Vierfüßler und Wasserthiere ist die Vogelwelt vertreten. Von überall her klingen die Stimmen der gefiederten Waldbewohner, obgleich man diese selbst viel seltener erblickt, so lange man nicht eine entsprechende Lehrzeit überstanden hat. Wunderschön ist die Strophe eines kleinen Sängers, welcher in abgemessenen Pausen je zwei lang gehaltene Töne erklingen läßt, die anschwellend und ersterbend, im Intervall einer Quart abwärts auf einander folgen, so machtvoll und glockenrein, daß man andächtig lauscht. Der Genuß ist selten, da der nicht häufige Vogel nur für kurze Zeit bei Sonnenaufgang aus dem Ufergebüsch seine köstliche Stimme hören läßt. Nuni mkissi (verzauberter Vogel) nennen ihn die Neger und erzählen von ihm mancherlei Märchen, wie, daß ihn noch Niemand erblickt habe, auch, daß er niemals sterbe. Ein anderer kleiner, aber nicht so seltener Waldbewohner flötet rein und zart die größere Hälfte einer chromatischen Tonleiter abwärts, den letzten Ton länger und leiser, wie nachsinnend, wiederholend und dann verstummend, als hätte er den Rest vergessen. Wie frisch und fröhlich klingt dazwischen, rhythmisch scharf und klar wie ein Signal, die Strophe einer Drosselart, während der Gesang einer anderen dem Schlage unserer Nachtigall an Wohllaut nicht nachsteht. Weniger melodisch, aber sehr anheimelnd, erschallt von fern und nah der „kurrende“ oft wiederholte Ruf des farbenreichen Corythaix, und noch lauter, charakteristischer, bei den größeren Arten fast in ein Heulen übergehend, das kurze dumpfe, viele Male schnell wiederholte „ku! ku[WS 1]! ku!“ verschiedener Kukuke, erst auf einem Ton sich haltend, dann drei bis sechs Noten abwärts folgend und nun gehaltener verklingend, oder in umgekehrter Reihe wieder aufsteigend, nochmals beginnend. Besonders auffallend und aus sehr großer Entfernung hörbar ist der gellende, eigenthümlich modulirende Schrei eines stolzen Adlers (Haliaëtos vocifer), noch mehr aber der weithin schallende bald harmonische, bald einförmig laute Ruf stattlicher, schön gefärbter Baumhühner (Turacus), oder das mißtönige Jammergeschrei der großen Nashornvögel, welchen der unförmliche Schnabel eine ganz besondere Resonanz verleiht. Diese sonderbaren, gewöhnlich paarweise fliegenden Thiere sieht man häufig mit außerordentlich rauschenden Flügelschlägen quer über den Strom vom einen Ufer dem anderen zusteuern.

Gegen Abend, wenn die wahrhaft zahllosen Flüge der wohlbekannten grauen Papageien, dem Stromlaufe folgend, über dem Walde landeinwärts ziehen, übertäubt ihr unaufhörliches Kreischen, ihr lustiges Plappern und Pfeifen fast gänzlich alle übrigen Thierstimmen; nur das rauhe, heisere Trompeten einer Ibisart (I. hagedash) durchdringt noch dieses Tongewirre. Wenn endlich diese lärmenden Schaaren sich verflogen haben, wird es für kurze Zeit überraschend still. Von hier und dort schallt noch ein einzelner Ruf; ein verspäteter Vogel eilt vorüber; eine aufgescheuchte Affenheerde wird noch einmal laut – dann, mit herabsinkender Nacht erfüllt das Zirpen und Schwirren der Insecten den ganzen Wald. Bald klingt aber von der Savane jenseit desselben das durchdringende gedehnte Kläffen der Schakale herüber. Wie aus weiter Ferne tönt dazwischen das Klagen der Wildkatze; vorsichtiger schon lauscht man auf das kurz absetzende Grollen des gefährlichen, am Kuilu seltenen Leoparden und mag wohl erschrocken auffahren bei dem plötzlich losbrechenden abscheulichen Geschrei vielleicht naher Chimpansen.

Ein heller Dunstschleier lagert sich allmählich über dem Wasserspiegel und zieht erkältend unter den Bäumen hin – ebenso wie die heiße Sonne das gefürchtete Fieber bringend für manchen Reisenden. Bald rollt man sich in die wollenen Schlafdecken ein und streckt sich, die treue Jagdwaffe zur Seite, auf das Lager von grünem, mit geschmeidiger Matte überdecktem Laube. Traumbefangen vernimmt man vielleicht noch vom Strome her ein seltsames Rauschen und Plätschern; die schwatzend um die Feuerstätten hockenden Neger verstummen und flüstern: „Simvubu“, und endlich belehrt ein mächtiges Grunzen, mit welchem ein alter Bulle den fremdartigen Schein der verglühenden Lagerfeuer begrüßt, auch den noch Uneingeweihten, daß eine Hippopotamus-Familie eben vorüberschwimmt und zur nächtlichen Weide zieht.


Deutscher Kuli-Handel 1874 und 1876.

Das königlich sächsische Oberappellationsgericht hat durch Verwerfung der Nichtigkeitsbeschwerde ein freisprechendes Urtheil des königlichen Bezirksgerichts zu Leipzig in einem wider die „Gartenlaube“ angestrengten Processe bestätigt, welches nicht blos für unsere Zeitschrift, sondern für die deutsche Presse überhaupt und für die Interessen des gesammten deutschen Volkes von ungewöhnlicher Wichtigkeit ist. Man hat zuweilen der Presse den Vorwurf gemacht, daß sie über offenkundige Uebelstände Schweigen beobachte oder sich begnüge darauf hinzudeuten, ohne der Sache näher auf den Grund zu gehen und in eindringlicher Weise vor Unternehmungen zu warnen, die eine große Anzahl vertrauensvoller Menschen in Schaden, selbst in tiefes Unglück locken. Man bedachte bei diesem Vorwurfe nicht, daß die Presse sich einem zweischneidigen Schwerte gegenüber befindet, welches den Schutz, den das Gesetz dem Rechte und der Freiheit zu gewähren berufen ist, zu einem Angriffe verkehren kann, indem die gute Absicht einer Enthüllung als Beleidigung, die Verteidigung der gefährdeten Wohlfahrt zahlreicher Mitbürger als böswillige Schädigung Anderer erklärt und die strafende Gerechtigkeit angerufen wird, um den wohlmeinenden Warner mundtodt zu machen, ja ihn mit dem Brandmale eines Verleumders zu zeichnen. Das Goethe’sche Wort: „Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ew’ge Krankheit fort; Vernunft wird Unsinn, Wohlthat Plage,“ möchten einzelne geschäftsgewandte Köpfe von veralteten Zuständen auf die jüngste Gesetzgebung übertragen, indem sie die Strafbestimmungen, welche den bösen Willen, die übertünchte Absicht der Schädigung an Ehre und Gut aus der öffentlichen Besprechung schädlicher Vorkommnisse verbannen sollen, mit spitzfindiger Auslegekunst anrufen, um für den rügenden Warner eine Verurtheilung zu erzielen und damit einen beschönigenden Mantel um ihre von dem Buchstaben des Gesetzes nicht erreichbaren Handlungen zu breiten. Solche Fälle sind häufiger, als man im Publicum denkt, und die Presse muß zu ihrem innigsten Leidwesen oftmals schweigen, wo sie Reden für eine gebieterische Pflicht erachtet, wenn es sich nicht vermeiden läßt, Sache und Namen von einander zu trennen; sie muß schweigen, nicht blos um sich vor Nachtheilen zu behüten, sondern damit sie den Uebeln, die sie beseitigen möchte, nicht eine gewisse Verklärung bereite, welche dieselben verlockender und gefährlicher macht. Die Gesetzgebung kann deshalb nicht getadelt werden, denn sie faßt die Fälle nur in ihrer Allgemeinheit auf und überläßt es der Einsicht der Richter, die Umstände zu prüfen, in deren Zusammenhange eine That geschah.

Daß unsere Richter diese Einsicht bei ihren Entscheidungen

Anmerkungen (Wikisource)

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 840. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_840.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)